Angela Merkel bei der Verleihung ihrer Ehrenpromotion der Harvard Universität im Mai 2019
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Ehrenpromotion
Vom Dalai Lama bis zur Muppet Show

Ehre, wem Ehre gebührt? Mit dem "Dr. h.c." glänzen sowohl Träger als auch Verleiher. Universitäten sollten den Titel aber mit Bedacht vergeben.

Von Yvonne Dorf 02.11.2019

Vicco von Bülow (alias Loriot) hat ihn, Roger Federer hat ihn, Angela Merkel, promovierte Physikerin, trägt 17, der Dalai Lama bekam 43 verliehen, den Weltrekord mit 150 hält laut Wikipedia der US-amerikanische Theologe Theodore Hesburgh (1917-2015) – und eine der jüngsten oder vielleicht sogar die jüngste Person überhaupt, der ein Ehrendoktor verliehen wurde, ist seit kurzem die Klimaaktivistin Greta Thunberg. Die 2009 gegründete, relativ kleine belgische Universität Mons mit 9.000 Studierenden ehrte Greta Thunberg am 10. Oktober 2019 mit dem Ehrendoktor. Greta Thunberg, die nicht in Mons anwesend sein konnte, bedankte sich sogleich über die sozialen Netzwerke bei der Universität. Auf Instagram erklärte sie, sie sei "very hon­ored and greatful for this title".

Ob es sich bei dem honoris causa verliehenen Doktorgrad nur um einen "title" oder um einen akademischen Grad handelt, ist in Deutschland umstritten. Anders als vieles andere im Leben kostet die Ehrendoktorwürde, zumindest in Deutschland, nichts – weder den Geehrten noch die Hochschule. Dass sich Hochschulen gerne mit den Geehrten schmücken und beide Seiten die Ehrung für die eigene Reputation auch nutzen, ist nichts Ehrenrühriges, sondern (jedenfalls regelmäßig) gefahrlose Nebenwirkung.

Kein Novum der Neuzeit

Die Verleihung des Doktor honoris causa ist in Deutschland eine von einer wissenschaftlichen Hochschule verliehene Ehrung. Ein Novum der Neuzeit ist der Dr. h.c. nicht. Neu scheint die Häufigkeit, mit der in jüngerer Vergangenheit Ehrendoktorwürden vergeben werden ebenso wie die Vielzahl der Verleihungen an einzelne Personen: So erhielt Nelson Mandela zum Beispiel an einem einzigen Tag im Buckingham-Palast ein "honorary degree" von gleich acht britischen Universitäten, und auch die Ehrendoktorwürden von Altkanzler Helmut Schmidt mit 27 und Helmut Kohl mit mehr als 30 sind multiplex und führen zur Abkürzung eines Dr. h.c.mult.

Im internationalen Vergleich wird die Verleihung durch deutsche Hochschulen eher zurückhaltend vorgenommen. Wann die erste deutsche Ehrenpromotion stattfand, ist nicht sicher. In einer Quelle der Universität Heidelberg findet sich das Jahr 1786. Die Universität Oxford war in den 1470er Jahren nach Überlieferungen die erste in Europa, die einen Ehrendoktor verlieh – an Lionel Woodville, den Schwager von König Eduard IV. Damals geschah dies, um die Gunst eines Mannes mit großem Einfluss zu erhalten. Die Gründe, weshalb die Universitäten heute den Ehrendoktor verleihen, sind vielfältig.

"Die belgische Universität Mons begründete die Verleihung des Ehrendoktors an Greta Thunberg mit ihrer 'Standhaftigkeit und Aufrichtigkeit'."

Die belgische Universität Mons begründet die Verleihung des Ehrendoktors an Greta Thunberg mit ihrer "Standhaftigkeit und Aufrichtigkeit". Man wolle hervorheben, wie wichtig die Jugend für die globale Energiewende sei. Zwar hat sich der Kreis der Ehrendoktoren auch in Deutschland längst über den der forschenden Wissenschaftler hinaus ausgeweitet und umfasst (ehrenwerte) Persönlichkeiten und deren besondere Verdienste in unterschiedlichen Bereichen. Die Anforderungen an den Ehrendoktor sind naturgemäß andere als im ordentlichen Promotionsverfahren. Dennoch – und nicht zu Unrecht – verlangt der Ehrendoktor in Deutschland häufig nach wissenschaftlicher oder zumindest der Wissenschaft verbundener Leistung.

Rechtliche Grundlagen

Die materiellen Voraussetzungen und Verfahrenserfordernisse zur Verleihung eines Doktorgrades ehrenhalber finden sich nur selten in den Landesgesetzen, sondern sind den Promotionsordnungen der einzelnen Fakultäten überlassen (siehe § 38 Abs. 2 S. 3 LHG BW; § 24 Abs. 5 S. 2 HHG; § 67 Abs. 3 S. 6 HG NRW; § 69 Abs. 3 S. 2 SHSG; § 54 Abs. 3 S. 1 Schl.-H. HSG und § 61 Abs. 2 S. 2 ThürHG). Teilweise wird, wie in Paragraph 31 Absatz 1 Satz 3 Brandenburgischen Hochschulgesetzes, in den Landesgesetzen nur das Recht zur Verleihung der Doktorwürde ehrenhalber ausgesprochen und Artikel 67 Satz 3 des Bayerischen Hochschulgesetzes etwa regelt nur die Form, in der "ehrenhalber verliehene akademische Grade" zu führen sind. Nur wenige Landesgesetze bestimmen selbst die materiellen Voraussetzungen für die Verleihung des Ehrendoktors: Mit der Verleihung sollen Personen gewürdigt werden, die sich "besondere wissenschaftliche Verdienste" (siehe § 35 Abs. 7 BerlHG sowie § 43 Abs. 3 S. 3 LHG MV, der dies für die Promotionsordnungen vorgibt) oder "besondere Verdienste um Wissenschaft, Technik, Kultur oder (und) Kunst" erworben haben (siehe § 40 Abs. 9 S. 2 SächsHSFG und § 18 Abs. 4 S. 2 HSG LSA).

Ebenso wie die zuletzt genannten Landesvorschriften stehen auch in den Regelungen zahlreicher Promotionsordnungen nicht die Ehrung einer Persönlichkeit und ihre Stellung in der Öffentlichkeit im Zentrum, sondern die besonderen wissenschaftlichen Leistungen eines Geehrten, der durch seine Leistungen angestoßene wissenschaftliche Diskurs oder auch sein persönlicher Bezug zu der betreffenden Hochschule. So legt Paragraph 21 Absatz 1 der Promotionsordnung der Universität Heidelberg für die Juristische Fakultät (vom 25.5.2016) fest, dass der Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften ehrenhalber für "hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet des Rechts und seiner Grenzgebiete" verliehen werden kann. Paragraph 26 Absatz 1 der Promotionsordnung der TUM (vom 1.9.2013) bestimmt unter Hervorhebung des Ehrendoktors als eine seltene Auszeichnung, dass dieser an Persönlichkeiten verliehen werden kann, "die außergewöhnliche wissenschaftliche, technische, medizinische und künstlerische Leistungen hervorgebracht haben". Paragraph 19 Absatz 1 Satz 1 der Promotionsordnung der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der RWTH Aachen (vom 07.09.2018) verlangt darüber hinaus einen Bezug zum Betätigungsbereich der Hochschule und macht zur Bedingung, dass die Verleihung der Ehrenpromotion an Personen erfolgt, "die auf einem von der RWTH gepflegten Gebiet hervorragende persönliche, wissenschaftliche, technische oder künstlerische Leistungen aufweisen".

Voraussetzungen und Inter­pretationsspielraum

Ebenso wie die eigenverantwortliche Gestaltung des Promotionsverfahrens als Ausfluss des Kernbereichs wissenschaftlicher Autonomie seit jeher zu den bedeutendsten Privilegien der Universität gehört, gehört auch das Ehrenpromotionsverfahren zum Eigenverantwortungsbereich der Universitäten. Die Universitäten sind grundsätzlich berechtigt, eigenständig und ohne staatliche Einwirkung die Voraussetzungen für eine Ehrenpromotion allgemein festzulegen und zu beurteilen, ob die Leistungen des zu Ehrenden die vorausgesetzten Merkmale erfüllen. Diese Interpretation erfolgt regelmäßig durch die das Promotionsverfahren im Einzelfall durchführende Fakultät und bedarf in Ansehung der Promotionsordnung einer entsprechenden Begründung.

Im Fall der Ehrendoktorwürde an Edward Snowden verkannte die Philosophische Fakultät der Universität Rostock nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Schwerin die engen gesetzlichen Vorgaben zur Verleihung der Ehrendoktorwürde (siehe VG Schwerin, Urteil vom 15.06.2016 – 1 A 2088/15 SN). Snowdens Sensibilisierung der Welt für Massenüberwachung und die – wie seitens der Fakultät begründete – gesellschaftliche und politische Bedeutung seiner Enthüllungen können, so das Gericht, nicht als "besondere wissenschaftliche Leistungen" (siehe § 43 Abs. 3 S. 3 LHG MV) anerkannt werden.

"Im ungünstigsten Fall existieren 15 verschiedene Promotionsordnungen mit
15 verschiedenen Kriterien."

Da die inhaltliche Gestaltung der Promotionsordnung oftmals den Fakultäten obliegt, kann dies bedeuten, dass bei einer Universität mit beispielsweise 15 Fakultäten 15 verschiedene Promotionsordnungen mit im ungünstigsten Fall 15 verschiedenen Kriterien zur Verleihung eines Ehrendoktors existieren, die zudem nach eigener Fasson der jeweiligen Fakultät interpretiert werden. Dies lässt für Außenstehende die Verleihung eines Ehrendoktors oftmals nicht nachvollziehbar und schon aus diesem Grund kritikwürdig erscheinen. Die wissenschaftlichen Hochschulen sind daher gut beraten, wenn sie Kriterien festschreiben, die quantifizierbar und messbar sind. Einen Bewertungsspielraum soll und wird es dabei immer geben. Doch gerade weil für die Verleihung des Doktor honoris causa keine Prüfung und keine Gutachten vorausgesetzt werden, können eine universitäre Gesamtstrategie und die Verständigung auf möglichst einheitliche Bewertungsansätze dazu beitragen, einem Reputationsverlust der Ehrenpromotion entgegenzuwirken.

"Die Hochschulen sind gut beraten, wenn sie Kriterien festschreiben, die messbar sind."

Neben der Würdigung für ein wissenschaftliches Lebenswerk oder für besondere wissenschaftliche Einzelleistungen kann ausschlaggebendes Kriterium für eine Ehrenpromotion auch der Anstoß eines wissenschaftlichen Diskurses sein. Die Stellung einer Person in der Öffentlichkeit und ihre besondere gesellschaftliche oder politische Leistung sollten nicht der alleinige Maßstab sein. So "ehrwürdig" viele Leistungen und Verdienste um Universitäten sind, so bedacht sollten die Universitäten auf wissenschaftliche Verdienste der zu ehrenden Person Wert legen. Überspannte Anforderungen sind ebenso fehl am Platz wie "Gastgeschenke" oder zu weiche Kriterien, die zu einer Entwertung der Ehrendoktorwürde führen. Die deutschen Universitäten tun daher gut daran, die Ehrendoktorwürde für nicht mehr aber auch nicht weniger als für eigene wissenschaftliche Verdienste zu verleihen. So ist sichergestellt, dass nicht wie am Southampton College der Long-Island-University in den USA passiert, auch die Muppet Show-Figur Kermit der Frosch eines Tages Doktor honoris causa wird, weil er, so die Begründung des Southampton College, mit seinem Song "It’s not easy being green" viel für die Umweltbewegung getan habe.