

Wissenschaftskommunikation
Interview-Podcast mit Tipps für die Promotion
"I am Scientist" ist ein Podcast von Promovierenden für Promovierende. Die drei Hosts stellen im Monats-Rhythmus seit gut zwei Jahren durch Interviews Forschungsarbeiten vor und beleuchten die Hochs und Tiefs im Promovierenden-Alltag. Anlässlich des Internationalen Tags des Radios am 13. Februar schaut "Forschung & Lehre" hinter die Kulissen des Formats von Dr. Daniel Hölle, Philipp Hubert und Dr. Lisa Schmors.
Forschung & Lehre: Wie kam die Idee zu "I am Scientist" auf?
Philipp Hubert: Sie ist dadurch entstanden, dass Daniel und ich in unserem Freundeskreis so viele Personen haben, die promovieren. Wir wollten ihnen eine Plattform geben, weil wir wussten, dass sie alle an total spannenden Themen forschen, es aber für andere kaum eine Möglichkeit gab, diese Themen, aber auch die Arbeit, die sie da reinstecken, irgendwie zu würdigen. Das war für uns der Beweggrund, das Podcast-Projekt zu starten.

F&L: Und Frau Schmors ist später dazugestoßen?
Lisa Schmors: Genau. Ich kenne Daniel über den "Science Slam" in Oldenburg, an dem wir beide teilgenommen haben. Er hat mich quasi als Gast für den Podcast rekrutiert. Wir haben eine Folge über meine Forschung aufgenommen. Ich hatte vorab versucht, über den Podcast im Internet etwas zu finden, aber Philipp und Daniel hatten damals noch keine Online-Präsenz dafür. Über meinen eigenen Twitter-Account hatte ich bereits Science-Kommunikation ausprobiert. Und dann haben die beiden mich gefragt, ob ich das für "I am Scientist" machen möchte. So war ich am Anfang überwiegend für den Social-Media-Auftritt verantwortlich. Wir haben kürzlich auf Instagram angefangen, Reels zu veröffentlichen – kleine Snippets, also Auszüge aus der folgenden Episode. Inzwischen habe ich auch selbst Podcast-Folgen aufgenommen.
F&L: Wie genau ist das Thema des Podcasts "I am Scientist" abgegrenzt?
Lisa Schmors: Wir sprechen dabei nicht nur über die Wissenschaft an sich, sondern auch über alles rund ums Promovieren. Zum Beispiel habe ich in einer Folge mit Daniel über Mental Health diskutiert, weil gerade ein wissenschaftliches Paper dazu erschienen war.
F&L: Und bleibt es immer noch bei den Promovierenden oder kommen auch mal Postdocs und andere dazu?
Philipp Hubert: Wir haben den Podcast mit Promovierenden gestartet, haben das aber zwischendurch aufgeweicht. Bei manchen war es die Postdoc-Phase, einfach, weil das jeweilige Thema uns so interessiert hat. Manchmal machen wir eine Spezialfolge, wenn es ansonsten nicht in den normalen Fluss der Folgen reinpasst.
F&L: Könnte das auch so etwas sein wie "Was ist inzwischen aus deinen Träumen geworden, die du uns vor einem Jahr im Podcast erzählt hast"?
Lisa Schmors: Es gibt tatsächlich so eine Folge aus dem ersten Jahr. Da haben wir alle Leute noch einmal angeschrieben und haben sie darum gebeten, doch eine kurze Sprachnachricht zu schicken, wo sie gerade stehen. Wie ist es weitergegangen? Das war wirklich schön.
F&L: Da Sie Podcast-Profis sind, sind Sie ja geübt darin, mit wenigen Worten etwas Kompliziertes darzustellen. Über was haben Sie selbst geforscht in Ihren Promotionsarbeiten?
Daniel Hölle: Ich habe im Fachgebiet Neurowissenschaft Hirnaktivität untersucht. Es ging darum, wie Geräusche wahrgenommen werden. Mit Elektroden, die man hinterm Ohr trägt, habe ich versucht, Hirnaktivität im Alltag zu messen, um diese zu verstehen und interpretieren zu können. Ein Ziel war es, irgendwann auch Menschen, die vielleicht geräuschsensibel sind, helfen zu können.
Philipp Hubert: Bei meinem Thema aus dem Bereich der Arbeits- und Organisationspsychologie geht es um den Einfluss des Organisationsklimas auf das Gesundheitsverhalten von Mitarbeitenden. Also quasi um die Frage: Wenn Unternehmen spezielle Gesundheitsangebote für Mitarbeitende anbieten, übernehmen diese dann das Erlernte auch in ihr Privatleben? Und das speziell unter dem Aspekt: Macht es dabei einen Unterschied, wenn Mitarbeitende sich stark mit ihrem Unternehmen identifizieren?

Lisa Schmors: Ich habe in der Informatik promoviert mit neurowissenschaftlichem Bezug. Ich schaue mir an, was wir über Gehirnaktivitäten herausfinden können, indem wir Methoden aus dem Machine Learning und aus der Data Science benutzen. Konkret könnte man sich zum Beispiel ein statistisches Modell bauen, um die Aktivität von Neuronen vorherzusagen.
F&L: Warum war gerade der Podcast das Format, für das Sie sich entschieden haben, um etwas über Forschung zu erzählen? Was war ausschlaggebend dafür, dass es zum Beispiel nicht Video geworden ist?
Philipp Hubert: Das Schöne am Podcast ist einfach, dass es ein Medium ist, mit dem man mit wenigen technischen Mitteln auch ein langes Format produzieren und viel Inhalt transportieren kann. Allein ein Video schneiden zu müssen und mit den riesigen Datenmengen zu hantieren, ist sehr umständlich. Da ich auch Musiker bin, hatte ich Audio-Equipment und wusste, dass es schnell umsetzbar sein würde.
Lisa Schmors: Obwohl man keine Bilder im Podcast hat, ist es auf jeden Fall eine Stärke, dass man in die Themen tiefer reingehen kann. Gerade durch das Nachhaken im Gespräch. Manchmal sind die Erklärungen von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern viel klarer als ein Bild.

F&L: Wie sind sie zu Beginn vorgegangen? Haben Sie Tipps für den Start?
Philipp Hubert: Bei unserem Format war das Schwierigste, darauf zu achten, dass die Audioqualität gut ist. Wir wissen auch, dass sich einige Gäste ein Mikrofon zulegen mussten, weil sie selbst keins hatten. Inzwischen kann man ein gutes Mikrofon für solche Aufnahmen für 50 Euro kaufen. Und es gibt verschiedene Anbieter, bei denen man einen Podcast digital oder im Browser aufnehmen kann. Die werden lokal gespeichert. Es gibt sogar kostenlose Möglichkeiten, wenn man wie wir nur einmal im Monat aufnimmt.
Daniel Hölle: Es sollte so wie in einem Konferenz-Tool sein, nur in besserer Audioqualität. Momentan machen wir das zum Beispiel mit „Streamyard“. Da bekommen wir rund zwei Stunden pro Monat kostenlos.
F&L: Was war und ist für Sie besonders herausfordernd speziell beim Format Podcast in der Wissenschaftskommunikation?
Lisa Schmors: Die größte Schwierigkeit, die ich gesehen habe bei unserem Podcast, war es, auf ihn aufmerksam zu machen und ihn irgendwie in die Welt zu tragen. Es gibt bei den Streaming-Diensten so viele Podcasts! Wie bewerbe ich meinen eigenen? Uns gab es zuerst nur auf Twitter und dann sind wir noch zu Instagram gegangen. Da gibt es die meisten Klicks von interessierten Personen. Dort kann man kleine Videos zusammenschneiden und zusätzliche Informationen in die Stories packen und so die Podcast-Folgen bewerben.
Philipp Hubert: Wenn ich mir einen neuen Podcast anhöre mit Personen, die ich nicht kenne, ist das schon immer sein Commitment. Sei es ein Interview-Podcast oder monologisierender Podcast: Ich muss ihm immer erst einmal eine Chance geben. Das Reinkommen in den Podcast ist nicht ohne und vielleicht eine größere Hürde, als bei anderen Formaten.
F&L: War es für Sie persönlich über die Jahre so, dass Sie sich durch das Podcasten in Ihrer eigenen Promotionsphase gestärkt gefühlt haben?
Lisa Schmors: Definitiv! Da wir auch alle promoviert haben, waren ja auch alle Themen und alle Tipps, die so in den Folgen aufkamen, relevant für uns. Und es ist generell sehr interessant, hinter den Vorhang der Wissenschaft zu blicken. Wie strukturiert sich so eine Promotion? Mit welchen Problemen haben andere zu kämpfen und wie bewältigen sie die? Aber auch: Was sind die Träume von den Leuten, die promovieren?
Philipp Hubert: Gerade in Phasen, wo man selbst vielleicht einmal wieder eine Ablehnung seines Papers bekommen hat oder in der man zum Ende kommen muss, hilft das. Durch diese schmerzhaften Denkprozesse mussten irgendwie alle durch. Aber auch ganz konkret einzelne Tipps, die ich während der Aufnahme gehört habe und direkt schon wusste: "Okay, das verändert für mich jetzt gerade einiges".
F&L: Haben Sie für unsere Leserinnen und Leser einen konkreten Tipp, der Sie persönlich bereichert hat?
Philipp Hubert: Auf jeden Fall. Der ist von Nicolas, einem Polarforscher, der gesagt hat, er hat irgendwann begriffen, dass das Schreiben wie Sport ist. Wenn man es jeden Tag einfach ein bisschen macht und eine Routine daraus macht, dann fällt es leichter. Hört man auf zu schreiben, kommt man schwerer wieder rein. Genau wie beim Joggen oder beim Krafttraining. Selbst eine Viertelstunde kann da schon reichen. Wie viel dabei am Ende rauskommt, ist völlig egal. Das gibt mir ein anderes Gefühl und einfach auch einen anderen Zugang dazu.
Lisa Schmors: Ich glaube, bei mir war es eine Software. Die benutzen andere Promovierende, um sich und ihre Produktivität zu organisieren. Es gibt ein Tool, wo man eine Frage reinschreiben kann. Eine Künstliche Intelligenz sucht dann relevante wissenschaftliche Paper zu dieser Fragestellung heraus. Es schreibt dann zu jedem Paper eine kurze Zusammenfassung. Das hat den gesamten Prozess verkürzt, wissenschaftliches Material zu finden. Das hat für mich das Recherchieren revolutioniert.
Daniel Hölle: Ich unterschreibe zu hundert Prozent, was mehrere Leute bei uns im Podcast gesagt haben: Dass eine gute Betreuung letztendlich entscheidender ist als das tatsächliche Thema. Genau so war es bei mir. Man kann auch an ein Thema herangehen, für das man nicht leidenschaftlich brennt, solange die Betreuung super ist. Eine absolut richtige Beobachtung.
Promotion
In unserem Themenschwerpunkt "Promotion" geht es ganz konkret um die Phase des Promovierens: Wie geht es den Promovierenden in Deutschland? Wann und für wen ist der Weg zum Doktortitel wirklich sinnvoll? Wie groß ist der Frauenanteil und wie verteilen sich die Forschungsarbeiten auf die verschiedenen Fächer?
F&L: War die Podcast-Produktion auch manchmal zu viel Arbeit oder vielleicht auch mal eine willkommene Ablenkung vom wissenschaftlichen Arbeiten?
Lisa Schmors: Die Aufnahme an sich braucht am wenigsten Zeit in dem ganzen Prozess. Die Postproduktion der Folge ist das, was am längsten dauert. Aber dadurch, dass wir zu dritt sind und uns das aufteilen konnten, ist es eher eine willkommene Ablenkung. Wir unterstützen uns sehr gut gegenseitig.
Philipp Hubert: Wir haben Phasen, die intensiver sind. Es gibt immer Phasen, wo wir vielleicht auch zwei Monate nichts aufnehmen, weil wir vorproduziert haben.
Daniel Hölle: Der Druck ist letztlich selbst gemacht. Wir könnten theoretisch jeden Monat sagen, wir machen jetzt mal keine Folge. Aber irgendwie hat es immer funktioniert. Lisa Schmors: Man hat innerhalb eines Monats oder in wenigen Wochen ein fertiges Produkt, was man veröffentlicht. Und das fühlt sich immer total gut an, wenn man da einen Haken dran setzen kann. Das erlebt man in der Phase als Doktorandin oder Doktorand sehr selten.
F&L: Bekommen Sie direktes Feedback Ihres Publikums über die verschiedenen Kanäle?
Lisa Schmors: Über Social Media bekommen wir sehr viel positives Feedback. Was mich am meisten motiviert, ist der Blick in die Podcast-Statistiken. Wenn wir sehen, dass wir jeden Monat eine gewisse Anzahl an Hörerinnen und Hörern dazubekommen. Das ist eine supergute Motivation weiterzumachen.
Daniel Hölle: Es gab auch schon Leute, die uns direkte Nachrichten geschickt haben. Die dann gesagt haben: "Ich fand die Folge voll cool! Das hat mich voll abgeholt!" Gerade bei schwierigen Themen.
F&L: Sind Sie schon mal nach einer Aufnahme auf den Gedanken gekommen, dass das Thema und das Gesagte doch zu kompliziert war für einen Podcast?
Philipp Hubert: Es gab schon Situationen, wo ich mir nach der Aufnahme nicht ganz sicher war. Manchmal sogar eher auf einer emotionalen Ebene. Wo es dann vielleicht um Themen wie sexuelle Gewalt geht. Das wissen wir zwar vorher, aber welche Rolle das dann auch im Podcast einnimmt, ist für uns oft erst in der Rückbetrachtung erkennbar. Deshalb haben wir für manche Folgen eine Triggerwarnung aufgenommen.
F&L: Bei einem Interview-Podcast schwingen einige Variablen mit, die durch die interviewte Person dazukommen. Führen Sie ein Vorgespräch, um sich abzusichern?
Daniel Hölle: Tatsächlich machen wir kein traditionelles Vorgespräch mit einem separaten Termin. Manchmal gibt es einen E-Mail-Austausch vorab, der eine minimale Struktur vorgibt. Aber es ist eher ein entspanntes Gespräch, wie wir es irgendwo am Kamin führen würden. Es ist ein Riesenvorteil, dass wir zwei Leute sind. Es gab schon eimal bei fordernden Themen die Situation, dass eine Person nicht so mitgekommen ist. Und dann war immer die andere da und konnte das irgendwie abfangen.
Philipp Hubert: Der Punkt, dass wir quasi Laien haben in Interview-Situationen, ist auch manchmal herausfordernd – besonders im Schnitt. Manche haben vielleicht dann noch mehr "Ähms" drin oder häufige Unterbrechungen. Aber das ist einfach ein Faktor, der mit drin ist und den man beim Podcast ganz gut durch den Schnitt wieder lösen kann.
F&L: Wie sind Sie bisher vorgegangen bei der Auswahl der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner?
Lisa Schmors: Seit circa einem halben Jahr haben wir immer mehr Leute, die auf uns zukommen und fragen, ob sie mit uns eine Folge aufnehmen können. Am Anfang lief das viel über den Bekanntenkreis. Daniel hat noch in Netzwerken nach Personen geforscht. "Science Slammer" haben wir auch immer gerne kontaktiert.
Philipp Hubert: Wir haben ab der ersten Folge immer im Abspann gesagt: "Wenn ihr jemanden kennt oder selber jemand seid, der seine Forschung hier im Podcast präsentieren möchte, dann meldet euch!" Inzwischen haben wir alle noch viele Themen oder Personen im Blick, die interessant wären.
F&L: Gibt es ein persönliches Highlight aus Ihrem Podcast? Beispielsweise etwas, das einen besonderen Eindruck hinterlassen hat, auch für das eigene Leben?
Philipp Hubert: Wir drei hatten am Wochenende das besondere Erlebnis, dass wir uns das erste Mal zu dritt in Tübingen persönlich getroffen haben. Zuvor hatte ich Lisa nur online gesehen. Und da waren auch noch zwei Gäste aus dem letzten Jahr dabei. Dass aus diesem Projekt persönliche Beziehungen und Begegnungen hervorgehen, ist für mich einfach wahnsinnig schön.
Lisa Schmors: Für mich hat dieses Projekt auf jeden Fall gezeigt, dass man einfach mal loslegen kann. Wir geben dafür kein Geld aus, haben einfach zusammen etwas kreiert und damit schon wirklich Wellen geschlagen. Ich könnte mir definitiv für die Zukunft vorstellen, dass wenn ich Lust auf etwas habe, das einfach mal auszuprobieren. Das war eine sehr große Inspiration und es hat geklappt. Die Rückmeldungen sind total positiv.
Daniel Hölle: Irgendwie ist das ein schönes Gefühl zu wissen, dass man in vielen deutschen Städten jetzt eine Person kennt, mit der man sich zumindest schon mal zwei Stunden wundervoll ausgetauscht hat.
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F&L: Nennen Sie uns doch zum Abschluss noch Ihren Lieblings-Wissenschaftspodcast mit einer kurzen Begründung?
Lisa Schmors: Ich finde es extrem schwer, mich für einen zu entscheiden. Ich würde tatsächlich den Podcast nehmen "The Joy of Why". Er ist auf Englisch und betrachtet ganz grundlegende wissenschaftliche Themen. Also: Wo kommt das Leben her? Wie funktioniert DNA? Was ist der Urknall? Er ist sehr breit gefächert und stellt die wirklich relevanten, spannenden, tiefgründigen Fragen. Dabei wird alles sehr einfach erklärt. Es ist meistens eine Person, die durch das Thema leitet. Manchmal unterbrochen von kurzen Interviews mit verschiedenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Philipp Hubert: Was ich am ehesten höre und immer ganz spannend finde, ist der Podcast "Geschichten aus der Geschichte". Er ist recht bekannt. Es geht um historische Ereignisse. Ich finde es spannend, aus diesen Geschichten etwas zu lernen, beispielsweise auch über die heutige Zeit und über Dinge, die irgendwie jetzt auch noch präsent sind.
Daniel Hölle: Meine Empfehlung ist "Happiness Lab". Das ist ein Podcast von Dr. Laurie Santos. Sie forscht an der Yale University über das Glücklichsein. Das finde ich relevant und spannend.