Mann und Frau arbeiten gemeinsam im Labor
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Doppel-Karriere
Dual-Career-Förderung um jeden Preis?

Wissenschaftskarrieren erfordern räumliche und zeitliche Flexibilität. Arbeiten beide Partner in der Wissenschaft, wird es auch für Unis kompliziert.

Von Kerstin Melzer 11.07.2019

Die Dual-Career-Unterstützung ist Augenwischerei. Richtige Stellen oder Professuren kann sie eh nicht bieten. So oder so ähnlich lautet eine beliebte Kritik. Das ist richtig und gleichzeitig auch wieder nicht – die Lage ist kompliziert und braucht eine differenzierte Betrachtung.

Immer wieder sind Dual-Career-Paare enttäuscht, wenn ihnen – vor allem im Rahmen von Berufungsverhandlungen – keine konkrete Stelle für die zweite Person angeboten wird. Dies gilt nicht nur, aber vor allem bei Paaren, die aus dem Ausland in das deutsche Wissenschaftssystem (zurück-)kommen und dort flexiblere Handhabungen kennengelernt haben. Auf die persönliche Enttäuschung folgt dann schnell das Urteil, die Dual-Career-Unterstützung bringe nichts. Ein Dual-Career-Ansatz, der nicht nur auf individuelle Information und Beratung setzt, sondern auch eine dual-career-freundliche Kultur entwickelt, kann allerdings durchaus einen Unterschied bewirken.

Dilemma

Paaren, bei denen beide in der Wissenschaft tätig sind, fällt es oft schwer, ihre akademischen Karrieren zu verfolgen und miteinander zu vereinbaren. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass häufig einer (meist eine) von beiden im Laufe der Zeit entscheidet, die wissenschaftliche Laufbahn aufzugeben, da es als nicht realisierbar eingeschätzt wird, zwei Professuren auch nur in der gleichen Region zu bekommen. Und diejenigen Paare, die bereits berufbar sind, stecken oft im Dilemma zwischen "Chance nicht wahrnehmen" oder "Distanzbeziehung führen". Der Wunsch der Paare, im Rahmen von Verhandlungen eine zweite Stelle oder sogar eine Professur angeboten zu bekommen, ist daher äußerst verständlich, nachvollziehbar und zudem längst bekannt.

Hochschulleitungen setzt dieser Wunsch allerdings vor hohe und nicht einfach zu bewältigende Herausforderungen: Zunächst einmal ist die Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst an zahlreiche rechtliche Bedingungen geknüpft (zum Beispiel Ausschreibungspflicht, Auswahlverfahren zur Ermittlung der Person, die fachlich am geeignetsten ist). Enge Stellenpläne und finanzielle Spielräume grenzen als äußere Rahmenbedingungen zusätzlich die Handlungsmöglichkeiten ein.

Des Weiteren gilt es, die Forschungs- oder Arbeitsbereiche, für die sich die Partnerinnen und Partner interessieren, als Unterstützer zu gewinnen, um Irritationen und Konflikten vorzubeugen. Selbst wenn diese Fragen geklärt und alle Weichen positiv gestellt sind, steht häufig noch das unausgesprochene Misstrauen im Raum, die Einstellung von beiden könne unkalkulierbare Probleme nach sich ziehen. Daher wird Dual-Career-Partnerinnen und -Partnern in Auswahlverfahren oft kritisch gegenübergetreten und Argumente gesucht, warum sie keine geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten sein können.

Literatur

Busolt, U. et al. (Hrsg.) (2013). Karriereverläufe in Forschung und
Entwicklung. Bedingungen und Perspektiven im Spannungsfeld von
Organisation und Individuum.
Berlin: Logos-Verlag.

Gramespacher, E., Funk, J. & Rothäusler, I. (Hrsg.) (2010). Dual
Career Couples an Hochschulen. Zwischen Wissenschaft, Praxis und
Politik.
Opladen: Verlag Barbara Budrich.

University of Copenhagen (Hrsg.) (2018). An Analysis Dual Career
and Integration Services.

Ermöglichungskultur

Die Vorbehalte und Hürden, den Partnerinnen und Partnern eine Stelle in der gleichen Hochschule anzubieten, sind also merklich hoch – jedoch nicht unüberwindbar. Entscheidend ist die Haltung und Einstellung: Möchte man eher die Probleme in den Blick nehmen oder die Lösungen? Der Weg hin zu einer Ermöglichungskultur – im Rahmen der jeweils geltenden rechtlichen Bestimmungen – führt dann über eine transparente Zielsetzung und Vertrauensbildung.

Zunächst einmal gilt es zu thematisieren, warum mit Bewerbungen von Partnerinnen und Partnern wohlwollend umgegangen werden soll: Welche Vorteile bringt dies mit sich? Geht es um reine Rekrutierungsfragen, weil man den oder die First Hire unbedingt gewinnen möchte? Oder sieht man auch das Potenzial, welches die Second Hires mitbringen und das evtl. sogar Personalengpässe decken könnte? Gibt es bereits Anknüpfungspunkte, an die eine dual-career-freundliche Kultur anschließen kann? Trägt sie zum Beispiel zu anderen Hochschulstrategien bei wie Gleichstellung, Internationalisierung, Familienförderung oder Diversity? Welche sinnvollen Synergien ließen sich damit schaffen?

Als nächsten Schritt ist es empfehlenswert, konkrete Fallbeispiele zu erörtern: Welche Erfahrung hat die Hochschule bereits mit Dual-Career-Paaren gemacht? In welcher Konstellation zueinander wurden die Partnerinnen und Partner beschäftigt? Welche Konsequenzen zog dies nach sich? Was lief dabei gut? Welche Schwierigkeiten traten auf? Woran lag dies jeweils?

Dual Career Policy

Entsteht dann der Wunsch, Dual-Career-Paare gezielt fördern zu wollen, sollte als Basis für die Vertrauensbildung schriftlich festgehalten werden, wie die Förderung erfolgen soll: In welchem Umfang will sich die Hochschule für Dual-Career-Partnerinnen und -Partner einsetzen? Soll es um Einladungen zum Vorstellungsgespräch gehen, um die Vergabe befristeter Brückenstellen oder/und den Umgang mit Dual-Career-Bewerbungen in Berufungsverhandlungen?

Welche Kriterien sollen für die jeweilige Förderform gelten und wie sollen deren Prozesse gestaltet sein? Welche Anstellungskonstellationen kommen grundsätzlich in Frage – welche sind hingegen inakzeptabel? Wer muss wann am Prozess beteiligt werden? Wie kann sichergestellt werden, dass der weitere Karriereverlauf der zu fördernden Second Hires nicht beeinträchtigt wird? Wie kann aber auch vermieden werden, dass es zu Interessenskonflikten, Machtakkumulation oder der Gefährdung von wissenschaftlicher Integrität kommt?

Im besten Fall wird das Papier – zum Beispiel in Form einer Dual Career Policy – von Hochschulgremien verabschiedet und somit von Entscheiderinnen und Entscheidern diskutiert. Dieser Formalisierungsschritt ist bedeutend. Er dient nicht nur dazu, Rahmenbedingungen zu schaffen, hinter die die Hochschule nicht mehr zurückfallen möchte, sondern schafft vor allem Transparenz und Orientierung, wie mit Dual-Career-Bewerbungen ganz konkret umgegangen werden soll. Somit wissen alle Beteiligten, welche Rahmenbedingungen und Vorgehensweisen sie erwarten können und wo die Grenzen liegen. Dies hilft auch dabei, diffuse Bauchschmerzen zu kurieren, die manche Entscheiderinnen und Entscheider bei dem Gedanken bekommen, Dual-Career-Partnerinnen und -Partner einzustellen.

Kriterien

In der Praxis haben sich unter anderem folgende Kriterien bewährt:

  • Die in Frage kommenden Arbeitsbereiche prüfen das Profil der Second Hires auf die mögliche Passung (zum Beispiel Qualifikation, bisherige Erfahrung, Sprachkenntnisse).
  • Die Hauptbeteiligten, also die aufnehmenden Bereiche und die Second Hires, werden so früh wie möglich in Kontakt miteinander gebracht. Nur so können sie direkt besprechen, welche Möglichkeiten sie für eine Zusammenarbeit sehen.
  • Alle Beteiligten haben die Freiheit, nein sagen und eine Zusammenarbeit auch ablehnen zu dürfen. Denn Druck "von oben" wirkt sich schnell negativ für die Second Hires aus (zum Beispiel Ausgrenzung, Stigmatisierung) und kann auch einen Imageschaden für die Dual-Career-Thematik im Allgemeinen mit sich bringen.
  • Bei einer gemeinsamen Einstellung im gleichen Arbeitsbereich, in der gleichen Arbeitsgruppe oder in kleinen Fakultäten gilt es, besonders genau hinzuschauen und zu klären, wie Konfliktpotenziale und Abhängigkeiten vermieden werden können.
  • First und Second Hire werden in keinem Weisungsverhältnis zueinander beschäftigt.

Durch die Gestaltung des Klärungsprozesses kann die Dual-Career-Unterstützung die Wege für Partnerinnen und Partner ebnen und dazu beitragen, dass sie das erhalten, was sie verdient haben: eine faire Chance bei der Besetzung von Stellen oder Professuren. Von der Abstimmung klarer Kriterien und Vorgehensweisen profitiert dann nicht nur das Paar selbst, sondern auch die aufnehmenden Bereiche und die Hochschule als Ganzes.