Man sitzt auf dem Bodem im Büro, den Kopf an eine Wand gelehnt
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Führungskultur
Macht als Last

Eine einflussreiche Position im Beruf bringt viele Vorzüge. Doch das Bewusstsein für die eigene Verantwortung bringt auch eine Menge Stress.

28.03.2018

Wenn sich Menschen in Machtpositionen ihrer Verantwortung bewusst sind, erleben sie mehr Stress als Führungskräfte, die eher die Freiräume und die Vorteile ihrer Position erkennen. Das zeigt eine aktuelle Studienreihe des Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) in Tübingen. Wenn mächtige Menschen über ihre Verantwortung nachdenken, handeln sie zwar rücksichtsvoller, gleichzeitig erhöht sich aber ihr körperlicher Stresslevel.

In der Studie wurden Führungskräfte gebeten, eine Rede über ein persönliches Erlebnis zu halten, in dem sie Macht und Einfluss hatten. Ein Teil der Gruppe wurde gebeten, über die erlebten Freiräume zu sprechen, der andere Teil sollte über ihre Verantwortung in der Situation reden. Dabei wurde die körperliche Stressreaktion gemessen. Es zeigte sich, dass die Personen in Machtpositionen, die über ihre Verantwortung sprachen, deutlich mehr Stress empfanden als diejenigen, die sich auf ihre Freiräume konzentrierten. Diese Effekte zeigten sich aber nur bei Personen in Machtpositionen. Ein Vergleich mit weniger mächtigen Personen in einer Vergleichsgruppe zeigte keine Unterschiede im Stresspegel.

Studie wirft neues Licht auf den Typ "Führungsperson"

"Verantwortung als Teil einer Machtposition scheint gewissermaßen als Last erlebt zu werden",  so Dr. Annika Scholl, Leiterin der Studie. "Möglicherweise deshalb, weil man hier stärker die zahlreichen Anforderungen einer Machtrolle erkennt, die es zu erfüllen gilt. Offen bleibt für uns die Frage, wie mächtige Personen damit umgehen können."

Scholls Ergebnisse werfen ein anderes Licht auf Studien, die sich damit beschäftigt haben, wie Macht den Menschen verändert. So will der Sozialpsychologe Dacher Keltner von der University of Berkeley in seinem jüngst auf Deutsch erschienenen Band "Das Machtparadox" aufzeigen, wie schnell positive Eigenschaften bei Menschen in Machtpositionen verschwinden können.

Persönlichkeitsmerkmale, die man auf dem Weg zum Erfolg im Beruf braucht wie Einfühlungsvermögen, Rücksichtnahme und Toleranz seien kaum noch sichtbar. Studien an der McMaster University in Ontario/Kanada und Studienergebnisse des Wirtschaftspsychologen Adam Galinsky scheinen diese Theorie zu bestätigen. "Mächtige verhalten sich nach Erreichen der Machtposition oft so, als hätten sie ein Gehirntrauma erlitten", so Keltner.

inv