Mann nimmt per Laptop an einer Videokonferenz mit 9 Personen teil
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Berufungsverfahren
Wie läuft das "Vorsingen" bei Berufungen digital ab?

Während der Kontaktbeschränkungen laufen Berufungsverfahren weitestgehend digital. Eine Berufungsbeauftragte berichtet, wie das aussehen kann.

Von Katrin Schmermund 09.07.2020

Forschung & Lehre: Frau Professorin Klee, Kandidatinnen und Kandidaten auf eine Professur stehen an der RWTH normalerweise einer Berufungskommission und rund 30 bis 40 weiteren Personen gegenüber. Jetzt wählen sie sich in eine Zoom-Konferenz ein. Wer blickt ihnen entgegen?

Doris Klee: Die Teilnehmenden sind beim Berufungsverfahren digital dieselben wie vor Ort: die Berufungskommission aus stimmberechtigten Professorinnen und Professoren, wissenschaftlichen Beschäftigten und Studierenden im Verhältnis 3:1:1 sowie die Gleichstellungsbeauftragte und gegebenenfalls die Schwerbehindertenvertretung. Bei strategisch wichtigen Berufungskommissionssitzungen nehme auch ich als Berufungsbeauftragte teil. Das sind zum Beispiel Einstellungen, die für die Forschungsstrategie der RWTH entscheidend sind, Positionen mit einer besonders hohen Personalverantwortung oder Verfahren mit einem geringen Anteil an weiblichen Kandidatinnen. Des Weiteren können noch Gäste zugelassen werden. Im öffentlichen Teil des sogenannten "Vorsingens" können wie beim Verfahren vor Ort auch weitere Interessierte teilnehmen. Was sich seit Corona verändert hat, ist lediglich die organisatorische Umsetzung des Verfahrens.

"In einem 'Breakout-Room' wird der Kandidat oder die Kandidatin begrüßt und kann die Präsentation testen."

F&L: Wie läuft das "Vorsingen" digital ab?

Doris Klee: Die eingeladenen Kandidatinnen und Kandidaten erhalten einen Zoom-Link für den öffentlichen Vortrag und für das anschließende Fakultätsgespräch. Für jeden Kandidaten beziehungsweise jede Kandidatin wird ein eigener Zoom-Meetingraum angelegt. Der Berufungskommissionsvorsitzende ist der sogenannte Host und lässt sie zu Beginn des Meetings eintreten. Bei Zoom besteht die Möglichkeit der sogenannten "Breakout-Rooms". Dort erwartet den Bewerber oder die Bewerberin ein Mitglied der Berufungskommission, der sie begrüßt und Ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Präsentation zu testen, damit beim Vortrag auch alles klappt. Sobald die Kandidatinnen und Kandidaten an der Reihe sind, werden sie in den Hauptraum eingeladen, in dem sie dann virtuell vor allen Teilnehmenden der Berufungskommission stehen. Vor dem Fakultätsgespräch bittet der Berufungskommissionsvorsitzende die Öffentlichkeit den Meetingraum zu verlassen. Danach wird geprüft, dass abgesehen von Kandidat oder Kandidatin nur noch die stimmberechtigten Personen und die zugelassenen Gäste anwesend sind.

Professorin Doris Klee
Professorin Doris Klee ist Prorektorin für Personal und wissenschaftlichen Nachwuchs sowie Berufungsbeauftragte an der RWTH Aachen. RWTH Aachen/Peter Winandy

F&L: Sie sagten, die Kandidatinnen und Kandidaten "stehen"…

Doris Klee: Das weiß ich natürlich nicht. Wir machen keine Vorgaben, wie der Vortrag gehalten werden soll. Vom Kameraausschnitt her zu unterteilen, habe ich den Eindruck, dass die meisten sitzen.

F&L: Verschicken Sie vorab Hilfestellungen? Eine schlechte Internetverbindung, ein ungünstiger Hintergrund oder die unpassende Kameraeinstellung können bei digitalen Auswahlgesprächen schnell vom eigentlichen Inhalt ablenken…

Doris Klee: Die Berufungsverfahren haben digital bisher wirklich reibungslos funktioniert. Ich habe den Eindruck, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mittlerweile sehr routiniert im Umgang mit virtuellen Konferenzen sind. Wir machen daher keine weiteren Angaben.

F&L: Was virtuell fehlt ist das persönliche Kennenlernen, der Händedruck, die teils unbewussten Eindrücke voneinander – welche Konsequenzen hat das für das Berufungsverfahren?

Doris Klee: Zwischenmenschlich geht digital sowohl für die Bewerbenden als auch die Berufungskommission einiges verloren. An der RWTH haben wir uns daher entschieden, Kandidatinnen und Kandidaten, die in der engeren Auswahl sind, noch einmal persönlich einzuladen. Wir führen sie durch die  Hochschuleinrichtungen und machen sie mit Beschäftigten bekannt, mit denen sie zusammenarbeiten würden. Die Bewerbenden können sich dabei auch ein Bild von den Räumlichkeiten und der Ausstattung machen. Für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler spielt beides eine große Rolle für die Berufungsverhandlung und bei der Entscheidung, einen Ruf anzunehmen oder ihn abzulehnen beziehungsweise .

F&L: Wann wollen Sie wieder Auswahlverfahren vor Ort durchführen?

Doris Klee: Nach der Sommerpause werden wir diskutieren, wie wir Berufungsverfahren für den Rest des Jahres durchführen werden. Ich könnte mir vorstellen, dass sie wieder vor Ort stattfinden können, aber das machen wir nur, wenn es für alle möglich ist und wir die Chancengleichheit sicherstellen können. Derzeit könnten viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gar nicht anreisen. Verfahren für einzelne Personen vor Ort durchzuführen, ist keine Option. Das wäre auch organisatorisch ein Mehraufwand.

"Virtuelle Berufungsverfahren werden nach der Corona-Pandemie die absolute Ausnahme sein."

F&L: Wollen Sie langfristig an digitalen Berufungsverfahren festhalten, zum Beispiel für das "Vorsingen" von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern?

Doris Klee: Virtuelle Berufungsverfahren werden nach der Corona-Pandemie die absolute Ausnahme sein. Anwerberinnen und Anwerber auf eine Professur sind in der Regel sehr interessiert an einem Termin vor Ort und wollen ein Gefühl für die Hochschule bekommen. Vorstellen kann ich mir, dass wir bei Postdocs mehr Auswahlverfahren digital durchführen, wenn die Bewerbungen von Übersee kommen. Für einen ersten Eindruck der Räumlichkeiten ist es dabei sogar möglich, die Bewerbenden virtuell durch die entsprechende Hochschuleinrichtung zu führen. Aber auch hier ist ein persönliches Kennenlernen, wenn möglich, immer zu bevorzugen.

F&L: Aktuell laufen bei Ihnen bis zu zwei Berufungsverfahren pro Woche. Was haben Sie aus den bisherigen Terminen mitgenommen: Worauf kommt es an?

Doris Klee: Für den reibungslosen Ablauf virtueller Verfahren sind klare Regeln entscheidend. Wir haben zum Beispiel ausgemacht, dass die Mitglieder der Berufungskommission zur Begrüßung der Bewerbenden ihr Video angeschaltet haben, damit die Bewerbenden sehen, mit wem sie sprechen. Vor dem Vortrag weist der Vorsitzende darauf hin, dass die Videos der Teilnehmenden während des Vortrags auch abgeschaltet werden können. Alle Mikros sind stummgeschaltet. Bei den Diskussionen und dem Fakultätsgespräch, welche vom Vorsitzenden moderiert werden, wird die Zoom-Option des Handhebens gewählt, um eine Wortmeldung anzuzeigen. Meist laufen die Verfahren sehr diszipliniert ab. Der Berufungskommissionsvorsitzende informiert die Kommissionsmitglieder in einem virtuellen Vorgespräch in der Regel über über die Abläufe des virtuellen Verfahrens. Wir mussten zum Beispiel klären, wie wir Abstimmungen digital durchführen. Das ist derzeit über Briefwahl oder das Umfragetool "SoSci Survey" möglich. Alleine dafür hat das Dezernat "Organisation und IT" einen mehr als 40-seitigen Leitfaden erstellt.

F&L: Ein Berufungsverfahren durchlaufen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht alle Tage. Zur Aufregung kommt trotz aller Routine mit Videokonferenzen das virtuelle Setting hinzu – was können Sie Bewerbenden mitgeben?

Doris Klee: Kandidatinnen und Kandidaten sollten versuchen, so natürlich wie möglich zu sein. Steht die Internetverbindung und ist der Start der Präsentation getestet, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Wie sind Ihre Erfahrungen?

Sie haben bereits an einem virtuellen Berufungsverfahren teilgenommen oder stehen kurz vor einem Auswahlverfahren? Welche Eindrücke haben Sie gemacht? Welche offenen Fragen haben Sie? Schreiben Sie uns: kommentare(at)forschung-und-lehre.de.