Close up von Mann und Frau, die beim Spaziergang im Wald Hände halten
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Dual Career
Wie Hochschulen Forscher-Paare unterstützen

Wie können zwei Partner in der Wissenschaft Karriere machen? Hochschulen können die Vereinbarkeit von Beruf, Partnerschaft und Familie fördern.

Von Kerstin Melzer 21.03.2022

Um das Thema Dual Career an Hochschulen ist es in den Medien in den letzten Jahren ruhig geworden. Ist die Unterstützung während der Pandemie eingeschlafen? Hat sich schließlich gezeigt, dass diese Bemühungen nichts bringen? Mitnichten! Es ist an der Zeit, die Bestandsaufnahme zu aktualisieren.

Die gute Nachricht vorweg: Die Dual Career Unterstützung in Wissenschaft und Forschung ist weiterhin lebendig. Noch immer gibt es Hochschulen, die in die Dual Career Unterstützung neu einsteigen oder diese ausbauen. Zudem sind weitere regionale Dual Career Netzwerke entstanden. So zum Beispiel 2019 das Netzwerk "Dual Career Hamburg + der Norden" oder 2021 das "Dual Career Netzwerk Schwaben". Die Netzwerkaktivitäten machen auch vor Ländergrenzen nicht mehr Halt: Im Rahmen der Internationalen Bodenseehochschule haben sich Hochschulen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich zusammengeschlossen, um gemeinsam ihre Dual Career Entwicklungen voranzubringen.

Diese Entwicklungen hatten zudem Auswirkung auf das Dual Career Netzwerk Deutschland (DCND). Es ist gewachsen und konnte 2021 die 50er-Marke knacken. 40 Universitäten, vier Hochschulen für angewandte Wissenschaften, fünf regionale Dual Career Netzwerke sowie zwei außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sind inzwischen Mitglied im Bundesnetzwerk. Von dem Gründungsmitglied Christian-Albrechts-Universität zu Kiel an der Ostsee bis zum jüngsten Neuzugang der Hochschule Kempten im Allgäu.

Auch qualitativ hat sich die Vernetzung der Dual Career Services weiterentwickelt: Seit 2021 bietet das Bundesnetzwerk seinen Mitgliedern einen Train-the-trainer-Workshop an. Diese Fortbildung liefert den Beraterinnen und Beratern ein kompaktes Grundwissen, womit sie ihre Dual Career Fälle effektiv unterstützen können. Mit diesem Format wurde eine weitere Komponente der Professionalisierung geschaffen. Außerdem ist zu beobachten, dass sich immer mehr Hochschulen für angewandte Wissenschaften sowie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen intensiver mit der Thematik befassen. Die Max-Planck-Gesellschaft hat zum Beispiel zentral eine Position geschaffen, welche die Dual Career Unterstützung in den Instituten vor Ort fördern soll.

"Für Forschungsinstitute war es noch vor wenigen Jahren undenkbar, sich mit Dual Career überhaupt zu befassen."

Für Forschungsinstitute wie für viele kleinere Einrichtungen generell war es noch vor wenigen Jahren aus Kapazitätsgründen undenkbar, sich mit Dual Career überhaupt zu befassen. Dies ändert sich jetzt. Vielerorts werden Wege gesucht und gefunden, wie man auch mit geringen Personalkapazitäten zumindest eine Basisunterstützung anbieten kann. Dazu zählt, eine erste Orientierung über die Lage vor Ort zu geben, Struktur in die vielen offenen Fragen der Dual Career Part­nerinnen und Partner zu bringen und diese zu motivieren, ihre Stellensuche aktiv voranzubringen.

Neues Selbstverständnis der Dual Career Services

Daraus kristallisiert sich ein gestärktes Selbstverständnis der Dual Career Services heraus. Die Vorstellung, sie wären dafür verantwortlich, den Dual Career Partnern eine Stelle zu beschaffen, verblasst allmählich. Stattdessen wird die Verantwortung für den Unterstützungsprozess übernommen und die Rollen- und Aufgabenverteilung zwischen den Beratern und den Partnern transparent geklärt. Um die berufliche Neuorientierung mit geringen Zeitressourcen zufriedenstellend begleiten zu können, braucht es neben dem Erwartungsmanagement die Expertise, wie die Stellensuche mit den vorhandenen Mitteln sinnvoll begleitet werden kann. Die Vernetzung mit anderen Dual Career Kolleginnen und -kollegen hilft dabei enorm. Im Austausch wird nicht nur Know how aufgebaut und weiterentwickelt, sondern er motiviert gleichzeitig die Hochschulen, sich weiter mit der Dual Career Thematik auseinanderzusetzen.

Gerade in den Pandemiejahren boten Netzwerke einen wichtigen Rückhalt. Viele Hochschulen haben erlebt, dass sich Berufungsprozesse verzögerten, da die zu Berufenden noch genauer als zuvor klären wollten, was sie, ihre Partner und Kinder am neuen Standort erwartet. Befragungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zeigen, dass vor allem Frauen in der Wissenschaft mit Familienaufgaben in den Lockdowns hohem Stress ausgesetzt wurden, als Kitas und Schulen schlossen und ambulante Pflege wegfiel. Der Verein "Familie in der Hochschule e.V." hat darauf mit einem Statement zur Corona-Krise reagiert und in Kooperation mit dem CHE Experteninterviews durchgeführt (CHE Public 230). Für Frauen mit Betreuungspflichten, die für eine Professur hätten umziehen müssen, bedeutet diese Belastungssituation eine hohe Hypothek. Hier waren die Dual Career Services ganz besonders gefragt, Informationen zur Lage vor Ort zu liefern, Kontakte zu vermitteln und passgenaue Unterstützungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Die Pandemie brachte allerdings auch positive Veränderungen mit sich: Durch den Einzug von Remote­-Arbeit sind einige Dual Career Partner ortsunabhängig geworden, können für ihre bisherigen Arbeitgeber vom neuen Standort aus weiterarbeiten oder wollen dies zumindest mit ihnen diskutieren. Für manche Tätigkeitsfelder ist daher davon auszugehen, dass in der neuen Stadt nicht zwangsläufig eine neue Stelle mehr gefunden werden muss.

Herausforderungen für Dual Career Paare

Also alles bestens? Noch nicht ganz, denn trotz aller positiven Entwicklungen in der Dual Career Unterstützung bleibt eine große Herausforderung bestehen: Die Fortführung von zwei fortgeschrittenen wissenschaftlichen Karrieren, vor allem auf zwei Professuren, an einem neuen Standort. Viele Hochschulen, insbesondere Universitäten, versuchen zwar vermehrt eigene Angebote zu finden und ihre Handlungsspielräume auszuschöpfen, zum Beispiel indem sie Brückenstellen für die mitziehenden Partner aus nicht besetzten Stellen schöpfen. Doch so richtig befriedigend ist dies für die Beteiligten nicht, und Partnern, deren nächster Schritt zu einer Professur führt, helfen solche Modelle freilich wenig.

Dual Career Paare in der Wissenschaft haben es weiterhin nicht leicht. Dies schlägt sich einerseits darin nieder, dass viele herausragende Forscherinnen  und Forscher das Land verlassen oder ihre akademische Karriere gar abbrechen. Andererseits sind viele Professorinnen und Professoren, deren Partner nicht mit vor Ort sind, auf dem Sprung, eine Professur in der Nähe des Familienstandorts anzunehmen, was Rektorate und Präsidien stark unter Druck setzt.

Um dem Dilemma von begrenzten Ressourcen und Dual Career Förderungen zu entkommen, braucht es daher eine größtmögliche Flexibilität und Kreativität. Hochschulen, Verbünde und die Politik sind gefragt, in Lösungen zu denken und vorhandene Spielräume zu nutzen. Möglichkeiten dazu gibt es auf den verschiedenen Ebenen viele.

Hochschulen können Lösungen schaffen

Hochschulen können zum Beispiel einen Teil der personellen Ausstattung der zu Berufenden einsetzen, um für den dazugehörigen Partner in einem anderen Bereich eine mittelfristige Perspektive zu schaffen. Wichtig ist hierbei, dass die Passung der in Frage kommenden Partnerinnen und Partner von unabhängigen Fachbereichsmitgliedern möglichst neutral, aber durchaus wohlwollend, bewertet werden und ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den zu Berufenden und ihren Partnern vermieden wird.

Außerhalb hochschulinterner Wirkungsbereiche können Hochschulverbünde und -netzwerke diskutieren, welche Finanzierungsmodelle es für sie gibt, um sich wechselseitig bei ihren Dual Career Anliegen zu unterstützen. Auch externe Drittmittelgeber sind gefragt, Förderlinien für Dual Career Partner anzubieten. Wie das funktionieren kann, zeigt der Carl-Zeiss-Stiftungs-Fonds. 2020 integrierte er in sein Förderprogramm zur Berufung internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Dual Career Komponente. Diese ermöglicht unter anderem die Förderung von Brückenstellen für mitziehende Partner – nach externer Begutachtung.

"Das Wissenschaftssystem ist gefragt, sich mit dem Thema Jobsharing auseinanderzusetzen."

Vor allen Dingen ist jedoch die Politik gefragt, flexible Angebote zu schaffen und gleichzeitig Rahmenbedingungen zu verändern. Landesministerien könnten zum Beispiel Pools mit befristeten W2-Professuren für Dual Career Partner auflegen, die Hochschulen beantragen können. Ferner ist das Wissenschaftssystem gefragt, sich mit dem Thema Jobsharing auseinanderzusetzen. Der Wunsch, sich führende Positionen zu teilen, ist inzwischen in der Wissenschaft angekommen und kollidiert hier mit dem Beamtenrecht. Die Fälle von Paaren, die im selben Forschungsgebiet tätig sind und sich vorstellen könnten, sich eine Professur zu teilen, werden sichtbarer. Gleichzeitig steigt die Offenheit von Universitäten, diesen Wunsch als Chance­ zu sehen und Win-win-Situationen herzustellen. Da eine Professur in der Regel jedoch mit einer Verbeamtung nur einer Person auf Lebenszeit einhergeht, ist es im eigentlichen Sinn nicht möglich, diese Position zu teilen. Als Optionen bleiben nur, dass eine Person verbeamtet wird und sich durch die andere Person teilvertreten lässt, oder beide Personen als Angestellte beschäftigt werden. Es bleibt also weiterhin einiges zu tun.