Kollegen im Gespräch
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Peer-Review
Wann sich Gutachter von anderen beeinflussen lassen

Viele Wissenschaftler passen ihre Bewertung laut einer Studie an das Urteil von Kollegen an. Gerade Frauen lassen sich verunsichern.

08.05.2019

Kennen Gutachterinnen und Gutachter im Peer-Review-Prozess untereinander ihre Bewertung, beeinflusst das ihre eigene Entscheidung. Viele passen nachträglich ihre Einschätzung an, wie die Studie eines Forschungsteams von der Universität Harvard ergab.

Knapp die Hälfte der untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler änderte nachträglich die eigene Bewertung. In einer Kontrollgruppe, die die Einschätzungen der anderen nicht kannte, war dies nicht der Fall. Im Schnitt änderten die Gutachterinnen und Gutachter ihre Bewertung um einen Punkt in Richtung der Einschätzung der anderen.

"Grundsätzlich ist es gut, die Meinungen anderer in die eigene Einschätzung mit einzubeziehen – insbesondere wenn es sich um Experten handelt", sagte einer der beteiligten Forscher gegenüber dem Magazin "Times Higher Education". Besorgniserregend sei jedoch, dass einige Gruppen sich stärker als andere beeinflussen ließen und das selbst, wenn sie eine vergleichbare Expertise hätten.

In der Studie waren es Frauen, die sich tendenziell eher vom Urteil der anderen leiten ließen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Bewertung nachträglich änderten, sei um rund 13 Prozent höher als jene bei Männern. Das gelte insbesondere für die Frauen, die in männerdominierten Fächern arbeiteten.

Renommierte Wissenschaftler bewerten selbstbewusster

Forschende, die in ihrem Fachgebiet als führend gälten – in der Studie vor allem Männer –, seien dagegen weniger empfänglich für den Einfluss von außen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich verunsichern ließen, sei 24 Prozent niedriger als im Durchschnitt aller Gutachterinnen und Gutachter.

Das Forscherteam der Harvard Universität fand außerdem heraus, dass innerhalb der untersuchten Gruppe die Wahrscheinlichkeit für eine nachträgliche Anpassung mit der Qualität der Anträge steige.

Untersucht wurde für die Studie "Do Experts Listen to Other Experts? Field Experimental Evidence from Scientific Peer Review" das Verhalten von 277 Gutachterinnen und Gutachter von medizinischen Fakultäten in den USA. Sie sollten die Bewerbungen für Förderprogramme bewerten. Die Analyse ist ein Arbeitspapier, an dessen Schluss das Forscherteam darauf verweist, dass sich umfassendere Studie daran anschließen sollten, die mehr Personen disziplinübergreifend untersuchten.

kas