Ein Mensch mit einem Kopf aus verwirrten Gedanken sitzt verzweifelt vor einem Laptop (Symbolbild für Technostress).
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Technostress
Wenn Technologien stressen

US-amerikanische Lehrende fühlen sich von digitalen Technologien im Hochschulunterricht überlastet. Dies geht aus einer neuen Befragung hervor.

04.09.2024

Lehrende an US-amerikanischen Hochschulen leiden unter den digitalen Technologien, die sie im Unterricht und in der Betreuung der Studierenden verwenden. Sie fühlen sich überarbeitet und emotional verausgabt. Fast die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben dies bei einer Befragung angegeben, über die zunächst das Onlinemagazin "Times Higher Education" berichtet hat. 80 Prozent beschrieben, aufgrund der technischen Mittel stets den Eindruck zu haben, bei der Arbeit zu sein. Das teilte das "College Innovation Network" (CIN) in seinem im August veröffentlichten Report mit. 64 Prozent der Befragten merkten demnach an, dass sie durch die Technologien nur schwer Abstand von Studierenden und ihrer Arbeit nehmen könnten.

Digitale Technologien in der Lehre

Digitale Technologien haben seit der Corona-Pandemie in der Lehre stark zugenommen: Zunächst eingesetzt, um die Distanzlehre zu ermöglichen, ist der Bedarf an hybrider und asynchroner Studienangebote nach wie vor hoch, so der Report. Das Aufkommen von "Large Language Models" wie ChatGPT hat demnach den Anteil digitaler Technologien weiter vergrößert. So nutzt gut die Hälfte der Lehrenden künstliche Intelligenz (KI) in der Lehre und gehen davon aus, dass die Erfahrung der Studierenden durch KI bereichert wird, wie die Befragung bestätigte. Eine fast ebenso große Gruppe nutze KI nicht. Diese Unterschiede sorgten dafür, dass nicht alle Studierenden gleichsam auf die Technologien vorbereitet würden.

Über 90 Prozent aller Lehrenden glaubten, dass digitale Technologien in der Lehre der Zukunft noch präsenter würden. Allerdings seien nur etwas mehr als 30 Prozent der Meinung, dass sich die Hochschulbildung mit ihrem Fokus auf Technologien in der Lehre in die richtige Richtung entwickle.

Was Institutionen gegen Technik-Aversion tun können

Die Ablehnung von technischen Mitteln sei teilweise dadurch begründet, so die Autorinnen und Autoren des Reports, dass die Hochschulverwaltung die Entscheidung über ihre Nutzung träfe, ohne Rückmeldungen der Lehrenden einzuholen. Diese fühlten sich vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen.

Um einer Ablehnung entgegenzuwirken, empfiehlt der Report, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende über die Anschaffung und Nutzung digitaler Technologien mitentscheiden und bei der Nutzung angeleitet werden sollten. Auch sollten sie Unterstützung dabei bekommen, Arbeits- und Privatleben getrennt zu halten.

Weitere Forschung zu Technostress am Arbeitsplatz

Bereits 2021 haben britische Forschende der Organisation "Education Support" untersucht, wie es um die Gesundheit von Hochschulangestellten steht. Auch in dieser Erhebung ist deutlich geworden, dass mit über 65 Prozent ein Großteil der Befragten sich mindestens einmal pro Woche durch ihre Arbeit emotional verausgabt fühlte. Befragte haben etwa angegeben, so die Forschenden, dass es einen großen Teil ihrer Zeit beanspruche, sich in neue Technik einzuarbeiten.

In Deutschland haben Forschende des "Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung" (ZEW), der Universitäten Konstanz und Edinburgh in einer im Juli veröffentlichten Studie untersucht, welche Konsequenzen die Digitalisierung für die Arbeitswelt hat. In allen Bereichen sei festzustellen, dass Komplexität und Leistungsdruck durch digitale Technologien zunähmen. Besonders betroffen seien Beschäftigte in bisher technikfernen Berufen. Wie digitale Technologien Stress hervorrufen, haben Forschende des "Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik" (FIT) bereits 2020 ermittelt. Als Hauptfaktoren machten sie aus, dass die Leistung stärker überwacht werden könne und die Privatsphäre eingeschränkt würde.

Wer steht hinter dem Report? 

CIN ist ein Zusammenschluss von Hochschulorganisationen, der sich mit den aktuellen Herausforderungen der Hochschullehre auseinandersetzt. Es ist an der Western Governors University in Utah angesiedelt, die selbst nur Onlinelehre anbietet. 

Im November 2023 hat CIN für den nun veröffentlichten Report etwa 360 Lehrende an verschiedenen US-amerikanischen Hochschulen befragt, darunter sowohl solche, die ausschließlich Onlineveranstaltungen anbieten ebenso wie solche, die nur in Präsenz unterrichten.

cpy