Illustration: Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern anhand des Lebenslaufs.
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Schweizerischer Nationalfonds
Narrative Lebensläufe sollen reale Leistungen aufzeigen

Der Schweizerische Nationalfonds verlangt bei Förderanträgen künftig ein CV mit ausformulierten Texten. Dies soll die Auswahl fairer gestalten.

10.06.2022

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) verwendet ab Anfang Oktober bei Bewerbungen um seine Projektförderung ein neues Lebenslaufformat. Bereits jetzt können Forschende ihre Angaben in der künftig erwarteten Form im Bewerbungsportal des SNF hinterlegen, wie die Organisation am Donnerstag mitteilte. Hinter den veränderten Bewerbungsmodalitäten stehe eine Studie des SNF mit Forschenden der Universität Leiden und das Bemühen, Kandidatinnen und Kandidaten einen faireren Auswahlprozess zu ermöglichen. Das derzeit klassische "zwei-seitige PDF mit Veröffentlichungsliste" garantiere nicht immer, dass die "richtigen" Bewerberinnen und Bewerber ausgewählt würden, heißt es in der Studie.

Das neue Format bestehe aus verschiedenen Abschnitten: Bewerberinnen und Bewerber sollen Informationen zu ihrer Ausbildung und ihren Anstellungen angeben, ebenso wie ihr sogenanntes "akademisches Alter". Außerdem sollen Texte formuliert werden, in denen die Antragstellenden ihre wichtigsten wissenschaftlichen Errungenschaften beschreiben und mit verschiedenen Arbeiten belegen. Schließlich sollen die Bewerberinnen und Bewerber ihr ORCID-Profil verlinken.

Testlauf des alternativen CV

Eine erste Version des überarbeiteten Lebenslaufs wurde im April 2020 in einer Ausschreibung im Bereich Medizin und Biologie probehalber verwendet. Diesen Test hat eine Studie begleitet, die als Preprint vorliegt. Im Anschluss an die Ausschreibung haben Forschende von 123 Bewerberinnen und Bewerbern sowie 159 Reviewern Rückmeldungen zu dem verwendeten Lebenslaufformat ausgewertet. Laut dem Magazin "Nature", das zuerst über die Studie berichtet hat, hätten die Befragten die narrativen Elemente am nützlichsten gefunden. Auch dass Bewerberinnen und Bewerber ihr "akademisches Alter" angeben sollten, hatten sie als sinnvoll empfunden.

Dieses war definiert als die Anzahl der Jahre, in denen die Kandidatinnen und Kandidaten "vollzeitäquivalent" in der Wissenschaft gearbeitet haben ab dem Zeitpunkt ihrer ersten wissenschaftlichen Veröffentlichung. Von dem so errechneten Alter sollten die Bewerberinnen und Bewerber gegebenenfalls Elternzeiten abziehen. Männer konnten nur die Zeit abziehen, die sie sich tatsächlich um Kinder gekümmert hatten. Frauen mussten pro Kind mindestens eineinhalb Jahre abziehen, um Einschränkungen durch Schwangerschaft, Stillzeit und begrenzte Mobilität abzubilden. Dies sei von den Befragten kritisiert worden. "Nature" berichtet, dass in der aktuellen Version Frauen selbst entscheiden könnten, ob sie ihre tatsächliche Elternzeit oder darüber hinaus weitere Zeitspannen abziehen, in denen sie durch die Versorgung ihrer Kinder weniger verfügbar waren.

Der SNF plant, das neue Lebenslaufformat auf alle Förderinstrumente der Organisation auszuweiten. Der SNF ist der größte Forschungsförderer der Schweiz. Er ist nicht allein im Bemühen, Bewerbungsprozesse fairer zu gestalten. Der britische Förderer UK Research, der Niederländische Forschungsrat und die Science Foundation Ireland haben laut "Nature" ähnliche Veränderungen in die Wege geleitet.

cpy