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Studie
Warum Frauen den Wettbewerb meiden

Frauen gehen anders mit Konkurrenzsituationen um als Männer. Was ist der Grund dafür?

Obwohl sich in Deutschland seit 1996 der Anteil von Frauen an der Gesamtzahl der Erstimmatrikulationen von 47,9 Prozent auf 50,2 Prozent, der Studienabschlüsse von 41,6 Prozent auf 50,5 Prozent, der Promotionen von 31,1 Prozent auf 44,7 Prozent und der Habilitationen von 12,9 Prozent auf 28,4 Prozent erhöht hat,  schlägt sich dies weder im Anteil von Frauen in Top‐Management Positionen der größten deutschen Unternehmen noch im Anteil weiblicher Professoren nieder.

So betrug der Anteil von Frauen in den Vorständen der 106 börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen in Deutschland im Jahr 2016 ca. 6,6 Prozent, ein Wert, der sich über die vergangenen Jahre – trotz Einführung einer gesetzlichen Frauenquote für die Aufsichtsräte dieser Unternehmen – kaum verändert hat. Der Anteil der C4-/W3-Professorinnen beträgt derzeit ca. 18,4 Prozent. Er ist somit seit 1996 um immerhin 13,3 Prozentpunkte gestiegen, liegt aber dennoch deutlich unter dem Anteil von Frauen an der Gesamtzahl der Habilitationen.

Präferenz zur Vermeidung

Natürlich gibt es eine Vielzahl möglicher Gründe, warum Frauen weniger in den Top-Positionen in Wissenschaft und Wirtschaft zu finden sind: Unvereinbarkeit von Familie und Beruf, Diskriminierung bei der Besetzung von Stellen oder bei Beförderungsentscheidungen sowie Unterschiede in persönlichen Präferenzen bezüglich der Berufswahl.

Insbesondere Unterschiede in den Präferenzen von Männern und Frauen im Hinblick auf die Teilnahme an Wettbewerben können als einer der Hauptgründe für den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen aufgeführt werden.

So haben verschiedene Studien gezeigt, dass Frauen im Vergleich zu Männern Wettbewerbssituationen häufiger vermeiden: In einem von Niederle und Vesterlund (2007) durchgeführten Laborexperiment wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten, einfache Additionsaufgaben zu lösen. Es zeigten sich hierbei keine Leistungsunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Probanden. In einem erneuten Durchgang konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann wählen, ob sie für jede von ihnen korrekt gelöste Aufgabe bezahlt werden wollen (Stücklohn) oder ob sie eine vierfach höhere Entlohnung pro gelöster Aufgabe erhalten wollen, wenn sie die meisten Aufgaben in einer Vierergruppe gelöst haben, sonst aber leer ausgehen (Wettbewerbslohn). Es zeigte sich, dass Frauen deutlich seltener die Wettbewerbsentlohnung wählen als Männer. Selbst die leistungsstärksten Frauen scheuen dabei häufiger vor der Wettbewerbssituation zurück als die leistungsschwächsten Männer – und schaden sich damit selbst durch eine niedrigere Entlohnung.

Da Führungspositionen in Wirtschaft und Wissenschaft meist intensive Konkurrenz‐ und Wettbewerbssituationen mit sich bringen, könnten diese Positionen für Frauen mit einer Präferenz zur Vermeidung von Wettbewerb demnach als wenig attraktiv erscheinen. Dies führt im Ergebnis zu einer Selbstselektion von Frauen in andere, weniger wettbewerbsintensive Berufe oder zu schwächeren Anreizen, sich um kompetitive Spitzenpositionen im jeweiligen Bereich zu bewerben.

Teilweise sozialisationsbedingte Unterschiede

Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Bereitschaft, sich Wettbewerbssituationen zu stellen, scheinen zumindest teilweise sozialisationsbedingt und kehren sich in matrilinearen Gesellschaften um: Gneezy, Leonard und List (2009) untersuchten die Wettbewerbsfreude unter Mitgliedern einer ausgeprägt patriarchalisch organisierten Gesellschaft, den Massai in Tansania,  und unter den Mitgliedern einer matrilinear organisierten Gesellschaft, den Khasi in Indien, anhand eines identischen Experiments. Die Ergebnisse zeigen, dass in der patriarchalisch organisierten Gesellschaft Männer deutlich häufiger den Wettbewerb wählten als Frauen, während sich dieses Muster in der matrilinearen Gesellschaft umkehrte.

Dies legt die Vermutung nahe, dass weibliche bzw. männliche Rollenmodelle einen Einfluss darauf haben könnten, wie sich die Geschlechter im Hinblick auf Wettbewerbssituationen, die häufig auf den Gewinn von sozialem Status, Macht oder Prestige abzielen, positionieren. Während in patriarchalisch organisierten Gesellschaften Führungspositionen und Entscheidungsmacht auf das männliche Geschlecht konzentriert sind, übernehmen Frauen in matrilinearen Gesellschaften häufiger dominante Positionen.
Rollenmodelle

Präferenzen sind durch Rollenmodelle veränderbar

Die höhere Wettbewerbsbereitschaft von Männern manifestiert sich bereits im frühen Kindesalter. So weisen Sutter und Rüttler (2010) bereits unter Dreijährigen Probanden nach, dass sich Jungen häufiger für die Teilnahme an einem Wettbewerb entscheiden als Mädchen. Somit stellt sich die Frage, ob diese Präferenzen später noch durch Rollenmodelle veränderbar sind. Um dieser Frage nachzugehen, haben wir eine experimentelle Studie durchgeführt, in der wir untersuchen, ob die Präsentation von kompetitiven weiblichen Rollenmodellen die Entscheidungen von Frauen für oder gegen die Teilnahme am Wettbewerb beeinflussen kann.

Tatsächlich zeigen die Ergebnisse in Meier, Niessen-Ruenzi, und Ruenzi (2017), dass Frauen signifikant häufiger den Wettbewerb wählen, wenn sie zuvor ein Video über eine erfolgreiche und kompetitive weibliche Person gesehen haben, an deren Verhalten sie sich orientieren können. Im Gegensatz dazu verschärfte sich das Vermeidungsverhalten weiblicher Probanden im Hinblick auf die Teilnahme am Wettbewerb, wenn eine kompetitive männliche Person präsentiert wurde. Vielversprechend ist in diesem Kontext insbesondere der Befund, dass die leistungsfähigsten Frauen am stärksten von weiblichen Rollenmodellen in ihrer Entscheidung für die Teilnahme am Wettbewerb beeinflusst werden.

Verbesserungsvorschläge

Was kann man nun in der universitären Praxis tun, um Frauen die Scheu vor Wettbewerbssituationen zu nehmen? Leider legen die eingangs erwähnten Zahlen nahe, dass es in der Wissenschaft immer noch wenige sichtbare weibliche Rollenmodelle wie z.B. C4-/W3-Professorinnen gibt. Ein wichtiger Schritt besteht deshalb nach wie vor darin, in den Bestrebungen zu einer Erhöhung des Frauenanteils unter den Professoren und in den Leitungspositionen der Wissenschaftseinrichtungen nicht nachzulassen.

Gleichzeitig gibt es aber eine ganze Reihe weiterer einfacher Wege: bevorzugte Einstellung weiblicher Übungsleiter insbesondere auch in den quantitativ orientierten Fächern (natürlich bei gegebener Qualifikation), Gastvorträge erfolgreicher Frauen aus der Berufspraxis sowie Verweise auf die Arbeiten von Wissenschaftlerinnen in Vorlesungen, und als Kernliteratur für Seminare und Masterarbeiten können Studentinnen positive Rollenmodelle vorführen. Eine ähnliche Rolle für Nachwuchswissenschaftlerinnen können Vorträge von weiblichen Wissenschaftlerinnen in Forschungsseminaren spielen, deren Einladung Universitäten z.B. durch finanzielle Anreize auf einfache Weise fördern könnten.