Professor im Hörsaal.
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Akademische Arbeitswelt
Wie attraktiv ist Deutschland für Forschende?

Eine Studie hat die Attraktivität europäischer Wissenschaftsstandorte verglichen. Karrierewege und die Bezahlung der Forschenden unterscheiden sich.

29.03.2023

International hat die wissenschaftliche Laufbahn ihren hohen Status eingebüßt. Sie wird nicht mehr als stabiler Karriereweg betrachtet oder als solcher, der gesellschaftliches Prestige liefert. Vor diesem Ausgangspunkt hat ein deutsch-italienisches Forschungsteam vergleichen, wie sich die Attraktivität von Wissenschaftsstandorten in Europa unterscheidet. Die Ergebnisse sind am 15. März in der „Research and Occasional Papers Series“ des Center for Studies in Higher Education der Universität Berkeley erschienen.

Die Bezahlung sieht das Team als einen der Hauptfaktoren für die Attraktivität von Wissenschaftsstandorten. Da der Markt für gut ausgebildete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler global sei, sei zu erwarten, dass sich die Arbeitsbedingungen anglichen. Dies sei allerdings nicht so: Allein innereuropäisch gebe es zwischen den Arbeitsbedingungen für Forschende und Lehrende in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien deutliche Unterschiede. Trotzdem hätten die in einem Land bezahlten Gehälter einen Einfluss auf die Konditionen an Wissenschaftsstandorten in anderen Ländern. Forschende versuchen demnach dort eine Anstellung zu finden, wo die Arbeitsbedingungen und Bezahlung am besten sind. Dadurch entstünde ein Wettbewerb um Talente.

Professorengehälter im europäischen Vergleich

In allen vier untersuchten Ländern erfolgt die wissenschaftliche Karriere in drei Stufen, beispielsweise in Deutschland als W1-/Junior-Professur, W2- und W3-Professur. Das Gehalt werde mit Ausnahme von Italien, wo es nur ein fixes Grundgehalt gebe, meist als Zusammensetzung eines festen Satzes und einer variablen Komponente gezahlt. Sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien könnten Bewerberinnen und Bewerber mit den Hochschulen über ihre Gehälter verhandeln. Im Vergleich seien die Professorengehälter in Großbritannien und Deutschland auch am höchsten. Italien habe ein niedriges Gehaltslevel und ermögliche keine Zusatzzahlungen.

Italien ist laut der Studie entsprechend ein vergleichsweise weniger attraktiver Standort für Forschende: Die Universitäten seien unterbesetzt, weil sie nicht genug Bewerberinnen und Bewerber anlocken können. Das Verhältnis von wissenschaftlichen Beschäftigten zu Studierenden sei mit 33 sehr hoch. In Frankreich liege dieses bei 20 und in Deutschland und Großbritannien jeweils bei unter 13. Neben hohen Gehältern seien weitere Faktoren, die einen guten Wissenschaftsstandort ausmachten, eine Balance von Studierenden und Forschenden sowie Lehrenden und ein nicht allzu hohes Durchschnittsalter, in dem Forschende zu W2- oder W3-Professorinnen und -Professoren werden. Auch dieses Alter ist in Italien hoch: Laut Studie liegt es bei 52 und 58 Jahren, in Frankreich etwa bei 34 und 54 Jahren.

Wissenschaftsstandort Deutschland im Vergleich nicht schlecht

Während in Deutschland und Großbritannien die Gruppe der wissenschaftlich Angestellten der Universitäten in den vergangenen zehn Jahren prozentual angewachsen sei, und dadurch die Chancen einer Karriere in der Wissenschaft stiegen, sei dies in Frankreich und in Italien nicht der Fall. In Frankreich und Italien sei die Wissenschaft ein schrumpfender Sektor. Gerade in Italien komme es zu einer massiven Abwanderung von gut ausgebildeten Forschenden. Dazu komme, dass das italienische System stark in sich geschlossen sei, so dass kaum Externe aufgenommen würden.

Auch das deutsche System sei geschlossen: Lehrstuhlinhaber rekrutierten ihre Doktoranden oft aus den eigenen Studierenden, Postdocs aus den eigenen Doktoranden. Laut den Studienautoren hielten unbeabsichtigte und kaum merkliche Barrieren Kandidaten aus anderen Ländern und Wissenschaftssystemen häufig ab – etwa die Erwartung einer Habilitation als Qualifikation für die Professur. Allerdings sei die deutsche Forschungslandschaft vor allem durch die hohen professoralen Gehälter bei nationalen Kandidaten attraktiv. Auch bemühe sich Deutschland beispielsweise durch die Exzellenzinitiative um mehr internationale Sichtbarkeit und dadurch Attraktivität für internationale Forschende. Was die Studie allerdings nicht betrachtet und international vergleicht, ist, welche Zugangshürden auf dem Weg von der Promotion bis zur W1-Professur bereits überwunden werden mussten, die die Problematik wissenschaftlicher Karrieren in Deutschland stark beeinflussen.

Die Fallstudien wurden an staatlichen Universitäten in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien durchgeführt. Diese stellen die größten wissenschaftlichen Arbeitsmärkte in Europa dar und haben so einen großen Einfluss auf und Aussagekraft über die Attraktivität der akademischen Arbeitsmärkte in Europa.

cpy