Dr. Rasmus Bode und Claudia Müller bei der Vorstellung des Bundesberichts Wissneschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer frühen Karrierephase (Buwik 2025).
BMBF/Hans-Joachim Rickel

Wissenschaftliche Karriere
Buwik untermauert hohe Befristungs-Quoten

Das BMBF hat Forschungsbefunde zu Promovierenden und Promovierten in Deutschland veröffentlicht. Ein Schwerpunkt liegt auf der Tenure-Track-Professur.

31.01.2025

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind in frühen Karrierephasen meist befristet beschäftigt, auch wenn sich die Vertragslaufzeiten geringfügig verbessert haben. Das geht aus dem "Buwik 2025" hervor. Vormals "Buwin", Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, hat sich das verantwortliche Konsortium unter der Leitung des Instituts für Innovation und Technik entschieden, den immer wieder kritisierten Begriff "Nachwuchs" nicht länger zu verwenden. Stattdessen nutzt der Bericht nun die Umschreibung "Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer frühen Karrierephase" oder "Wika". Analysiert werden weiterhin schwerpunktmäßig die Phasen der Promotion und der frühen Post-Doc-Zeit.

Dr. Rasmus Bode vom Buwik-Konsortium hat den Bericht am Donnerstag der Parlamentarischen Staatssekretärin Claudia Müller vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) übergeben. Ziel des Buwik ist es, vorhandene Daten aufzubereiten und ausgewertet als Grundlagen- und Steuerungswissen zur Verfügung zu stellen. Je nach Statistik und Einzelstudie wurden Daten bis Ende 2023 berücksichtigt. Neben Forschungsergebnissen zu Promovierenden und Promovierten bietet der Bericht schwerpunktmäßig einen Einblick in die Etablierung der Tenure-Track-Professur (TTP).

Bei der Präsentation der zentralen Ergebnisse des Berichts hob Bode besonders das Thema Befristung hervor. Mit 90 Prozent seien die allermeisten Wika befristet beschäftigt. Mit steigender Karrierestufe sinke der Befristungsanteil. Der Befristungsstatus beeinflusse dabei die Karriereentscheidungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, etwa ob sie in der akademischen Laufbahn verbleiben oder in die private Wirtschaft wechseln.

Tenure-Track-Professur etabliert sich

"Seit Beginn des Bund-Länder-Programms zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Jahr 2016 hat der Karriereweg der Tenure-Track-Professur (TTP) in der wissenschaftspolitischen Diskussion an Bedeutung gewonnen", so urteilt der Buwik. Die TTP ist als neuer Karriereweg zur Lebenszeitprofessur konzipiert. Sie hat zum Ziel, den Forschenden eine frühere Selbstständigkeit zu ermöglichen. Auch sollen ein geringeres Neuberufungsalter, die bessere Planbarkeit wissenschaftlicher Karrieren sowie die Steigerung der internationalen Attraktivität erreicht werden.

Erste Schritte eines Kulturwandels sind erkennbar, heißt es im Bericht. In neun Bundesländern gibt es demnach 14 Fördermaßnahmen und Programme, die das Bund-Länder-Programm begleiten. Seit 2018 hat sich die Zahl der TTP laut Bericht verdoppelt: von 665 auf 1.336 Personen. Mehr Frauen hätten eine TTP erhalten. 2018 wurden diese noch mit 238 beziffert, in 2022 ist ihr Anteil auf 583 angewachsen. Gleichzeitig sei die Anzahl der Juniorprofessuren ohne Tenure-Track und die der Nachwuchsgruppenleitungen um jeweils etwa ein Viertel gesunken. Die Einführung der TTP habe auch die Organisationsstrukturen und Abläufe an den Hochschulen verändert. Dies sei erkennbar an den rechtlichen Regelungen wie Satzungen und Ordnungen, die wegen der TTP erlassen wurden. Sie regeln etwa die Tenure-Evaluation.

"Um Talente in der Wissenschaft zu halten, müssen Karrierewege endlich planbarer, verlässlicher und vielfältiger werden. Die Implementierung von Tenure-Track-Professuren bietet in diesem Sinne einen vielversprechenden Ansatz unter mehreren denkbaren." So kommentiert der Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Professor Lambert T. Koch, den Buwik. Zusätzlich müsse das Wissenschaftssystem weitere Karriereoptionen etablieren und finanziell ermöglichen. Dazu sollten in der Kooperation zwischen Bund und Ländern "passgenaue Förderprogramme" entwickelt werden. "Flankierend ist schließlich endlich das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu überarbeiten. Der Druck im Kessel steigt, weshalb die politische Kärrnerarbeit spätestens mit der Konstituierung einer neuen Bundesregierung beginnen muss."

Die Vorsitzende der Wissenschaftsministerkonferenz, Bettina Martin, teilt diese Ansicht. Der Anstieg der Tenure-Track-Professuren trage entscheidend zur Planbarkeit und Attraktivität wissenschaftlicher Karrieren bei. "Dennoch bleibt die hohe Befristungsquote in frühen Karrierephasen eine große Herausforderung. Die Coronapandemie hat die Unsicherheiten und Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie, Karriereplanbarkeit und Beruf besonders deutlich gezeigt. Das Thema der besseren Vereinbarkeit muss deshalb dringend angegangen werden", sagt Martin. Der "Arbeitgeber Wissenschaft" sei diesbezüglich vielerorts in vergleichsweise hinterher.

Sie bezeichnete es als "ärgerlich", dass es der vorherigen Bundesregierung nicht gelungen sei, "das Wissenschaftszeitvertragsgesetz neu zu verhandeln und damit den rechtlichen Rahmen für die Personalstrukturen in den Hochschulen weiter zu verbessern. "Von einer kommenden Bundesregierung erwarte ich, dass sie ihre Prioritäten richtig setzt und diese Arbeit endlich zu Ende führt, betont Martin. Die Länder wollen sich nach dem für Sommer angekündigten Positionspapier des Wissenschaftsrats näher mit dem Thema befassen.

Frauenanteil nimmt zu – "Leaky Pipeline" bleibt

Etwa 280.000 Personen waren im Jahr 2022 als hauptberufliches und künstlerisches Personal an Hochschulen angestellt. Der Bericht zählt rund 51.000 Professorinnen und Professoren, knapp 205.000 Promovierende, rund 5.250 Habilitierende, 1.800 Personen auf Juniorprofessuren, gut 1.330 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Tenure-Track-Professuren und etwa 1.000 Nachwuchsgruppenleiterinnen und Nachwuchsgruppenleiter an Hochschulen sowie 650 Nachwuchsgruppenleitungen an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Dabei habe die Internationalität des Hochschulpersonals zugenommen: 15 Prozent (2022) statt 11 Prozent (2015) ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschten und lehrten an deutschen Hochschulen. Die größten Gruppen kämen aus Indien und China.

Das Phänomen der "Leaky Pipeline" existiert laut Bericht weiterhin. Das heißt, der Frauenanteil sinkt immer noch je fortgeschrittener die betrachtete Qualifizierungs- und Karrierestufe. Allerdings hätten die Frauenanteile in allen Stufen im Vergleich zum letzten Bundesbericht "Buwin 2021" zugenommen. Vor allem bei den W2-Professuren sei eine Steigerung des Frauenanteils von 34 auf 46 Prozent bemerkbar. Zwischen 2002 und 2022 haben demnach auch die Frauenanteile in Bewerbungsverfahren auf eine Professur, bei Listenplätzen und Berufungen zugenommen und sich teilweise mehr als verdoppelt. Der Frauenanteil lag so 2022 bei 42 Prozent bei den Listenplätzen und 43 Prozent bei den Berufungen. 2002 waren die Anteile noch 17 und 18 Prozent.

2022 nur noch 665 Habilitationen

Die Zahl der Habilitationen nimmt laut Buwik ab: 665 Habilitationen ohne Humanmedizin und Gesundheitswissenschaft im Jahr 2022 stehen 888 im Jahr 2010 gegenüber. Die Bedeutung der Habilitation als "letzte Vorqualifikation vor der ersten Berufung" nehme ab. Im Jahr 2022 hätten nur noch 15 Prozent der Erstberufenen eine Habilitation gehabt. Im Jahr 2016 seien dies 20 Prozent gewesen.

Auch die Promotionsquoten sind laut Bericht gesunken und liegen nunmehr bei insgesamt 16 Prozent. Im Fächervergleich reicht die Quote von guten vier Prozent in der Kunst und Kunstwissenschaft bis 56 Prozent bei Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften.

Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund unter den Promovierenden ist Buwik zufolge gestiegen. Er liege 2023 bei 28 statt wie noch im Jahr 2019 bei 23 Prozent. Die durchschnittliche Promotionsdauer betrage 5,1 Jahre vom Beginn der inhaltlichen Arbeit an der Promotion bis zum Abschluss aus der Sicht der Befragten.

99,7 Prozent der Promovierenden sind befristet beschäftigt

Laut Bericht sind annähernd alle Promovierenden (99,7 Prozent) befristet beschäftigt. In der fortgeschrittenen Post-Doc-Phase (R3) lägen die Befristungsanteile darunter, unterschieden sich dennoch je nach Gruppe: Während promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Alter von 40 bis 45 Jahren zu 62 Prozent befristet beschäftigt seien, liege der Anteil für Nachwuchsgruppenleitende bei 72 Prozent und bei Habilitierten unter 45 Jahren bei 44 Prozent. 

Allerdings habe sich die durchschnittliche Vertragslaufzeit bei Promovierenden und Promovierten im Vergleich zum Vorgängerbericht etwas erhöht. Sie lag 2019 bei 29,6 und 34,3 Monaten. 2016 seien dies noch 22,1 und 28 Monate gewesen.

Jede 21. Professur-Bewerbung ist erfolgreich

Der Bericht stellt fest, dass die Chancen auf eine Berufung gestiegen seien: Die Zahl der Berufungen sei um 75 Prozent angewachsen zwischen 2002 und 2022 (von 1.455 auf 2.550). Im gleichen Zeitraum seien die Bewerbungen an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen um 21 Prozent gestiegen (von 44.647 auf 54.243). Der Bericht resümierte, dass somit jede 21. Bewerbung erfolgreich gewesen sei.

Allerdings arbeite weniger als ein Viertel aller Promovierten sieben Jahre nach der Promotion noch im Wissenschaftssystem. Knapp die Hälfte (48 Prozent) wechsele in die private Wirtschaft, 24 Prozent arbeiteten in Krankenhäusern und Arztpraxen sowie vier Prozent im öffentlichen Dienst.

"Um Talente in der Wissenschaft zu halten, müssen Karrierewege endlich planbarer, verlässlicher und vielfältiger werden," sagt DHV-Präsident Koch. Insofern stelle der Buwik "eine zumindest in Teilen bedrückende Lektüre" dar, sie unterstreiche "einen seit Jahren offenen Handlungsbedarf nochmals nachdrücklich".

Befristungsstatus beeinflusst Karriereentscheidung

Die Befristungssituation sei für eine Entscheidung, der Wissenschaft den Rücken zuzukehren, mitausschlaggebend: Nur 18 Prozent der Promovierten mit unbefristetem Arbeitsvertrag verlassen die Wissenschaft gegenüber 51 Prozent mit befristeten Arbeitsverhältnissen. Bei Arbeitsgeberwechseln innerhalb des akademischen Sektors seien nur 7,3 Prozent der neuen Beschäftigungsverhältnisse unbefristet, in anderen Bereichen des öffentlichen Diensts immerhin 32 Prozent. Beim Wechsel in den privaten Sektor erreiche der Anteil der unbefristeten Arbeitsverhältnisse 70 Prozent – 63 Prozent bei Frauen und 80 Prozent bei Männern.

Die befristeten Arbeitsverhältnisse wirken sich auch auf die Familienplanung der Wika aus. So sind laut Bericht nur 6,5 Prozent der befristet Beschäftigten unter 35-jährigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits Eltern. Bei den Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen in der Privatwirtschaft liegt der Anteil laut Buwik bei 20 Prozent.

Arbeitslosenquote unter Promovierten sehr niedrig

Arbeitslos seien zwischen dem dritten und siebten Jahr nach der Promotion nur ein bis zwei Prozent der Promovierten, was der Vollbeschäftigung gleichkomme. Dabei erzielten Promovierte ein durchschnittlich um 20.000 Euro höheres Bruttojahreseinkommen als nicht-promovierte Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Sie arbeiteten auch häufiger in Führungspositionen: 40 Prozent der Promovierten gegenüber jeweils 25 Prozent unter den Bachelor- und Masterabsolventinnen und -Absolventen hatten demnach eine solche Rolle inne.

Das kommentierte die parlamentarische Staatssekretärin Claudia Müller am Donnerstag: Die Karrierewege außerhalb der Wissenschaft seien "hervorragend", eine Investition in eine Promotion sei "lohnenswert – sowohl gesellschaftlich als auch individuell". Trotzdem sieht Müller "weiterhin Verbesserungspotenziale": Es sei nach wie vor ein "gleichstellungs- und diversitätsfördernder" Wandel nötig. Für die kommende Legislaturperiode fordert Müller daher "mehr Tempo beim Wandel" und ein "gemeinsames Voranschreiten". Wika bräuchten gute Rahmenbedingungen, damit sie einen Beitrag leisten könnten.

Der Buwik oder vormals Buwin wird seit 2008 alle vier Jahre von einem unabhängigen wissenschaftlichen Konsortium erstellt. Er beruht auf Statistiken und Längsschnittstudien zu Karrierewegen, Beschäftigungsbedingungen und Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses. Im aktuellen Bericht wurden diese Methoden verbessert und durch genauere Daten ergänzt. Für den kommenden Bericht könnte das Konsortium einen Rückblick auf die Berichte der vergangenen zwanzig Jahre werfen, heißt es im "Buwik 2025". Müller kündigte an, dass in Hinblick auf die in wenigen Wochen stattfindende Bundestagswahl keine abgestimmte Stellungnahme der Bundesregierung mehr zu dem aktuellen Bericht erstellt werden würde.

aktualisiert um ein Statement der Vorsitzenden der Wissenschaftsministerkonferenz, Bettina Martin, am 31.01.2024 um 7.45 Uhr, zuerst veröffentlicht am 30.01.2025 um 14.40 Uhr

cpy