Hochschuldidaktik
"Finde den inneren Clown"
Lachen kann durchaus eine ernst zu nehmende Sache sein, wie der organisierte Humor im Karneval zeigt. Die temporäre Auszeit vom strengen Korsett der Regeln kann als Vorbild dienen, wie man auch im Lehralltag durch das Instrument Humor kleine Pausen einbauen kann. Beim Lachen werden vom Kopf bis zum Bauch rund 300 Muskeln angespannt, allein 17 davon im Gesicht. Durch eine schnellere Atmung erhöht sich der Gasaustausch um ein Dreifaches, das Zwerchfell spannt sich und die Lungenflügel dehnen sich. Der zusätzliche Sauerstoff gelangt in die roten Blutkörperchen, das Herz schlägt schneller und pumpt sauerstoffreiches Blut durch den Körper. Für kurze Zeit ist der Organismus sehr aktiv und der Stoffwechsel wird angeregt.
"Wünscht man sich lieber ein lachendes, ein gähnendes oder gar ein weinendes Auditorium?"
Mit dem Lachen kommt das körperliche Wohlbefinden: Im limbischen System werden während des Lachens Endorphine produziert, die in die Blutbahn gelangen und die Stimmung steigen lassen. Gleichzeitig wird die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin unterdrückt. Das Lachen teilt sich mit dem Gähnen und dem Weinen einige Merkmale: Es ist ansteckend, verändert den Hormonhaushalt, aktiviert Muskeln und wirkt so zuerst anregend und dann entspannend. Um ein Auditorium zu aktivieren, hat man die Wahl: Wünscht man sich lieber ein lachendes, ein gähnendes oder gar ein weinendes Auditorium?
Zahlreiche Studien stützen die These, dass Lernende in einem unterstützenden, respektvollen und motivierenden Umfeld besser und erfolgreicher sind. Eine positive Unterrichtsatmosphäre erhöht Motivation und Engagement, reduziert Stress und Angst und sorgt insgesamt für bessere soziale Interaktionen. Kleine Unterbrechungen in der Vorlesung steigern den Lernerfolg, und Studierende kommen regelmäßiger in ihre Vorlesungen. In einer angespannten Situation kann ein gut platzierter humorvoller Kommentar Spannung lösen und die Aufmerksamkeit der Studierenden zurückgewinnen. Ein Professor oder eine Professorin, die in der Lage ist, über sich selbst zu lachen und humorvoll auch auf eigene Fehler zu reagieren, schafft eine Atmosphäre, in der sich Studierende sicher und unterstützt fühlen.
Humoristische Elemente
Wie kann der Einsatz humoristischer Elemente in der Lehre gelingen? Im Gegensatz zu manchen hochschuldidaktischen Ansätzen, bei deren Realisierung die Veranstaltung komplett neu zu gestalten ist (zum Beispiel Inverted Classroom), können Humorkomponenten niederschwellig eingesetzt und getestet werden.
Ein möglicher humoristischer Einstieg in ein Thema ist die Anekdote: Nachhaltiges Lernen funktioniert dann am besten, wenn der Lernstoff nicht einfach vom Himmel fällt, sondern wenn eine menschliche (im günstigsten Fall emotionale) Beziehung zum Stoff aufgebaut werden kann. Vergleichbar mit der einfachen Realisierbarkeit zur Anekdote ist das Erzählen eines Witzes in der Vorlesung. Meine Erfahrungen mit belehrenden Witzen (also solche, die den Stoff nochmals auf eine andere, humorvolle, Art beleuchten sollen) waren dabei allerdings selten positiv: Es hat kaum jemand gelacht. Das kann natürlich am Witz selbst oder am Vortragenden liegen oder daran, dass sich der Kontext den Studierenden noch nicht erschlossen hat.
Deutlich mehr Aufwand macht der Einsatz von humoristischen Cartoons, Zeichnungen, Fotos oder Videos in der Vorlesung. Falls man diese nicht selbst erstellt, ergeben sich hier immer auch Fragen zum Copyright. Trotzdem kann etwa der Einsatz von Cartoons im wahrsten Sinne des Wortes Farbe in die Vorlesung bringen. Am anspruchsvollsten ist sicher die Verwendung von Verkleidungen. Nicht jeder traut sich etwa als Hausmeister Maier (alias Prof. Dr. Suda – einer der Urväter von Humor in der Lehre) mit Blaumann und Kehrbesen in die Vorlesung zu gehen, um dort launige Kommentare von sich zu geben. Hier ist sicher ein etwas längerer persönlicher Weg zum Thema "Finde den inneren Clown" zu gehen.
Grundsätzlich kann man zwischen geplantem und spontanem Einsatz von Humor unterscheiden. Für mich ist der unvorbereitete Humor häufig spannender. Er hat viel mit Mut zu tun, sich auf Unerwartetes einzulassen und positiv auf ungeplante Situationen zu reagieren. Die Studierenden wissen diese konstruktive Grundhaltung zu schätzen. Spontan, positiv und humorvoll auf Neues zu reagieren, kann in passenden Seminaren und Fortbildungen geübt werden.
Authentizität und Flexibilität
Authentizität bedeutet, echt und unverfälscht zu sein, sowohl in Bezug auf sich selbst, als auch in der Interaktion mit anderen. Authentizität den Studierenden gegenüber fördert Vertrauen, Integrität und Verbundenheit und trägt so zu einem positiven Lernergebnis bei, da gleichzeitig das Engagement der Studierenden gefördert wird. Authentischer Humor ist ehrlich, respektvoll und verbindend. Entscheidend ist, den eigenen individuellen Weg zu finden. Eine flexible Haltung ist zudem wichtig, denn was in diesem Semester noch Aufmerksamkeit erregen konnte, versandet unter Umständen im Publikum des nächsten Semesters.
"Der Einsatz humoristischer Elemente sollte immer mit dem Selbstverständnis als Lehrkraft übereinstimmen."
Man sollte sich zudem nicht beim ersten Versuch entmutigen lassen, falls der Humor nicht sofort gut ankommt. Der Einstieg in neue (Humor-) Methoden oder Techniken kann herausfordernd sein und erfordert oft Geduld und Übung. Der Einsatz humoristischer Elemente sollte immer mit dem Selbstverständnis als Lehrkraft übereinstimmen. Durch das Experimentieren mit verschiedenen Ansätzen kann man herausfinden, was am besten funktioniert. Vermeiden sollte man humorvolle Bemerkungen, die vom Thema ablenken oder die Konzentration der Studierenden stören könnten, das heißt, ernsthafte Themen sollten auch ernsthaft behandelt werden. Durch die bewusste Unterscheidung zwischen Ernst und Spaß kann eine Lernumgebung geschaffen werden, die sowohl produktiv als auch angenehm ist.
Humor ist (wie etwa auch Kunst oder Mode) immer kultur- und sprachabhängig. Wer schon einmal versucht hat, einen Witz in einer Fremdsprache pointiert zu erzählen, der weiß, wie häufig Kleinigkeiten den Unterschied zwischen lustig und peinlich ausmachen. Man sollte also alles Verletzende oder Persönliche vermeiden! Themen wie Religion, Geschlecht und Hautfarbe sind ebenfalls für Humor an der Universität wenig geeignet. Zerschlagenes Porzellan ist nur schwer zu kitten, daher sollte darauf geachtet werden, dass Humor inklusiv und respektvoll ist. Man traue sich also und fange langsam damit an.
Literaturtipps & Links
- Banas, J. A., Dunbar, N., Rodriguez, D., & Liu, S. J. (2011). A review of humor in Educational settings: Four decades of research. Communication Education, 60(1), 115-144
- Berk, L. S. et al. (1989). Neuroendocrine and stress hormone changes during mirthful laughter. The American Journal of the Medical Sciences 298.6, 390-396
- Cozolino, L. (2013). The Social Neuroscience of Education: Optimizing Attachment and Learning in the Classroom. Norton Books in Education
- Veit, P. (2007). Humor im Klassenzimmer: Soziale Kompetenzen stärken – Ermutigen – Motivieren. Vandenhoeck & Ruprecht
- www.einfachlehren.tu-darmstadt.de/themensammlung/details_10880.de.jsp
- www.lachverband.org/assets/pdf/Lachyoga/all_research_studies_kataria.pdf
- www.zeit.de/2012/44/Wissensvermittlung-Humor-Professor-Michael-Suda