Illustration, die einen kleinen verzweifelten Menschen auf einem riesigen Bürostuhl zeigt.
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Fehlverhalten
Wie integer ist die Welt der Wissenschaft?

Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie geht in einer Umfrage wissenschaftlichem Fehlverhalten nach. Ein Grund sei Konkurrenzdruck.

26.08.2021

Bislang gibt es wenig belastbare Zahlen über die Häufigkeit und den Umfang von Fehlverhalten in der Wissenschaft. Eine neue Umfrage, die das Ombudsgremium der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) unter ihren Mitgliedern durchgeführt hat, liefert einen Überblick über die Anzahl der betroffenen Personen und die Arten des Fehlverhaltens. Juniorprofessor Malte Elson, Professorin Susann Fiedler, Professor Peter Kirsch und Professorin Jutta Stahl berichten in der aktuellen Ausgabe von "Forschung & Lehre" von den Ergebnissen.

Wissenschaftliches Fehlverhalten in Zahlen

65 Prozent der Befragten (876 Personen) gaben laut Umfrage an, in ihrem Berufsleben mindestens eine Form des Verstoßes gegen die wissenschaftliche Integrität erlebt zu haben: Schikanen am Arbeitsplatz, wie etwa einen unangemessenen Umgang oder eine Verhaltensweise, die andere einschüchterten, sie sozial ausschlossen und diskriminierten oder ein wissenschaftliches Fehlverhalten, beschrieben als das bewusste oder grob fahrlässige Angeben von falschen Tatsachen, das Verletzen des Geistigen Eigentums anderer und der Störung ihrer Forschungstätigkeit. 46 Prozent der Befragten (612 Personen) hätten Fehlverhalten selbst erlebt, von diesen hätten 82 Prozent zum Zeitpunkt des Fehlverhaltens noch keine W2- oder W3-Professur, wie das Autorenteam berichtet.

Die direkt von wissenschaftlichem Fehlverhalten Betroffenen und die Beobachterinnen und Beobachter solchen Verhaltens wurden direkt im Anschluss noch detaillierter befragt. Diese Detailumfrage spürte den Arten des Fehlverhaltens genauer nach: 49 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten die vorgesetzte Person als Verursacher angegeben. Zu 60 Prozent habe es sich bei den Schikanen um Machtmissbrauch gehandelt. Von den 323 Personen, die direkt von Fehlverhalten betroffen waren, hätten 45 Prozent (145) angegeben, dass sie zu wissenschaftlichem Fehlverhalten gezwungen worden waren. Immerhin 17 Prozent beschreiben dabei, aus eigener Motivation gehandelt zu haben. Am häufigsten werde als Fehlverhalten beschrieben, dass eine Autorschaft angegeben wurde, ohne, dass von der betroffenen Person ein Beitrag geleistet worden war, zweithäufigstes Fehlverhalten seien Datenmanipulationen gewesen.

Ist das Fehlverhalten systematisch?

Das Ombudsgremium der DGPs deutet die Umfrageergebnisse als Zeichen dafür, dass Verstöße gegen die wissenschaftliche Integrität durch die hierarchischen Strukturen und die Konkurrenz innerhalb des Wissenschaftssystems gefördert werden. Die Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer selbst hatten als wahrgenommene Gründe für das Fehlverhalten genannt, dass es die Karriere befördere und einem externen Druck folge und dass es durch persönlichkeitsbezogene Gründe bedingt werde. Im Bericht fordert das Autorenteam Veränderungen. Die Autorinnen und Autoren schlagen vor, dass Betroffene feste Ansprechpartner an ihren Institutionen erhalten sollten. Darüber hinaus müssten Anreize geschaffen werden, sich dem Fehlverhalten nicht anzuschließen, beispielsweise, indem Personen, die ihre Leistungen auf schikanösem Verhalten gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufbauten, von Führungspositionen ausgeschlossen werden.

Im Sommer 2020 waren alle Mitglieder der DGPs zur Teilnahme an der Umfrage eingeladen worden, zusammen mit den Delegierten von 56 Instituten im Fakultätentag Psychologie, sowie den Leiterinnen und Leitern von 113 psychologischen Arbeitsbereichen an außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Teilgenommen haben an der Umfrage 1.339 Personen. An der im Anschluss stattfindenden detaillierteren Befragung nahmen 722 Personen teil.

cpy