Prof. Dr. Emmanuelle Charpentier
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Gentechnik
Mikrobiologin erhält Berliner Forschungspreis

Emmanuelle Charpentier erhält eine weitere Auszeichnung für ihre Gen-Schere "Crispr-Cas9". Deren Anwendung am Menschen scheint aktuell problematisch.

07.11.2018

Der mit 40.000 Euro dotierte Berliner Wissenschaftspreis geht in diesem Jahr an Emmanuelle Charpentier, Mit-Entdeckerin der gefeierten Genschere Crispr. Die 49-jährige Mikrobiologin und Professorin aus Frankreich ist Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. Sie erhält die Auszeichnung für ihre innovative Forschung in der Genregulation, wie die Senatskanzlei am Mittwoch mitteilte.

Die Entdeckung der Schere, mit der sich Gene verändern und reparieren lassen, gilt als Jahrhundertcoup. Seitdem wurde Charpentier mit Auszeichnungen, Ehrendoktorwürden und Akademie-Mitgliedschaften überhäuft. Sie wird jedes Jahr als heiße Kandidatin für einen Nobelpreis gehandelt.

Der Berliner Wissenschaftspreis würdigt in Berlin entstandene Leistungen in Wissenschaft und Forschung. Das Preisgeld kommt nicht den Forschern persönlich zugute, sondern ihrer Institution – in diesem Jahr dem Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie.

"Crispr": Anwendungsmöglichkeiten werden weltweit erforscht

Charpentier habe ein neues Kapitel in der Medizinforschung aufgeschlagen, lobte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Sie bereite die Grundlage für zahlreiche weitere Innovationen. "Mit dem Wissenschaftspreis möchten wir auch ausdrücklich ihre Verdienste um den Wissenschaftsstandort Berlin und die lebenswissenschaftliche Forschung in unserer Stadt würdigen."

Mit Charpentiers Werkzeug für Gene lässt sich Erbmaterial auf vielen Arten verändern. Das bietet neue Chancen von Pflanzen bis hin zur Humanmedizin – aber auch Risiken. Vieles von dem, was an Therapien für Krankheiten möglich sein könnte, ist in der Medizin noch Zukunftsmusik. An Machbarkeit und möglichen Folgen wird weltweit intensiv geforscht.

Berliner Forscher kamen zuletzt zu dem Ergebnis, dass der menschliche Körper die Gen-Schere womöglich nicht akzeptiere und mit seinem Immunsystem bekämpfe, berichtete der "Tagesspiegel". Ähnliche Ergebnisse hatten demnach bereits Biomediziner der Stanford Universität erzielt. Wissenschaftler verschiedener Institute seien nun damit beschäftigt, eine Lösung für das Problem zu finden. Dazu gehöre etwa eine vorübergehende Immunsuppression, die aber wiederum Risiken wie Infektionen mit sonst ungefährlichen Erregern bedeute.

Charpentier erhält Auszeichnungen en masse

"Aber gegenüber Patienten, die an schweren Krankheiten sterben, haben wir die Verantwortung auszutesten, ob Crispr als Therapie gegen Krebs und andere Krankheiten funktioniert – auch wenn es auf dem Weg dahin vermutlich auch Enttäuschungen geben wird", sagte Charpentier gegenüber dem "Tagesspiegel". Dies gelte besonders, weil große Pharmafirmen wenig Interesse zeigten, neue Antibiotika zu entwickeln.

Auch Charpentier ist in der Praxis mit dabei. Sie ist Projektleiterin im gerade bewilligten Forschungsfeld "NeuroCure", das neue Wege in der Erforschung und Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems sucht. Freie Universität und Humboldt-Universität hatten den Antrag gemeinsam im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gestellt und jüngst bewilligt bekommen.

Emmanuelle Charpentier gilt als unkonventionelle Forscherin, für die es ein Leben außerhalb von Forschungslaboren gibt. Sie mag Kleidung mit einem Rock 'n' Roll-Touch. Und später sehe sie sich auf abenteuerlichen Expeditionen, auf Gipfeln oder in der Tiefsee, sagte sie in einem Interview. Dafür halte sie sich fit. Bei der Zahl ihrer Auszeichnungen komme sie nicht mehr hinterher. Es müssten mehr als siebzig sein, sagte sie gegenüber dem "Tagesspiegel". Zähle sie Ehrenmitgliedschaften in Akademien und Ehrendoktorwürden dazu seien es "wohl noch viel mehr."

dpa/kas