Nobelpreise 2021
Physik-Nobelpreis ehrt deutschen Klimamodellierer
100 Jahre nach Albert Einstein, geht der Nobelpreis in der Kategorie Physik 2021 an den deutschen Klaus Hasselmann, der zusammen mit Syukuru Manabe (USA) ausgezeichnet wird. Mit der zweiten Hälfte des Preises wird die Forschung des Italieners Giorgio Parisi prämiert. Alle drei forschten zu physikalischen Modellen zum Erdklima, wie die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mitteilte. Mit Klaus Hasselmann gewinnt nach dem Astrophysiker Reinhard Genzel (2020) ein weiterer Deutscher die begehrte Auszeichnung.
Klaus Hasselmann forschte am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, dessen Direktor er auch war. Der in Japan geborene Meteorologe und Klimatologe Syukuru Manabe wirkt an der Universität Princeton, während Giorgio Parisi an der Sapienza Univerität in Rom Professor für Quantenphysik ist.
"Drei Preisträger teilen sich den diesjährigen Nobelpreis für Physik für ihre Studien zu chaotischen und scheinbar zufälligen Phänomenen. Syukuro Manabe und Klaus Hasselmann legten den Grundstein für unser Wissen zum Klima der Erde und wie die Menschheit es beeinflusst." Syukuro Manabe hat in seiner Forschung gezeigt, wie gestiegene Kohlendioxidlevel in der Erdatmosphäre die Temperatur auf der Erde erhöht haben. Auf seinen, in den 1960er Jahren entwickelten physikalischen Modellen des Weltklimas bauen heutige Klimamodelle auf. Etwa zehn Jahre später hat Klaus Hasselmann ein Modell konzipiert, das Wetter und Klima verknüpft und somit auf die Frage antwortet, warum Klimamodelle verlässliche Prognosen liefern, während das Wetter veränderlich und chaotisch ist. Seine Methoden, um den menschlichen Einfluss auf das Klima zu identifizieren, wurden dazu verwendet, zu beweisen, dass die gestiegene Temperatur in der Atmosphäre auf menschliche Kohlendioxidemissionen zurückzuführen ist.
Giorgio Parisi werde für seinen revolutionären Beitrag zur Theorie von ungeordneten Stoffen und zufälligen Prozessen ausgezeichnet. Um 1980 hat er versteckte Muster in ungeordneten komplexen Materialien entdeckt, was einen wichtigen Beitrag zur Theorie komplexer Systeme darstellte. Er erlaubt es, verschiedene und scheinbar willkürliche Materialien und Phänomene zu erklären. Gefragt nach der Verbindung der Preisträger untereinander erklärten die Mitglieder des Nobelpreiskomitees, dass die Forschungen die Themen Fluktuation und Unordnung gemeinsam hätten und dass diese, wenn man sie zusammendenke, voraussagbar seien. Auch das Klima und seine Veränderungen seien vorhersagbar. Gerade die Arbeit von Parisi zeige versteckte Strukturen auf, die sich erst erschließen würden, wenn man sie in der richtigen Art analysiere. Fluktuation sei der Schlüssel zum Verständnis von Vorhersagbarkeit.
In der Diskussion im Anschluss an die Bekanntgabe der Gewinner wurde Giorgio Parisi telefonisch gefragt, ob er im Vorfeld des UN-Klimagipfel COP 26 (United Nations Framework Convention on Climate Change) eine Botschaft für die führenden Politikerinnen und Politiker der Welt habe. Er erwiderte, dass die Erderwärmung schnell erfolge und deshalb ebenso ein schnelles Eingreifen notwendig sei. Für zukünftige Generationen müssten wir sofort handeln.
Auch die Komiteemitglieder wurden nach der Signalwirkung ihrer Auswahl der diesjährigen Preisträger befragt. Thors Hans Hansson vom zuständigen Nobelkomitee erwiderte, dass diejenigen Entscheidungsträger in der Welt, die die Botschaft des Klimawandels immer noch nicht begriffen hätten, dies vermutlich auch in Zukunft nicht tun würden. Der Generalsekretär der Akademie, Göran Hansson, ergänzte, dass die Auswahl der Preisträger verdeutliche, dass die Modellierung des Klimas auf pysikalischer Theorie beruhe, auf bekannten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Komiteemitglied John Wettlaufer wiederholte, dass das Komitee an Physik glaube und betonte die Wichtigkeit, dass man aufkommende Phänomene in ihren einzelnen Details ansehen müsse.
Die vergangenen fünf Physik-Nobelpreise
2020: Der deutsche Physiker Reinhard Genzel und die US-Amerikanerin Andrea Ghez (USA), die das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße entdeckten. Zudem wurde der Brite Roger Penrose geehrt, der erkannte, dass die Bildung von Schwarzen Löchern eine Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie ist.
2019: Der kanadisch-amerikanische Kosmologe James Peebles für Erkenntnisse zur Entwicklung des Universums sowie die Schweizer Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz. Sie entdeckten den ersten Exoplaneten, der um einen sonnenähnlichen Stern kreist.
2018: Die Laserphysiker Arthur Ashkin (USA), Gérard Mourou (Frankreich) und Donna Strickland (Kanada) für die Entwicklung präziser Werkzeuge aus Licht.
2017: Die drei US-Forscher Rainer Weiss, Barry Barish und Kip Thorne für den direkten Nachweis von Gravitationswellen. Albert Einstein hatte das Phänomen bereits vorhergesagt.
2016: Die gebürtigen Briten David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz. Sie haben exotische Zustände beschrieben, die eine Relevanz für Quantencomputer und neue Materialien haben könnten.
Der Physik-Nobelpreis wird seit 1901 vergeben. Die erste Auszeichnung erhielt der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen für die Entdeckung der "X-Strahlen", der später nach ihm benannten Röntgenstrahlen. Albert Einstein erhielt den Physik-Nobelpreis 1921 "für seine Verdienste um die theoretische Physik, insbesondere für seine Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts". Insgesamt wurden 114 Nobelpreise in Physik an 215 Preisträgerinnen und Preisträger verliehen. Der US-Forscher John Bardeen erhielt die begehrte Auszeichnung dabei gleich zweimal (1956 und 1972). In sechs Jahren wurde kein Physik-Nobelpreis verliehen: 1919, 1931, 1934, und von 1940-1942.
Häufig gehen Nobelpreise an zwei oder drei Wissenschaftler gleichzeitig, die entweder gemeinsam oder zum selben Fachgebiet geforscht haben. Bereits am Montag waren die Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin bekanntgegeben worden. Diese Auszeichnung geht 2021 an David Julius (USA) und den im Libanon geborenen Ardem Patapoutian. Die beiden Forscher haben Zellrezeptoren entdeckt, über die Menschen Temperaturen und Berührungen wahrnehmen.
Wie im Vorjahr sind die Nobelpreise mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 980.000 Euro) pro Kategorie dotiert. Verliehen werden die prestigeträchtigen Nobelmedaillen und Diplome traditionell am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896). In den nächsten Tagen werden die Nobelpreisträgerinnen und -preisträger der weiteren Kategorien bekanntgegeben: Am Mittwoch werden die Preisträger in Chemie ebenfalls von der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften verkündet, am Donnerstag folgt auch in Stockholm in der Schwedischen Akademie der Literaturnobelpreisträger beziehungsweise die Literaturpreisträgerin. Am Freitag wird dann in Oslo der Friedensnobelpreis verliehen und am nächsten Montag folgt wiederum in Stockholm der Preis für Wirtschaftswissenschaften.
zuletzt aktualisiert am 05.10.2021 um 15:41 Uhr, zuerst veröffentlicht um 12:01 Uhr
cpy/dpa