Illiustration: Mann und Frau arbeiten zusammen, um einen Graben zu überwinden
mauritius images / Ikon Images / Gary Waters

Dual Career
"Man kann diesen Weg nicht planen"

Wie können zwei Partner in der Wissenschaft gemeinsam Karriere machen? Welche Herausforderungen warten auf sie? Erfahrungen von zwei Paaren.

Von Friederike Invernizzi 06.04.2022

Forschung & Lehre: Sie haben als Ehepaare jeweils das fast Unmögliche geschafft: Ihr Partner beziehungsweise Ihre Partnerin hat eine Professur am selben Ort. Wie kam es dazu?

Shanley Allen: Wenn man als Paar bereit ist, flexibel zu sein und Durchhaltevermögen aufzubringen, ist Dual Career in der Wissenschaft nach meiner Erfahrung nicht unmöglich. Es vergingen bei uns 15 Jahre, bis James und ich jeweils eine Professur an einem Ort bekommen haben. Nicht zu vergessen: Wir haben viel Glück gehabt!

James Anglin: Wir können nun rückblickend sagen, dass sich unsere Mühe gelohnt hat. Es war sehr viel Ausdauer nötig, denn es hat sehr lange gedauert, bis wir das hatten, was wir wollten.

Mandy Schiefner-Rohs: Zunächst ist es meiner Ansicht nach nichts Ungewöhnliches, dass man in der Wissenschaft gemeinsam Karriere macht. Wir kennen alle genug Beispiele, wo das passiert und funktioniert. Aber, dass man gemeinsam an einem Ort in der Wissenschaft tätig ist, das ist sicherlich etwas Ungewöhnliches. Aus meiner Sicht kann man diesen Weg nicht planen, denn dafür braucht es bestimmte Rahmenbedingungen, die sehr selten gegeben sind.

Matthias Rohs: Es gehört, wie Shanley sagt, vor allem Glück dazu. Das ist ein Sechser im Lotto, wenn man die Möglichkeit bekommt, gemeinsam an einer Universität zu forschen und zu lehren. Flexibilität und Kompromissbereitschaft sind dabei wichtig, um sich an die jeweiligen fachlichen Spezialisierungen der Fachbereiche anzupassen.

F&L: Wie steinig war Ihr Weg, als Paar beruflich erfolgreich zu sein?

Shanley Allen: Wie steinig unser Weg war, zeigt unsere Geschichte: Wir haben uns in Kanada kennengelernt, in der Abschlussphase unserer Promotion. James hatte eine Postdoc-Stelle in Los Alamos in New Mexico und ich eine in den Niederlanden. Wir entschieden damals, dass keiner von uns seine Stelle für eine so junge Beziehung aufgeben sollte. Durch die flexible Ausgestaltung der Stellen bei guter Bezahlung haben wir es trotz der großen Entfernung geschafft, uns regelmäßig zu sehen. Innerhalb kurzer Zeit waren wir verheiratet. Nach zwei Jahren hat James seine Postdoc-Stelle in Österreich bekommen, dann habe ich ein Jahr später einen Ruf auf eine Professur an der Boston University angenommen. Daraufhin bekam James eine Postdoc-Stelle an der Harvard University, später am MIT, beide auch in Boston. Wir waren dort gemeinsam sieben Jahre und haben immer wieder versucht, für James eine Professur an der Boston University im Rahmen von Dual Career Verhandlungen zu bekommen. Es hat nicht geklappt. Dann erreichte James ein Ruf auf eine Professur in Kaiserslautern, den er annahm. Wir mussten erstmal auf der Landkarte nachschauen, wo Kaiserslautern überhaupt ist. In den folgenden vier Jahren bin ich zwischen Boston und Kaiserslautern gependelt, wir bekamen in dieser Zeit eine Tochter, die bei ihrem Vater in Deutschland blieb, und eine zweite Tochter, die bei mir in den USA lebte. Wir waren also über viele Jahre alleinerziehende Eltern. Ich hatte als Department Chair in Boston sehr viel zu tun und auch keine wie hier übliche Elternzeit. Ich habe schließlich über Verhandlungen durch Rufe, die ich aus Marburg und Hamburg erhalten habe, an der TU Kaiserslautern eine unbefristete Professur bekommen. Das waren acht harte Jahre, in denen wir getrennt waren und nicht zusammenleben konnten, davon vier Jahre mit kleinen Kindern.

F&L: Ehepaar Schiefner-Rohs, wie war das bei Ihnen?

Mandy Schiefner-Rohs: Wir haben tatsächlich nicht so lange gelitten wie Shanley und James. Uns ist die Dual Career Möglichkeit eher "in den Schoß gefallen". Wir hatten vorher schon zusammen an einer Universität gearbeitet. Das hatte gut funktioniert. Wir haben uns dann hier auf die gleiche Stelle beworben, schließlich hat uns die Universität Kaiserslautern die Möglichkeit angeboten, zusammen an die Universität zu kommen. Bei mir wurde das ermöglicht durch eine Frauenförder-Professur. Wir waren nicht davon ausgegangen, dass uns eine akademische Karriere an einem Ort gelingt. Wir hatten uns also schon damit abgefunden, dass wir, wenn wir in der Wissenschaft bleiben, an unterschiedlichen Orten arbeiten müssen.

Matthias Rohs: Ich war vor meiner Tätigkeit als Professor in der Wirtschaft tätig. Zunächst wollte ich die Möglichkeit, in der Wissenschaft zu arbeiten, für mich ausloten, denn für mich war es nicht von vornherein klar, dass ich in die Wissenschaft gehen möchte. Wir haben uns schließlich entschieden, uns gemeinsam auf diese Professur zu bewerben, weil uns klar war, dass eine wissenschaftliche Karriere für beide sehr wahrscheinlich eine örtliche Trennung bedeutet. Das war keine Option für uns, wenn der eine in Flensburg gelandet wäre und der andere in Stuttgart. Das wollten wir nicht und daher waren wir bereit, Kompromisse einzugehen. Bei uns hat also Glück eine große Rolle gespielt, aber auch die Bereitschaft der Universität Kaiserslautern, sich für eine Dual Career Gestaltung offen zu zeigen.

F&L: Wie sehr war Geld bei Ihnen ein Maßstab bei Ihren Entscheidungen gewesen?

Mandy Schiefner-Rohs: Bei uns war es kein wesentlicher Maßstab. Matthias beispielsweise hätte in der Wirtschaft mehr verdient.

Shanley Allen: Für uns spielt Geld insofern eine Rolle, als wir damit eine Tagesmutter bezahlen, die unsere Kinder betreut, wenn sie aus der Schule kommen oder bei den Nachmittagsaktivitäten. Und wir konnten uns damals die Flüge leisten, als wir getrennt gelebt haben.

F&L: Wie organisieren Sie sich privat, zum Beispiel was die leidige "Hausarbeit" betrifft? Kann man bei Ihnen von einem Aufbrechen tradierter Rollenmuster sprechen?

Mandy Schiefner-Rohs: Wir versuchen, die Hausarbeit gleich zu verteilen. Als unser Kind klein war, hatten wir zum Beispiel die Absprache, dass wir uns auch gemeinsam Zeit für die Familie nehmen. Abends haben wir weiter gearbeitet. Bei uns war immer klar, dass Hausarbeit und Kinderbetreuung eine gemeinschaftliche Aufgabe ist. Ich könnte gar nicht differenzieren, wer genau bei uns was macht, da wir beide eigentlich immer gleich an den Aufgaben beteiligt sind.

Shanley Allen: Wir waren, wie bereits erwähnt, über eine lange Zeit alleinerziehende Eltern über zwei Kontinente verteilt. Das Schöne ist, dass wir uns jetzt um alles gemeinsam kümmern können. Jeder hat seine Bereiche: Ich zum Beispiel mache die Finanzen, James kümmert sich um das Auto und um die Reparaturen im Haus. Den Haushalt organisieren wir zusammen.

James Anglin: Wir kaufen gerne zusammen auf dem Wochenmarkt ein! (lacht).

"Das Ganze kann nur funktionieren, wenn man sich die restliche Arbeit teilt." Matthias Rohs

F&L: Für mich entsteht der Eindruck, dass Sie alle als Paar den Gemeinsamkeitsgedanken, den Sie beruflich in der Wissenschaft verwirklicht haben, auch ins Private transportiert haben…

Matthias Rohs: Ja, denn es ist einfach nicht anders zu realisieren, wenn man gemeinsam in der Wissenschaft arbeiten will. Man ist starken Belastungen ausgesetzt und zudem hat jeder der Partner gewisse Vorstellungen, wie man sich in der Wissenschaft "verwirklicht". Das Ganze kann also nur funktionieren, wenn man sich die restliche Arbeit teilt. Es ist keine Option, dass der eine mehr macht als der andere. Natürlich hat man da seine Vorlieben im Haushalt und Dinge, die man nicht so gerne macht, aber grundsätzlich wird alles partnerschaftlich aufgeteilt.

F&L: Wie oft sprechen Sie miteinander über die wissenschaftlichen Fragestellungen, die Sie beschäftigen? Wie wichtig ist dieser Austausch?

James Anglin: Über die inhaltlichen Aspekte unserer jeweiligen Forschungsgebiete sprechen wir relativ wenig. Es findet Austausch eher über alltägliche Abläufe statt, zum Beispiel über Verwaltungsangelegenheiten. Außerdem reden wir über unsere Studierenden und unsere Kolleginnen und Kollegen. Zudem betreuen wir ein gemeinsames Projekt mit Studierenden aus Ruanda und bieten Seminare zum Thema "Wissenschaftliches Schreiben" an.

Mandy Schiefner-Rohs: Wir tauschen uns sehr viel aus. Das liegt vor allem daran, dass wir im gleichen Fachgebiet arbeiten, das wir aber untereinander so aufgeteilt haben, dass jeder sein klar abgegrenztes Gebiet hat. Wir reden außerdem viel über Allgemeines und Alltägliches an der Universität. Wir haben ein großes gemeinsames Netzwerk, das für unsere wissenschaftliche Arbeit sehr bereichernd ist.

Matthias Rohs: Was bei uns auf den ersten Blick als identische Disziplin erscheint, erweist sich bei näherem Hinsehen und im Detail als sehr vielfältig und auch unterschiedlich. Insofern haben wir das Glück, dass wir grundsätzlich Überschneidungen in unseren Fachgebieten haben, aber dass wir bezüglich der Fragestellungen und der Zielgruppen, mit denen wir uns beschäftigen, doch weit auseinander liegen und damit dann auch keine engeren Berührungspunkte haben. Wir haben noch nie einen Vortrag zusammen gehalten oder zusammen publiziert. Dennoch können wir uns sehr gut austauschen, geben uns gegenseitig Feedback und können uns so unterstützen.

F&L: Wie gehen die Kolleginnen und Kollegen an der Universität mit der Situation um?

Mandy Schiefner-Rohs: Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die wissen gar nicht, dass wir verheiratet sind. Von allen anderen ernten wir oft Erstaunen und Bewunderung, dass wir es geschafft haben, beide eine Professur zu bekommen und nicht einer von uns zurückstecken musste und beispielsweise irgendwo in der akademischen Verwaltung untergekommen ist.

Shanley Allen: Erstaunen ist in der Tat eine häufige Reaktion, die auch wir ernten, denn zwei Professoren als Paar an einer Universität, das ist selten.

F&L: Gibt es schon mal Konkurrenzgedanken untereinander?

Matthias Rohs: Man könnte das annehmen, in Bezug auf die Position als solche, aber auch bei der Zahl der Publikationen und der Drittmittel oder bei den Ämtern, die man wahrnimmt. Das war bei uns nie der Fall, eher im Gegenteil. Wir freuen uns am Erfolg des anderen. Das löst auch ein Gefühl des gemeinsamen Erfolgs aus.

James Anglin: Bei uns spielt es vor allem deshalb keine Rolle, weil unsere Gebiete so schwer zu vergleichen sind.

Shanley Allen: Man darf meiner Ansicht nach nicht vergessen, dass es mit der jeweiligen Persönlichkeit zu tun hat, ob man Konkurrenzgefühle entwickelt oder nicht.

"Ich glaube, kein Paar plant eine Dual Career Karriere mit dem Ziel, gleichzeitig und an einem Ort eine Professur zu bekommen." Mandy Schiefner-Rohs

F&L: Haben Sie denn Trennungen miterlebt bei Paaren, die an dem Ziel einer gemeinsamen Karriere in der Wissenschaft gescheitert sind? Was haben Sie besser gemacht?

Matthias Rohs: Ich empfinde es als eine große Ungerechtigkeit Paaren gegenüber, die gut in der Wissenschaft sind und sich viel Mühe geben, wenn sie trotzdem keine Dual Career Chance erhalten. Sie scheitern dann nicht aufgrund mangelnder Leistungen, sondern wegen der Bedingungen.

Mandy Schiefner-Rohs: Ich glaube, kein Paar plant eine Dual Career Karriere mit dem Ziel, gleichzeitig und an einem Ort eine Professur zu bekommen. Alleine eine Professur als solche zu bekommen ist ein sehr hohes Ziel und das schaffen die wenigsten.

Shanley Allen: Das Wichtigste ist meines Erachtens, dass man sich als Partner gegenseitig unterstützt. Ich kenne eine Ehe, die gescheitert ist, weil der Partner erwartet hat, dass seine Partnerin ihm zuliebe ihre Postdoc-Stelle aufgibt, um bei ihm in der Nähe zu sein. James hat mich immer unterstützt und niemals versucht, mich auf eine bestimmte Rolle als Frau zu reduzieren. Im Gegenzug habe ich immer darauf geschaut, wie ich ihm eine Partnerin sein kann. Wenn man nur an sich selbst denkt, dann wird es schwierig, gemeinsam in der Wissenschaft erfolgreich zu sein. Zudem ist es nach wie vor selten, dass Dual Career Paare in Deutschland so wie an der TU Kaiserslautern unterstützt werden.

Portraitfoto von Prof. Dr. Michael Fröhlich
Professor Michael Fröhlich ist Dekan im Fachbereich Sozialwissenschaften an der Technischen Universität Kaiserslautern. privat

F&L: Herr Professor Fröhlich, was kann man an der Hochschule noch tun, um Dual Career Paare besser zu unterstützen?

Michael Fröhlich: Zunächst sollte die Hochschulleitung in der Lage sein, in den Berufungsverhandlungen den beteiligten Partnern jeweils attraktive Stellen anbieten zu können. Es darf keiner der Partner das Gefühl haben, dass er das "Anhängsel" vom anderen ist. Generell muss zudem ein Verständnis für die besondere Situation der Dual Career Partner in den Fachbereichen entwickelt werden. Hier geht es um Ressourcenverteilung und langfristige strategische Ausrichtung von Fachgebieten. Mit allen beteiligten Partnern im Fachbereich muss gesprochen und niemand darf übergangen werden. Konkret bedeutet das, wenn einer der beiden Partner einen Ruf erhält, müssen im weiteren Verlauf alle Fachbereiche, die für eine Anstellung des "mitziehenden" Partners in Betracht kommen, rechtzeitig ins Boot geholt werden. Konkurrenzkämpfe müssen auf jeden Fall verhindert werden. Wenn ein beteiligter Fachbereich sich sträuben würde, mit dem Argument, dass man mit dem Dual Career Thema nichts anfangen kann, dann wäre das Commitment und das Miteinander vergiftet. Man muss also eine Philosophie des Miteinanders entwickeln.

F&L: Was wären dafür die wichtigsten Instrumente?

Michael Fröhlich: Ganz pragmatisch sollte man, wenn sich eine Dual Career Thematik anbahnt, die Dekane der beteiligten Fachbereiche ins Boot holen und dann gemeinsam über die Gestaltung sprechen. Ebenso sollte man dann im weiteren Verlauf die Fachbereiche selbst noch involvieren, um alle Beteiligten zu integrieren. So kann es gelebter Mehrwert für alle werden.