

Nobelpreise 2024
Physik-Nobelpreis zeichnet KI-Grundlagen-Forschung aus
Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an den US-Amerikaner Professor John Hopfield von der Universität Princeton und den britisch-kanadischen Forscher Professor Geoffrey Hinton von der Toronto University. Ihre grundlegenden Entdeckungen und Erfindungen haben das maschinelle Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen ermöglicht. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm mit.
"Das maschinelle Lernen auf der Grundlage künstlicher neuronaler Netze revolutioniert derzeit die Wissenschaft, die Technik und das tägliche Leben.", so die Akademie. Hopfield (91) und Hinton (76) hätten die Grundsteine dafür gelegt, auch moderne, auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Programme wie ChatGPT und Perprexity gingen auf ihre frühen Modelle zurück. Hopfield erfand ein nach ihm benanntes Netzwerk, das eine Methode zum Speichern und Wiederherstellen von Mustern verwendet. Hinton nutzte dieses Hopfield-Netzwerk als Grundlage für sein Netzwerk: die Boltzmann-Maschine. Diese kann lernen, charakteristische Elemente in einer bestimmten Art von Daten zu erkennen. "Hintons Rechenvorschrift erlaubt es zu lernen, wie man aus einer Folge von Wörtern erkennt, was als Nächstes kommt", erläutert Professor Bernhard Schölkopf vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Tübingen.
Inspiriert vom menschlichen Gehirn
Künstliche neuronale Netzwerke empfinden die Struktur des Gehirns nach. Dessen Neuronen werden durch Knoten dargestellt, die sich gegenseitig durch mit Synapsen im Gehirn vergleichbaren Verbindungen beeinflussen. Das Netzwerk wird trainiert, indem zum Beispiel stärkere Verbindungen zwischen bestimmten Knoten aufgebaut werden. Die Erforschung und Entwicklung von künstlichen neuronalen Netzwerken ist in den vergangenen Jahren rasant vorangeschritten; moderne Systeme basieren auf komplexeren Architekturen und können mit enormen Datenmengen umgehen.
Hopfield und Hintons Entdeckungen werden heute in vielen Bereichen der Physik angewandt, erläuterte das Nobelpreis-Komitee bei der Verkündung der Preisträger, darunter die Partikelphysik, Materialwissenschaften und die Astrophysik. Sie seien auch die Grundlage für alltägliche Anwendungen, etwa bei der automatischen Gesichtserkennung. Im medizinischen Bereich erlaubten sie das schnelle Analysieren medizinischer Bilder und trügen so dazu bei, Krankheiten schneller zu diagnostizieren.
Künstliche Intelligenz auch potentielles Risiko
Künstliche Intelligenz "wird mit der Industriellen Revolution vergleichbar sein", sagte Hinton, als er telefonisch zu der Preisbekanntgabe in der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm zugeschaltet wurde und den Einfluss der Technologie auf die Menschheit einschätzen sollte. "Anstatt die Menschen an körperlicher Stärke zu übertreffen, wird es sie intellektuell übertreffen." Darin lägen auch Gefahren, so Hinton. "Wir haben keine Erfahrung damit, wie es ist, wenn Dinge intelligenter sind als wir", sagte er. Auch negative Folgen müssten bedacht werden, etwa die "Gefahr, dass diese Dinge außer Kontrolle geraten."
Hinton hatte im vergangenen Jahr seinen Job bei Google Brain, dem KI-Forschungsteam des Unternehmens, gekündigt, um frei über die Risiken von KI sprechen zu können. Er veröffentlichte zusammen mit anderen führenden KI-Forschern mehrere Stellungnahmen zu dem Thema. Demnach sehen sie in KI eine potenzielle Gefahr für die Menschheit und rufen dazu auf, die Risiken ernst zu nehmen.
Die Physik-Nobelpreise der letzten fünf Jahre
2023: Für ihre Forschungen im Bereich der Elektronendynamik wurden der Franzose Pierre Agostini, der österreichisch-ungarische Physiker Ferenc Krausz sowie die französisch-schwedische Physikerin Anne L’Huillier für den Physik-Nobelpreis ausgewählt. Sie arbeiten in der Attosekundenphysik.
2022: Zu gleichen Teilen ausgezeichnet wurden der Franzose Alain Aspect, der US-Amerikaner John F. Clauser und der Österreicher Anton Zeilinger für ihre Pionierarbeit in der Quanteninformatik ausgezeichnet. Ihre Experimenten zeigten, dass es möglich ist, Teilchen zu untersuchen und zu kontrollieren, die sich in verschränkten Zuständen befinden.
2021: Zur Hälfte an den deutschen Meteorologen Klaus Hasselmann und den in Japan geborenen US-Forscher Syukuru Manabe sowie zur Hälfte an den Italiener Giorgio Parisi für ihre Erforschung physikalischer Modelle zum Klimawandel und anderer komplexer Systeme.
2020: Der deutsche Physiker Reinhard Genzel und die US-Amerikanerin Andrea Ghez, die das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße entdeckten. Zudem wurde der Brite Roger Penrose für seine Erkenntnis geehrt, dass die Bildung von Schwarzen Löchern eine Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie ist.
2019: Der kanadisch-amerikanische Kosmologe James Peebles für Erkenntnisse zur Entwicklung des Universums sowie die Schweizer Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz. Sie entdeckten den ersten Exoplaneten, der um einen sonnenähnlichen Stern kreist.
Im Jahr 1901 erhielt der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen den ersten Physik-Nobelpreis für die Entdeckung der später nach ihm benannten Röntgenstrahlen. Nobelpreise in Physik wurden seither an 224 unterschiedliche Personen verliehen, darunter fünf Frauen. Der US-Physiker John Bardeen ist dabei bisher der Einzige gewesen, der diese Auszeichnung gleich zweimal erhalten hat. 23 Mal ging der Preis nach Deutschland, zuletzt 2021 an den Meteorologen Klaus Hasselmann und davor 2020 an den Astrophysiker Reinhard Genzel.
Physik ist traditionell die zweite der insgesamt fünf klassischen Nobelpreis-Kategorien, deren Preisträger im Verlauf der Nobelwoche bekanntgegeben werden. Am Montag wurden bereits die US-amerikanischen Molekularbiologen Victor Ambros und Gary Ruvkun mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet. In den nächsten Tagen folgen die Preise in den Kategorien Chemie, Literatur und Frieden sowie am kommenden Montag der Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften. In diesem Jahr sind die Nobelpreise mit knapp elf Millionen schwedischen Kronen (knapp 970.000 Euro) pro Kategorie dotiert. Verliehen werden alle Preise am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896).
aktualisiert am 08.10.2024 um 16.20 Uhr, zuerst veröffentlicht um 12.20 Uhr
cpy/dpa