Gemischtes Publikum lacht und applaudiert
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Ig-Nobelpreise
"Humor ist ein wundervoller Türöffner"

Jährlich verleiht die Harvard-Uni die Ig-Nobelpreise für kuriose Forschung. Eine Preisträgerin über ihren Blumentopf und die zehn Billionen Dollar.

Von Claudia Krapp 10.09.2019

Forschung & Lehre: Frau Oberzaucher, Sie wurden für Ihre Forschung mit dem Ig-Nobelpreis 2015 ausgezeichnet. Dabei ging es um die mögliche Zahl der Nachkommen von Ismail dem Blutrünstigen. War Ihnen bei der Auswahl des Themas bewusst, dass es auf andere kurios wirken könnte?

Elisabeth Oberzaucher: Nein, ganz und gar nicht. Das trifft eigentlich auf alle Arbeiten zu, die einen Ig-Nobelpreis gewinnen. Innerhalb der eigenen Wissenschaftsdisziplin sind das durchaus ganz ernsthafte Arbeiten. Leute außerhalb dieser Disziplin nehmen die Arbeiten aber oft als seltsam und schräg wahr. Wenn ein Forschender umgekehrt etwas selbst komisch findet, dann mutet das in der Regel von außen gar nicht so komisch an.

F&L: Sie sind Verhaltens- und Evolutionsbiologin, haben den Preis aber in der Kategorie Mathematik bekommen. Wie kommt das?

Elisabeth Oberzaucher: Wir haben uns einem verhaltensbiologischen Thema mit mathematischen Methoden genähert. Das mathematische Modell stand im Zentrum unserer Arbeit.

Ig-Nobelpreise 2019

Die diesjährigen Ig-Nobelpreise werden am 12. September an der Universität Harvard verliehen. Im Oktober folgt die Bekanntgabe der Nobelpreisträger. Diese werden zwischen dem 7. und 14. Oktober verkündet.

Dr. Elisabeth Oberzaucher mit ihrem "Blumenkübel", dem Ig-Nobelpreis 2015
Dr. Elisabeth Oberzaucher ist Dozentin an der Universität Wien. Die Verhaltensbiologin hatte nachgerechnet, dass ein legendärer marokkanischer Sultan tatsächlich 888 Nachkommen gezeugt haben könnte. Dafür erhielt sie den Ig-Nobelpreis 2015. BENVENISTE PHOTO

F&L: Wie läuft die Nominierung für den Preis ab? Wer findet das Skurrile in der Forschung?

Elisabeth Oberzaucher: In jedem Jahr treffen beim Komitee, das mehrfach über die Gewinner berät, etwa 8.000 Nominierungen ein. Diese werden dann relativ schnell auf eine geringere Zahl reduziert. Das Komitee hat schon ein sehr gutes Gefühl dafür, was funktioniert. Etwa zehn Prozent der Einreichungen sind Selbst-Nominierungen, aber über die 28 Jahre, die der Preis nun besteht, haben nur sehr wenige Selbstnominierungen gewonnen. Also in der Regel gewinnen von Anderen nominierte Personen, die ihre Forschung selbst nicht lustig finden.

F&L: "Ignobel" bedeutet so viel wie "schmachvoll". Haben sie den Preis als Schmach oder Affront gegen Ihre Wissenschaftlerehre empfunden?

Elisabeth Oberzaucher: Ganz und gar nicht. Dieses Wortspielt trifft es eigentlich nicht ganz. Durch diesen Preis entdeckt man, dass man mit Humor auch ein Verständnis für Wissenschaft wecken kann. Das ist ein wundervoller Türöffner bei Menschen, die nicht so wissenschafts-affin sind. Wenn Menschen über etwas lachen können, sind sie auch bereit sich intensiver damit auseinander zu setzen und freunden sich unter Umständen mit der Wissenschaft an. Daher ist der Ig-Nobelpreis eine ganz fantastische Geschichte, um Wissenschaft einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Deswegen habe ich den Preis als große Ehre und Freude wahrgenommen und nicht als etwas Negatives – so wie eigentlich alle, die den Preis gewonnen haben. Auch alle meine Kollegen haben gesagt, "Oh, ich möchte auch einen!", als ich den Preis bekommen habe.

F&L: Ihre Trophäe ist eine Art Pflanzenkübel. Wonach wird das Aussehen des Ig-Nobelpreises ausgewählt?

Elisabeth Oberzaucher: Der Preis sieht jedes Jahr anders aus. Bei der Trophäe wird großen Wert darauf gelegt, sie aus möglichst billigen Materialien herzustellen. Meistens hat die Trophäe einen Bezug zum Oberthema der Preisverleihung des jeweiligen Jahres. In meinem Fall war das Thema "Leben", daher habe ich eine symbolische Topfpflanze bekommen. Die "Blätter" dieser Pflanze bestanden aus den häufigsten Elementen des biologischen Lebens. Zusätzlich gibt es eine Urkunde, die von fünf bis sechs wechselnden echten Nobelpreisträgern verschiedener Fächer unterzeichnet wird, die den Preis dann auch vor Ort überreichen. Das Preisgeld beträgt zehn Billionen Dollar – allerdings Simbabwe-Dollar, der ja auch mal einen Ig-Nobelpreis gewonnen hat, wegen seiner hohen Inflation. Die zehn Billionen Dollar entsprachen zu der Zeit etwa 2,50 Euro, sind aber ein Geldschein.

F&L: Sie sagten, der Preis sei ein Türöffner für den Dialog mit der Öffentlichkeit. Welche humoristischen Mittel und Wege sehen Sie darüber hinaus, um Wissenschaft in die Öffentlichkeit zu tragen?

Elisabeth Oberzaucher: Da gibt es natürlich viele Wege. Eine schöne Sache sind beispielsweise die Kinder-Unis, wo junge Menschen spielerisch und mit lustigen Experimenten an das wissenschaftliche Denken und Arbeiten herangeführt werden. Aber mit Humor kann man auch sehr gut Erwachsene erreichen. Die Kabarettgruppe "Science Busters", der ich seit 2015 angehöre, bedient zum Beispiel genau dieses Konzept, mit Humor über Wissenschaft zu sprechen. Wir sind sieben Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich, die gemeinsam mit einem Kabarettisten auftreten. Der Kabarettist sorgt dafür, dass das Programm nicht zu ernst, zu trocken oder gar langweilig wird. Das Feedback des Publikums zeigt uns, dass Wissenschaft nicht nur was für den Elfenbeinturm ist, sondern auch spannend sein kann.

F&L: Die Kabarettgruppe "Science Busters" besteht mittlerweile seit 12 Jahren und hat auch den Österreichischen Kabarettpreis gewonnen. Sie kamen im Nachgang des Ig-Nobelpreises auf Anfrage des Kabarettisten zu der Gruppe hinzu. Wieviel von ihrem Forschungsfeld steckt in dem Programm?

Elisabeth Oberzaucher: Wir kommen aus unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Disziplinen, wir haben beispielsweise einen Molekularbiologen, einen Mikrobiologen, mich als Verhaltensbiologin und einen Astronomen. Wir bringen in das Programm schon unsere eigenen Themen ein, in denen wir uns wirklich gut auskennen. Wie treten also schon in unserer eigenen Expertise auf. In jedem dieser Felder gibt es Dinge, die publikumswirksam sind und die wir entsprechend spannend und lustig verpacken können. Damit touren wir durch den gesamten deutschsprachigen Raum, auch mit grenzüberschreitenden Witzen. Beim Humor gibt es starke lokale Unterschiede. In einzelnen Regionen gibt es nicht mehr oder weniger, aber anderen Humor. Beispielsweise gibt es einen Unterschied zwischen Stadt und Land: in der Stadt scheinen Wortwitze besser zu zünden, während auf dem Land die deftigeren Witze besonders gut ankommen. Zudem unterscheidet sich Humor auch speziell bei Referenzen zur tagesaktuellen Politik, die in Österreich anders sein kann als in Deutschland. Aber das kann man im Programm einplanen und das funktioniert auch gut.

F&L: Sie haben viel über die positive Außenwirkung von Humor gesprochen. Wie ist das denn mit der Innenwirkung? Ist Humor in der Wissenschaft hilfreich?

Elisabeth Oberzaucher: Humor ist für jeden Menschen wichtig, um mit den Herausforderungen des Alltags umzugehen. Wissenschaft ist ein schwieriges Business, weil es natürlich viele Rückschläge gibt, und weil die Erfolgserlebnisse oft zeitlich sehr weit auseinander liegen. Wenn ein Wissenschaftler seinen Humor verliert oder anfängt sich selbst und seine Wissenschaft zu ernst zu nehmen, dann verliert er auch die Kritikfähigkeit. Gerade in der Wissenschaft ist die aber wichtig, um offen gegenüber Veränderungen und eigenen Irrtümern zu sein. Humor hilft, den Blick nach vorne offen zu behalten und sich nicht zu sehr in den eigenen Wegen zu verfahren.

korrigiert am 16.09.2019 um 08:45 Uhr: Das Preisgeld beträgt zehn Billionen Simbabwe-Dollar. Die Währung ist heute nicht mehr gültig.