Das Foto zeigt einen Mann an einem Fenster, der auf ein Smartphone schaut.
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Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten
Gut für die Forschung, schlecht für die Beziehung

Immer mehr Beschäftigte in Industrie, Verwaltung und Wissenschaft sind auch in der Freizeit erreichbar. Das bleibt nicht ohne Folgen.

29.11.2018

Wer in der Freizeit arbeitet, ist sehr oft weniger zufrieden mit seiner Work-Life Balance. Diese leidet vor allem, wenn Beschäftigte den Druck verspüren, erreichbar sein zu müssen. Doch selbst in den Fällen, in denen sie die Arbeit in ihrer Freizeit als "freiwillig" und als nicht problematisch empfinden, kann sie zur Belastung für die ganze Familie werden. Denn auch beim Partner oder der Partnerin steigt die Unzufriedenheit. Das ist das Ergebnis einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Analyse beruht auf Daten aus "Pairfam", einer jährlichen Umfrage zu den Themen Partnerschaft und Familie. Ausgewertet wurden die Angaben von 790 Paaren, bei denen jeweils beide Partner im Jahr 2016 berufstätig waren.

Viele der Befragten sind laut Studie regelmäßig in ihrer Freizeit erreichbar und beantworten Mails oder Anrufe. Dabei treffe es oft diejenigen, die in der Hierarchie entweder weit oben oder ganz unten stehen. Der Analyse zufolge sind etwa 36 Prozent der leitenden Angestellten unter den beobachteten Paaren mit arbeitsbezogenen Nachrichten in der Freizeit befasst. Unter den einfachen Mitarbeitern seien es sogar 38 Prozent. Nicht immer geschehe das aus freien Stücken. Sowohl unter den leitenden Angestellten als auch unter den einfachen Arbeitern geben rund 18 Prozent der Befragten an, dass sie nach Feierabend verfügbar sein müssten oder sich zumindest dazu verpflichtet fühlten.

Die Belastung wird unterschiedlich empfunden

Laut der Studienautorin, Yvonne Lott, dürfe man dabei nicht übersehen: Wie belastend Arbeit außerhalb der regulären Arbeitszeit empfunden wird, kann sehr unterschiedlich sein. In der Regel seien es die Manager, die Arbeitsaufträge erteilten und Aufgaben delegierten. Umgekehrt seien die Mitarbeiter gewöhnlich diejenigen, die Aufträge empfingen. Ein Gefühl fehlender Autonomie und Kontrolle könne bei ihnen die Unzufriedenheit mit der Work-Life-Balance verstärken, besonders wenn sie damit am Feierabend konfrontiert seien. Ein Grund für die geringere Zufriedenheit sei, dass es den Befragten oft schwerer falle, von der Arbeit abzuschalten oder sich Zeit für Freizeitaktivitäten zu nehmen.

Diejenigen, die in der Freizeit arbeiteten, sind laut Lott vor allem dann unzufrieden, wenn sie das Gefühl haben, sie müssten erreichbar sein. Auf einer Skala, bei der null für minimale und zehn für maximale Zufriedenheit mit der Vereinbarkeit von Job und Privatleben steht, erreichten Beschäftigte mit Firmenkontakt in der Freizeit lediglich einen mittleren Wert von rund fünf wenn sie glaubten, zur Erreichbarkeit verpflichtet zu sein.

Bei denen, die in der Freizeit grundsätzlich keinen Kontakt mit dem Unternehmen haben, liege der Mittelwert dagegen bei 6,25. "Mehr als ein Punkt auf der Skala, das ist ein großer Unterschied durch einen einzelnen Faktor. Denn generell ordnen sich die meisten Probanden bei Befragungen zur Zufriedenheit sehr stabil ein Stück oberhalb der Mitte ein. Das Gefühl, nie ganz abschalten zu dürfen, stellt also eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität dar", erklärt Forscherin Lott.

Der Grund der Arbeit in der Freizeit spielt keine Rolle für den Partner

Beschäftigte, die nach Feierabend das Smartphone auf berufliche Nachrichten checken, aber das nach eigenem Empfinden nicht tun müssten, liegen der Studie zufolge in ihrer mittleren Zufriedenheit mit 6,11 näher an der Gruppe ohne Kontakt zur Arbeit, sind also vergleichsweise wenig gestresst. Dieses Verhalten wird in der Gesundheitsforschung auch als „interessierte Selbstgefährdung“ bezeichnet, schreibt Lott. Die Betroffenen hätten vor allem ihren beruflichen Erfolg im Blick, merken dabei aber nicht oder ignorieren, dass ihr Arbeitsverhalten belastend für die Gesundheit sein kann.

Für den Partner oder die Partnerin sei es hingegen völlig egal, warum die oder der andere Mails beantworte und Anrufe entgegen nehme. Die Tatsache, dass er oder sie in der Freizeit arbeite, senke bei Partnerin oder Partner die Zufriedenheit mit der eigenen Work-Life-Balance, wie die Analyse zeigt. Die Verschlechterung liege bei fast einem halben Punkt auf der Untersuchungs-Skala. Auch das sei ein statistisch signifikanter Effekt, betont die WSI-Forscherin – und ein deutliches Indiz dafür, dass mobile Arbeit in der Freizeit die Partnerschaft belasten könne.

gri