Drei Kollegen besprechen sich
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Arbeitsklima in der Wissenschaft
Europaweit Jobunsicherheit in der Forschung

Zielvorgaben und Wettbewerb sorgen für zunehmenden Druck in der Wissenschaft. Gesundheit und Kreativität leiden – so das Ergebnis einer Umfrage.

22.01.2020

Forscherinnen und Forscher haben in einer europaweiten Umfrage das Arbeitsklima in der Wissenschaft bewertet. Viele sprachen von schädlichem Wettbewerb, Job-Unsicherheit und Druck. Gleichzeitig gaben 84 Prozent der Befragten an, stolz darauf zu sein in der Wissenschaft zu arbeiten. Das ergab eine Studie des britischen "Wellcome Trusts".

43 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass ihre Institution mehr Wert auf die Definition von Zielvorgaben als auf tatsächliche Qualität lege. Dass die aktuellen Kennzahlen einen positiven Effekt auf die Forschungskultur haben, glauben nur wenige (14 Prozent).

39 Prozent haben den Eindruck, dass auch ihr persönlicher Fortschritt leide – etwa, weil zu viel Wert auf Zielvorgaben gelegt werde oder sie zu viele Aufgaben neben der Forschung erledigen müssten. Das halte sie unter anderem davon ab, kreative Ideen entwickeln zu könnnen.

Rund 60 Prozent sind der Meinung, dass ihr Arbeitgeber eine kooperative Zusammenarbeit grundsätzlich fördere. Gleichzeitig glauben knapp 80 Prozent, dass der hohe Wettbewerb feindselige Forschungsbedingungen geschaffen habe. Rund 50 Prozent gaben an, dass sie unter Depressionen oder Ängsten litten. Während 44 Prozent das Gefühl haben, dass sich ihre Forschungseinrichtung grundsätzlich für das Wohlbefinden der Beschäftigten einsetze, erwarten nur 28 Prozent Hilfe durch für sie passende Angebote.

Forschung: Mangelnde Perspektiven, lange Arbeitstage

Rund zwei Drittel der Befragten arbeiten laut Umfrage pro Woche mehr als 40 Stunden. Bei 37 Prozent seien es zwischen 41 und 50 Stunden. 20 Prozent arbeiteten zwischen 51 und 60 Stunden, elf Prozent mehr als 60 Stunden.

Eine mangelnde Jobsicherheit scheint dabei europaweit verbreitet. Lediglich auf der höchsten Karrierestufe gaben 63 Prozent an, eine langfristige Perspektive in der Forschung zu sehen. Beim Einstieg in die Forschung sind es unter Promovierenden 46 Prozent. Danach fällt der Anteil auf 30 und später 40 Prozent. Die Studie unterscheidet zwischen "entry", "early", "mid" und "late career". Welche Definition genau für Deutschland zugrunde liegt, konnte laut Rückmeldung nicht gesagt werden. 

Von ihren Vorgesetzten würden sich viele mehr Unterstützung wünschen. Zwar sei das offene Gespräch typisch, doch erhielt nur gut die Hälfte eine Rückmeldung zu ihren Forschungsfortschritten. In die berufliche Entwicklung ihrer Beschäftigten brächten sich rund 30 Prozent ein und informierten über Fortbildungsmöglichkeiten.

Feedback zu ihrer Leistung erfragen laut Umfrage elf Prozent von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 80 Prozent von ihnen hielten sich derweil für kompetent in der Führung von Teams. Schulungen haben deutlich weniger gemacht (48 Prozent).

43 Prozent von Mobbing und Belästigung betroffen

Auch Mobbing, Diskriminierung und Belästigungen waren Thema in der Umfrage – jedoch scheinbar nur an der Minderheit der Institute. Rund 40 Prozent der Befragten geben an, dass sich ihr Arbeitgeber dagegen starkmache. 33 Prozent sagten, dass Aktionen gegen Belästigung und Mobbing ein blinder Fleck ihrer Institution seien. 26 Prozent sagten das über Initiativen gegen Diskriminierung.

Fast zwei Drittel der Befragten hätten von Mobbing oder Belästigung an ihrer Einrichtung gehört. 43 Prozent seien selbst betroffen gewesen. Verhältnismäßig groß scheint der Anteil bei Menschen mit Behinderung: 62 Prozent. Nur 37 Prozent der Befragten fühlten sich insgesamt sicher, über Mobbing und Belästigung zu sprechen.

Meistens gingen die Übergriffe laut Umfrage von Vorgesetzten oder hierarchisch höhergestellten Kolleginnen und Kollegen aus. In mehr als fünf Prozent der Fälle hätten die Übergriffe etwas mit dem Geschlecht zu tun gehabt. Deutlich seltener waren die Gründe Alter, Nationalität oder ethischer und sozialer Hintergrund.

Der "Wellcome Trust" hat für seine Studie 4.300 Forscherinnen und Forscher an Universitäten, in Industrie und im Gesundheitswesen befragt. 84 Prozent von ihnen waren an Universitäten beschäftigt. Der Großteil der Befragten kam aus Großbritannien (76 Prozent). Die Studie differenziert nicht zwischen einzelnen Ländern.

kas