

Wissenschaftskommunikation
Wie Forschende LinkedIn für sich nutzen können
Auf der Suche nach einem Ersatz für die Social-Media-Plattform "X" entdecken viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland "LinkedIn" für die Wissenschaftskommunikation. Die meisten Nutzerinnen und Nutzer dieser Plattform sind ungeachtet der Branche nicht mehr ausschließlich damit beschäftigt, die eigene Karriere voranzutreiben, sondern wollen sich austauschen, vernetzen und informieren. Die Wissenschaftscommunity teilt Projekte, Paper und Konferenzen und diskutiert Neuigkeiten aus der Politik. Posts werden gelikt und kommentiert. Mehr und mehr Forschungseinrichtungen haben erfolgreiche Accounts.
Das Statistische Bundesamt ging im Oktober dieses Jahres von 24 Millionen registrierter Nutzerinnen und Nutzer allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. Forschungsergebnisse und Ideen können auf LinkedIn nicht nur mit den eigenen Kontakten geteilt, sondern auch darüber hinaus verbreitet werden. Wissenschaftsthemen erreichen auf LinkedIn eine größere Sichtbarkeit als beispielsweise auf der Plattform "X", dem früheren "Twitter", berichtet Julia Wandt. Sie ist seit über zehn Jahren bei der Plattform registriert. Wissenschaftskommunikatorin Wandt und der Wissenschaftler Dr. Albrecht Vorster haben "Forschung & Lehre" berichtet, was sie an dem Netzwerk schätzen.
Vorteile von LinkedIn für die Wissenschaftskommunikation
LinkedIn biete viele Möglichkeiten für die Wissenschaftskommunikation. Zunächst einmal seien deutlich längere Texte erlaubt als etwa bei "X". Die meisten Nutzerinnen und Nutzer verwenden Klarnamen und geben ihren Arbeitgeber an, erläutert Wandt. Kommentare würden deutlich respektvoller und höflicher verfasst, da sich die Verbreiter von Onlinehass weniger hinter anonymen Profilen verstecken könnten. Die Wissenschaftscommunity sei auch sehr wohlwollend und halte nicht mit Anerkennung zurück.
Für Dr. Albrecht Vorster, der am Universitätskrankenhaus Inselspital in Bern an der Verbesserung des Schlafes von Krankenhauspatientinnen und -patienten forscht, ist LinkedIn spannend, weil er als Firmenconsultant auch im Zwischenbereich von Wissenschaft und Wirtschaft tätig sei. Er nutze die Plattform seit drei bis vier Jahren auch um auf dem Laufenden zu bleiben, hauptsächlich aber, um seine wissenschaftliche Arbeit mit der Öffentlichkeit zu teilen.
Tipps zum Start auf der Karriereplattform
Wer neu bei LinkedIn einsteigen oder einen existierenden Account künftig für die Wissenschaftskommunikation nutzen will, sollte langsam anfangen und sich umschauen. Erstmal solle man beobachten, wie das Netzwerk funktioniert, so Vorster. So lerne man die Erwartungen der anderen kennen und verstehe, wie Posts gestaltet sein sollten, damit sie gelesen werden.
Neulinge könnten schnell ein Netzwerk aufbauen, indem sie ihre Kolleginnen und Kollegen finden, so Wandt. Es sei ebenfalls eine gute Idee, einschlägigen Fachgesellschaften zu folgen, erläutert Vorster. Wandt empfiehlt allerdings, nicht jede Anfrage von anderen anzunehmen, vor allem, wenn sie keinen Bezug zu den eigenen Themen haben und die Kontaktanfrage scheinbar beliebig war. "Man sollte sich nur mit Menschen vernetzen, die man – zumindest des Namens nach – kennt, oder von denen man weiß, dass sie sich mit Themen beschäftigen, die einen interessieren", sagt die Wissenschaftskommunikatorin. Sonst werde das Netzwerk, das man aufbaut, nicht stabil und enthalte nicht hauptsächlich die Menschen, die man auch als Zielgruppe erreichen möchte. Auch könne man so am ehesten kontrollieren, dass der Algorithmus einem interessante und vor allem relevante Inhalte zuspielt, so Vorster.
"Man muss selbst aktiv werden, also posten, liken und kommentieren oder teilen." Julia Wandt
Nach der ersten Beobachtungszeit "muss man selbst aktiv werden, also posten, liken und kommentieren oder teilen", erläutert Wandt. Dabei sei es wichtig, authentisch zu bleiben, ergänzt Vorster. Man solle die Posts anderer nur kommentieren, wenn man auch wirklich etwas beitragen könne, vielleicht mit einem weiterführenden Gedanken oder einer Forschungserkenntnis.
Welche Posts auf LinkedIn Erfolg versprechen
Die eigene Forschung könne man sichtbar machen, indem man etwas Visuelles wie ein Schaubild oder eine Grafik aus einem Paper teile. Auch Fotos von Konferenzen oder Panels kämen gut an, berichtet Vorster. Es sei am spannendsten für andere, wenn man zusammen mit dem visuellen Element einen Eindruck teilt. "Leute folgen, wenn es etwas Neues gibt", so Vorster. Man könne etwa berichten, welches "Learning", also welche kleine Erkenntnis, man von der Konferenz oder Veranstaltung mitgenommen habe. Er teile gerne kleine "Aha-Schnipsel" aus seiner Arbeit, etwa eine Zusammenstellung von Tipps dazu, was Schnarcher gegen ihr Schnarchen tun könnten. Seiner Erfahrung nach seien Bilder am besten, auf denen Menschen abgebildet sind: "Spontane Selfies werden tatsächlich noch mehr angesehen als hochprofessionelle Portraits." Menschen interessierten sich für andere Menschen, je authentischer desto besser.
"Leute folgen, wenn es etwas Neues gibt." Dr. Albrecht Vorster
Damit die geteilten Texte von möglichst vielen anderen gesehen werden, sei es auch bei LinkedIn ratsam, auf klare, kürzere Beiträge zu setzen, da die Leserschaft sonst schnell weitergescrolle. Weniger sei mehr, stimmt Wissenschaftskommunikatorin Wandt zu. Die Zielgruppe erhalte bereits viel Kommunikationsinput und wäre überfordert, wenn man dreimal am Tag neue Inhalte teile.
Auch die richtige Uhrzeit des Posts spiele eine Rolle, erläutert Vorster. Neue Inhalte sollten zu Zeiten erscheinen, zu denen die Zielgruppe online ist, am besten am Vormittag. Das kann man anhand der Statistiken analysieren, die LinkedIn selbst anbietet. Aber Vorsicht: Sowohl Vorster als auch Wandt warnen vor zu viel Ehrgeiz und Verbissenheit. LinkedIn ergebe nur Sinn, wenn man Spaß dabei hat. Es wirke schnell unangenehm, so Vorster, wenn Leute sehr zielgerichtet vorgehen und es ihnen erkennbar nur um Klicks und Kommentare, nicht um Inhalte ginge. Auch für Wandt muss die Freude an der Kommunikation an der ersten Stelle stehen. Sie selbst sei auf LinkedIn quasi "nebenbei" aktiv. Sie schaue im Verlauf eines Tages immer mal wieder selbstmotiviert in die App. Es fühle sich nicht wie eine zeitliche Belastung an. Es sei interessant, was sie über das Netzwerk an Nachrichten aus und über die Wissenschaft und die Wissenschaftspolitik erhalte. Früher hätte sie diese Informationen bei "Twitter" gefunden.