Wissenschaftler macht sich Notizen
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Berufliche Weiterentwicklung
Lohnt sich der Titel "Apl. Prof."?

Die außerplanmäßige Professur lockt als Karriere-Sprungbrett. Ein Justiziar des DHV erklärt, was hinter dem Titel steckt und wann er sich lohnt.

Von Hubert Detmer 17.02.2020

Bis zur Jahrtausendwende waren die Meilensteine des klassischen Wegs hin zu einer Universitätsprofessur in den meisten Fächern scheinbar unverrückbar. Nach der Promotion strebte man eine Habilitation an. Verlief das zugrundeliegende Verfahren positiv, erhielt man als prüfungsrechtliches Testat die Lehrbefähigung (facultas docendi) und – häufig erst auf eigenen Antrag – auch die Lehrbefugnis (venia legendi).

Ereilte einen nun in den nächsten Jahren trotz aller Anstrengungen um Konkurrenzfähigkeit kein Ruf, konnte man darauf hoffen, nach einer erfolgreichen mehrjährigen "Erprobungszeit" in Forschung und Lehre zumindest eine akademische Bezeichnung verliehen zu bekommen: Die eines "außerplanmäßigen Professors". Diese Bezeichnung ist bis heute – je nach Branche – auch außerhalb der Universität reputationsförderlich und gegebenenfalls auch wirtschaftlich interessant. Ob sie allerdings tatsächlich ein "Karrieresprungbrett" oder doch eher ein "Trostpreis" ist, lässt sich nur mit Blick auf den Einzelfall beantworten.

Außerplanmäßige Professur: Auch ohne Habilitation

Nach diversen Hochschulrechtsreformen ist die beziehungsweise der "apl. Prof." (so die landläufige Abkürzung für die Professur und den Professor gleichermaßen) heute in vielen Ländern von der Habilitation entkoppelt. Dies bedeutet, dass nicht nur Habilitierte beziehungsweise Privatdozenten in den Genuss der akademischen Bezeichnung kommen können, sondern auch der auf anderen Wegen qualifizierte wissenschaftliche Nachwuchs. Allgemeingültig ist jedoch für "außerplanmäßige Professoren", dass sie sich in der selbständigen Lehre "erprobt" haben müssen – entweder nach der Erlangung der Lehrbefugnis durch "kostenlose Titellehre" (klassisch) – oder aber durch eine zumindest regelmäßig mehrjährige erfolgreiche Lehrtätigkeit im Amt (beispielsweise auch als Juniorprofessor).

Paradebeispiele für ein traditionelles Bild sind die Regelungen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern – wonach die genannte Bezeichnung nur Privatdozenten offen steht. Demgegenüber sehen Hessen, Hamburg, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland, der Freistaat Sachsen und Sachsen-Anhalt eine mehr oder minder starke Loslösung der "außerplanmäßigen Professur" von der Habilitation vor.

Eine Spezialität ist dabei, dass auch Juniorprofessorinnen und -professoren, die in Ermangelung eines Tenure Tracks nach sechs beziehungsweise sieben Jahren aus ihrem Dienstverhältnis ausscheiden, die akademische Bezeichnung "außerplanmäßiger Professor" erhalten können, solange sie an der jeweiligen Universität in der Lehre aktiv bleiben. Dies ist beispielsweise in Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz geregelt. Damit hat sich die "apl. Prof." von der Habilitation als Hochschulprüfung abgekoppelt und dient auch als "Problemlöser" in den aktuellen Personalstrukturen, die bekanntlich viele befristete Positionen, aber (zu) wenig Expektanzen auf unbefristete Stellen vorsehen.

Kostenlose Titellehre ist Pflicht

Von erheblicher Bedeutung kann die "außerplanmäßige Professur" auch für die persönlichen Aussichten des Wissenschaftlers auf dem außeruniversitären Arbeitsmarkt sein. Dies wissen nicht nur Chefärzte (in spe). Allerdings erwarten Universitäten eine "Gegenleistung" für die Bezeichnung.

Dabei handelt es sich um einen spannenden Aspekt, weil auch im heutigen System viele Privatdozenten, die später "apl. Prof." werden, zum einen nicht (mehr) hauptberuflich an ihrer Universität tätig sind und zum anderen die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits seit 1994 festhält, dass zwecks Beibehaltung der Bezeichnung "außerplanmäßiger Professor" maximal eine Semesterwochenstunde (SWS) "kostenloser Titellehre" geboten ist. Wird diese Stunde selbständiger Lehre nicht erbracht, droht der Verlust der jeweiligen Bezeichnung (außerplanmäßiger Professor).

Einem außeruniversitären Arbeitgeber, einem Klienten oder Patienten gegenüber ist dies zumindest erklärungsbedürftig. Spiegelbildlich gehört es mithin zu den Konsequenzen eines wissenschaftlichen Lebens, die Titellehrverpflichtung bis weit ins siebte Lebensjahrzehnt zu erfüllen, um nicht von der Heimatuniversität mit dem Verlust der Lehrbefugnis, der Privatdozentur oder schließlich der "außerplanmäßigen Professur" bestraft zu werden.

Dass viele Universitäten dabei auf die "kostenlose Titellehre" ihrer außerplanmäßigen Professoren angewiesen sind, zeigt eine vermeintliche Nachlässigkeit vieler Landeshochschulgesetzgeber: Nur das Saarland hat bislang erklärt, von Privatdozenten und auch "außerplanmäßigen Professoren" nur diese eine Semesterwochenstunde "Titellehre" verlangen zu dürfen.

Die Mehrheit der Bundesländer (Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Berlin) beantwortet diese Frage nicht beziehungsweise verlagert die Antwort auf diese Fragestellung auf das universitäre Satzungsrecht. Erstaunlich ist der Befund, dass in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg auch 2020 noch explizit im Gesetz festgeschrieben ist, dass die "Titellehre" nicht eine, sondern zwei Semesterwochenstunden betragen soll.

In gleichem Maße uneinheitlich stellt sich für den Adressatenkreis der Umstand dar, dass die Dauer der "Titellehre", bevor überhaupt an eine Verleihung der Bezeichnung "außerplanmäßiger Professor" gedacht werden darf, von den Bundesländern unterschiedlich geregelt ist.

Während einige Länder sich jeglicher Aussagen enthalten (Hamburg, Hessen und Sachsen-Anhalt), sehen andere unbestimmt eine "mehrjährige erfolgreiche Lehrtätigkeit" vor (Niedersachsen) oder aber eine lediglich zweijährige Lehrtätigkeit (Baden-Württemberg). In Bundesländern, die mit dieser Frage konservativer umgehen, gibt es das Regelerfordernis einer mindestens vierjährigen erfolgreichen Lehrtätigkeit (Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein), während in nahezu allen übrigen Ländern in der Regel sogar eine fünfjährige Bewährung in Forschung und Lehre verlangt wird. Am anspruchsvollsten sind die Verhältnisse im Freistaat Bayern, wo im Regelfall tatsächlich eine sechsjährige Tätigkeit "als Hochschullehrer" erforderlich ist.

Gelockerte Regeln zum Tragen des "Professoren"-Titels

Speziell für außeruniversitäre Karrieren ist es darüber hinaus von Bedeutung, wie sich der "apl." im Arbeitsalltag nennen darf. War noch vor wenigen Jahren in den meisten Bundesländern penibel darauf Wert zu legen, sich nur unter Nennung des Zusatzes "apl." Professor nennen zu dürfen, weichen auch diesbezüglich die harten Grenzen allmählich auf. Das Bild ist inzwischen ein zweigeteiltes. In Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein können sich auch "außerplanmäßige Professoren" inzwischen nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen ohne Zusatz "Professorin" oder "Professor" nennen, während in den anderen Ländern der Zusatz ("apl.") noch für erforderlich gehalten wird.

Praktisch relevant ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Lehrbefugnis erlischt beziehungsweise widerrufen werden kann. Grundsätzlich geht es darum, inwieweit bei Unterlassen der "Titellehre" der Entzug des "apl. Prof." droht. Heutzutage überlassen die Landesgesetzgeber eine entsprechende Festlegung in aller Regel dem Satzungsrecht.

Allerdings gibt es auch Länder, die gesetzlich regeln, dass es sich um eine nicht entschuldigte Unterlassung der "Titellehre" vor Erreichen eines bestimmten Lebensalters handeln muss. So stellt beispielsweise der Freistaat Bayern auf eine Obliegenheit zur "Titellehre" bis zur Vollendung des 62sten Lebensjahres ab, während in Bremen vom Erreichen des 65sten Lebensjahres die Rede ist.

Darüber hinaus ist bedeutsam, wie lange man unentschuldigt keine Titellehre angeboten hat. Auch hier gibt es ein vergleichbares Bild: Zum einen gibt es Festlegungen im Satzungsrecht, zum anderen im Gesetz. Beispiele hierfür sind: Sachsen-Anhalt ("zwei Jahre"), Hessen und Berlin ("zwei aufeinanderfolgende Semester"). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Obliegenheit zur Titellehre grundsätzlich an der (Hei­mat-)Hochschule besteht, an der die Einstellungsvoraussetzung als Hochschullehrer erlangt beziehungsweise an der  die Lehrbefugnis verliehen worden ist.

"Die "apl. Prof." ist nach wie vor gerade für Wissenschaftler, die beruflich im außeruniversitären Umfeld tätig sind, ein echter Karrierefaktor."

In Zeiten beruflicher Mobilität erklärt sich daher auch, weshalb nicht wenigen Privatdozenten und "außerplanmäßigen Professoren" daran gelegen ist, die Obliegenheit zur "Titellehre" in geographische Nähe zum beruflichen Lebensmittelpunkt zu bringen. Ein erster Schritt hin zur Erreichung dieses Ziels ist die sogenannte Umhabilitation, auf die man freilich in aller Regel keinen Rechtsanspruch haben wird. Wichtig ist es darüber hinaus, im Falle einer Umhabilitation an der "neuen" Universität gleichzeitig die Voraussetzungen für die Erlangung der "apl. Prof." zu klären.

Nach alledem ist festzuhalten, dass die "apl. Prof." nach wie vor gerade für Wissenschaftler, die beruflich im außeruniversitären Umfeld tätig sind, ein echter Karrierefaktor ist. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Obliegenheit zur "kostenlosen Titellehre" eine echte Gegenleistung darstellt. Große geographische Entfernungen zwischen dem Ort der "Titellehre" und dem beruflichen Lebensmittelpunkt können etwa durch eine Umhabilitation abgefedert werden. Gerade für ältere Wissenschaftler, die ihren beruflichen Mittelpunkt an der Universität gefunden haben, ohne auf eine Universitätsprofessur berufen worden zu sein, kann die "außerplanmäßige Professur" im Einzelfall auch ein Trostpreis sein. Attraktiv ist dieser Preis aber allemal. Der mit dem Titelführungsrecht verbundenen Reputationsvorteil ist nicht zu unterschätzen.