Illustration von Benjamin List und David W.C. MacMillan
Niklas Elmehed © Nobel Prize Outreach

Nobelpreise 2021
Chemie-Nobelpreis geht an deutschen Forscher

Benjamin List und David MacMillan erhalten den Chemie-Nobelpreis 2021. Sie entwickelten die Werkzeuge der asymmetrischen Organokatalyse.

06.10.2021

Die Gewinner des Chemie-Nobelpreis 2021 stehen fest. Ausgezeichnet wurden der Deutsche Benjamin List und der US-Amerikaner David MacMillan für die Entwicklung der asymmetrischen Organokatalyse, ein ebenso "einfaches wie geniales" Werkzeug zur Bildung von Molekülen. Das teilten die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften und die Nobelstiftung am Mittwoch in Stockholm mit. Ihre Arbeit habe große Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung und die Chemie "grüner" gemacht. Unter anderem hat sie zur Entwicklung neuer Medikamente geführt, etwa gegen HIV oder Grippe.

Die Ausgezeichneten entwickelten Katalysatoren – Substanzen, die chemische Reaktionen steuern und beschleunigen, ohne Teil des Endprodukts zu werden. Neben den zuvor bekannten Katalysatoren – Metallen and Enzymen – entdeckten die beiden Preisträger im Jahr 2000 unabhängig voneinander eine dritte Art an Katalysatoren: Sie wird als "asymmetrische Organokatalyse" bezeichnet und baut auf kleinen organischen Molekülen auf. List zeigte dies erstmals anhand einer Enamin-Katalyse mit dem Katalysator L-Prolin, MacMillan anhand einer Iminiumionen-Katalyse. Die Werkzeuge der Organokatalyse können in einer Vielzahl chemischer Reaktionen verwendet werden und sind zudem umweltfreundlich, billig und effizient.

Mit ihnen lassen sich nicht nur höhere Mengen einer Substanz herstellen, sondern auch präzisere Ergebnisse erzielen: Bei vielen chemischen Reaktionen entstehen zwei spiegelbildliche Substanzen, wie rechte und linke Hand, benötigt oder verwendbar ist aber oft nur eine der beiden Varianten. Die sogenannten asymmetrischen Organokatalysatoren stellen überwiegend nur eine der beiden Formen her.

Der 1968 in Frankfurt geborene und promovierte Benjamin List ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Der ebenfalls 1968 in Großbritannien geborene David W.C. MacMillan ist Professor an der Princeton University in den USA.

Der in einem Amsterdamer Café überraschte List erklärte per Telefon im Anschluss an die Bekanntgabe, dass sein Forschungsfeld in den vergangenen 20 Jahren große Fortschritte gemacht habe. Dass seine Entdeckung bedeutsam sein würde, habe er damals geahnt, nicht jedoch, dass er damit einen Durchbruch erzielen würde, der im Nobelpreis gipfeln würde. Er habe gedacht, er sei der Einzige gewesen, der zu dieser Zeit an dem Thema arbeitete, von seinem Mitpreisträger MacMillan habe er damals nichts gewusst. Begeistert sprach er von seiner Entdeckung, die noch viel mehr leisten könne als Enzyme.

Katalysator-Forschung schon oft mit Nobelpreis gewürdigt

In der Geschichte der Nobelpreise wurden bereits sieben Mal zuvor Forschende für verschiedene Aspekte der Katalyse geehrt: Wilhelm Ostwald (1909, Katalyse), Paul Sabatier (1912, Hydrierung mit Metallkatalysatoren), Karl Ziegler und Giulio Natta (1963, Entwicklung von Katalysatoren für die Polymersynthese), John W. Cornforth (1975, Stereochemie von enzymkatalysierte Reaktionen), William S. Knowles, Ryoji Noyori und K. Barry Sharpless (2001, asymmetrische Katalyse), Yves Chauvin, Robert H. Grubbs und Richard R. Schrock (2005, Olefinmetathese) und Richard F. Heck, Ei-ichi Negishi und Akira Suzuki (2010, Palladium-katalysierte Kreuzkupplungen).

Die diesjährigen Preisträger teilen sich das Preisgeld in Höhe von zehn Millionen Schwedischen Kronen – umgerechnet rund 980.000 Euro – zu gleichen Teilen. Überreicht werden die diesjährigen Auszeichnungen aller Kategorien gemeinsam am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

Wie bereits am Montag bei der Vergabe des Medizin-Nobelpreises verwies das Nobelkomitee bei der Bekanntgabe darauf, dass die Auswahl der Preisträger und deren Nomierung geheim sei. Warum die als Preiskandidat öffentlich hochgehandelte Entwicklung der mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 nicht ausgezeichnet wurde, beantwortete das Komitee nicht. Gleichwohl verwies es darauf, dass der Auswahlprozess Zeit brauche und sehr sorgfältig sei. "Es werden noch Jahre kommen", sagte Göran Hansson von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften.

Die vergangenen fünf Chemie-Nobelpreise

2020: Die seit Jahren in Deutschland arbeitende Genforscherin Emmanuelle Charpentier (Frankreich) und Jennifer A. Doudna (USA) für die Entwicklung einer Genschere zur gezielten Erbgut-Veränderung.

2019: John B. Goodenough, M. Stanley Whittingham und Akira Yoshino sind für die Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien ausgezeichnet worden.

2018:
Die US-Amerikaner Frances Arnold und George Smith sowie der Brite Gregory Winter haben biotechnologische Methoden entwickelt, mit denen es möglich ist, etwa Biokraftstoffe, Arzneimittel und therapeutisch wirkende Antikörper umweltfreundlich herzustellen.

2017:
Der Deutsch-Amerikaner Joachim Frank, der Schweizer Jacques Dubochet und der Brite Richard Henderson entwickelten die Kryo-Elektronenmikroskopie. Damit lassen sich Biomoleküle im Detail untersuchen – etwa dreidimensionale Bilder von Proteinen.

2016:
Der Franzose Jean-Pierre Sauvage, der gebürtige Brite James Fraser Stoddart und der Niederländer Bernard Feringa. Sie bauten molekulare Maschinen, etwa künstliche Muskeln und ein Mini-Auto.

Der erste Chemie-Nobelpreis ging 1901 an den Niederländer Jacobus Henricus van't Hoff für seine "Entdeckung der Gesetze der chemischen Dynamik und des osmotischen Drucks in Lösungen". Insgesamt wurden seither 112 Nobelpreise für Chemie an 185 Preisträger verliehen, acht Mal fiel die Verleihung aus. Die meisten Ausgezeichneten forschten in der Organischen Chemie.

Unter den Preisträgern waren bislang sieben Frauen, darunter Marie Curie (1911) und ihre Tochter Irène Joliot-Curie (1935). Einziger zweifacher Chemie-Nobelpreisträger war Frederick Sanger (1958 und 1980). Bereits 32 Mal ging die Auszeichnung an Forschende aus Deutschland, zuletzt 2017 an Joachim Frank für die Entwicklung der Kryoelektronenmikroskopie. Im vergangenen Jahr wurden die Genforscherinnen Emmanuelle Charpentier aus Frankreich und Jennifer A. Doudna aus den USA ausgezeichnet, die maßgeblich die Genschere Crispr-Cas9 entwickelten.

Der Chemie-Nobelpreis ist traditionell der dritte naturwissenschaftliche Preis, der jährlich vom Nobelkomitee verliehen wird. Am Montag und Dienstag wurden in Stockholm bereits die Nobelpreise für Medizin/Physiologie und Physik vergeben. Am Donnerstag folgt die Kategorie Literatur, am Freitag der Friedensnobelpreis in Oslo und am kommenden Montag der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis in Wirtschaftswissenschaften.

zuletzt aktualisiert am 06.10.2021 um 20:16 Uhr, zuerst veröffentlicht um 11:55 Uhr

ckr/dpa