Männlicher Redner hält mit Mikrophon einen Vortrag vor einem sitzenden Publikum
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Karrierepraxis
Wie man das Beste aus Lampenfieber macht

Auch routinierte Wissenschaftler plagt vor wichtigen Auftritten das Lampenfieber. Wie hält man die Aufregung in Schach und nutzt sie zum Positiven?

Von Claudia Spahn 21.10.2020

Lampenfieber hat jede und jeder in der einen oder anderen Form bereits erlebt. Es ist ein natürliches Phänomen, das sich einstellt, wenn wir im Mittelpunkt stehen und uns vor anderen exponieren.

Es gibt Berufsgruppen, für die Auftreten und Erleben von Lampenfieber alltäglich sind. Hierzu zählen in erster Linie Bühnenkünstler – sogenannte performing artists – wie Musikerinnen und Musiker, Schauspielerinnen und Schauspieler, aber auch Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, Politikerinnen und Politiker – um nur einige zu nennen. Für all diese Personengruppen spielt der positive Umgang mit Lampenfieber eine besonders wichtige Rolle.

Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch bezeichnet Lampenfieber alle gesunden Erscheinungsformen auf einem Kontinuum von leistungsförderlich bis leistungsbeeinträchtigend. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Lampenfieber die Konzentration, Präsenz und Expressivität bei einem Auftritt verbessert und im Falle optimaler Ausprägung zu einer Leistungssteigerung führt. Umgekehrt kann es durch Lampenfieber aber auch zu Einschränkungen kommen, wenn zum Beispiel die feinmotorische Kontrolle reduziert ist oder ein Blackout auftritt. Aber nicht nur die Leistung beim Auftritt, auch ob und wie sehr eine Person unter ihrem Lampenfieber leidet, ist ein wichtiges Kriterium im Hinblick auf die Lebensqualität.

Wenn Symptome von Depression und Angst vorliegen, Auftrittssituationen vermieden werden und daraus starke berufliche Einschränkungen resultieren, geht man von einer Behandlungsbedürftigkeit aus und spricht in diesen Fällen von Auftrittsangst.

Die Ausprägung des Lampenfiebers resultiert in jeder Auftrittssituation aus der spezifischen Wechselwirkung intraindividueller Voraussetzungen (allgemeine Ängstlichkeit, aktuelles Befinden, Vorerfahrungen), situativer Faktoren (Auftrittsbedingungen, Publikum) und aufgabenspezifischer Kriterien (Schwierigkeit der Aufgabe, Vorbereitung). Demnach kann auch dieselbe Person Lampenfieber von Auftritt zu Auftritt unterschiedlich erleben. Lampenfieber kann sich mit zunehmender Berufserfahrung verbessern, bleibt jedoch Teil des Auftritts. Dies zeigt das Ergebnis einer Befragung bei 2.536 Orchestermusikern in Deutschland, die Gembris und Heye im Jahr 2012 durchgeführt haben: Alle Rückantworten enthielten die Angabe, "im Konzert erlebe ich regelmäßig Lampenfieber".

Umgang mit Lampenfieber kann erlernt werden

Die bekannten körperlichen Anzeichen des Lampenfiebers wie schnelle Atmung, beschleunigter Herzschlag, Mundtrockenheit, Zittern sowie kalte und schweißige Hände entstehen dadurch, dass der sympathische Anteil unseres vegetativen Nervensystems aktiviert wird. Dabei läuft in unserem Körper ein Programm ab, das noch aus den Zeiten der Menschheitsgeschichte stammt, als wir gegen Säbelzahntiger um unser Überleben kämpfen mussten: Die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin machen uns bereit für Kampf oder Flucht oder führen zu einem Einfrieren. Lampenfieber ist gleichzeitig auch mit dem Erleben von Angst und Unsicherheit verbunden und kann zu kognitiven Beeinträchtigungen führen. Im Englischen werden diese Phänomene unter dem Stichwort der vier Fs – Fright, Fight, Flight, Freeze – zusammengefasst.

"Im Englischen werden diese Phänomene unter dem Stichwort der vier Fs – Fright, Fight, Flight, Freeze – zusammengefasst."

Wie man einen Auftritt optimal vorbereitet und positiv mit Lampenfieber umgeht, kann man lernen. Nicht immer gestaltet sich Lampenfieber hilfreich allein durch zunehmende Berufspraxis und Erfahrung. Denn für eine positive Entwicklung sind Erfolgserlebnisse beim Auftreten wichtig und diese müssen oft aktiv gestaltet werden. Andernfalls wiederholen sich negative Erlebnisse und führen zu Selbstzweifeln und Versagensängsten. Es zeigt sich interessanterweise gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, dass eine Verringerung der sonst hohen Auftrittsfrequenz wegen der Absagen von Konzerten bei Künstlerinnen und Künstlern zu einem vermehrten Erleben von Lampenfieber führen kann.

Im Hochschul- und Wissenschaftsbereich spielt ein professioneller Umgang mit Lampenfieber in Vortragssituationen eine wichtige Rolle und kann an wichtigen Punkten der Karriere entscheidend mitspielen, sei es bei Prüfungen während des Studiums, bei Vorträgen beim Abschluss von Promotionen und Habilitationen sowie bei Tagungen und Kongressen und schließlich bei der Bewerbung um Professuren.

Häufig wird heute noch als Abschluss der Habilitation an Universitäten ein freier Vortrag ohne Hilfsmittel gefordert. Und immer wieder scheitern hier Kandidatinnen und Kandidaten, weil sie einen Blackout haben, und müssen wiederholt antreten. Auch Facharztprüfungen in der Medizin werden häufig nicht aus Wissensmangel, sondern wegen beeinträchtigenden Lampenfiebers nicht bestanden.

Da die Vermittlung von Forschungsergebnissen als sogenannte "dritte Aufgabe" im Wissenschaftsbetrieb immer bedeutsamer wird, müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heute über eine gut ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit verfügen. Es geht zunehmend auch darum, seine Erkenntnisse gut "rüberzubringen" und andere dafür zu begeistern. Dieser Aspekt spielt in der Hochschullehre in der Beziehung zu den Studierenden schon immer eine wichtige Rolle. Auch in Zeiten vermehrten digitalen Lehrens ist die Fähigkeit, optimal und konzentriert präsentieren zu können, von großer Wichtigkeit. Diese Beispiele aus einer Palette an Situationen in Forschung und Lehre sollen zeigen, dass die persönliche Freiheit und die Kommunikation mit den Zuhörenden in der Vortragssituation ein kostbares Gut sind, für deren Umsetzung der optimale Umgang mit Lampenfieber eine Voraussetzung darstellt.

Die Eigenwahrnehmung kann trügen

In der Praxis erscheint es zunächst wichtig, dem Thema Auftrittsvorbereitung Aufmerksamkeit zuzugestehen und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass die Grundkompetenzen des Auftretens erlernbar sind. Es ist wichtig, einen Auftritt als positive Herausforderung zu begreifen und ihm mit Selbstvertrauen entgegenzusehen. Hilfreich kann es dabei sein, nicht nur auf die eigene Person zu fokussieren, sondern sich beispielsweise bei einem Vortrag in den Dienst des Inhalts zu stellen. Jeder Auftritt ist per se als Leistung zu sehen und anzuerkennen. Man sollte deshalb nach dem Auftritt die positiven Aspekte (die es immer wirklich gibt!) würdigen und nicht zu selbstkritisch sein. Denn die Selbstwahrnehmung auf der Bühne trügt: Unerwünschtes ist in unserer Wahr­nehmung wie unter einer Lupe vergrößert, während das Publikum es oft nicht einmal bemerkt.

Darüber hinaus erhöht es die Selbstsicherheit, wenn bei Vorträgen gemeinsam mit dem Inhalt auch die Präsentation desselben vorbereitet wird. Fühlt sich nämlich eine Vortragende oder ein Vortragender auch in der Darbietung sicher, so hat dies positive Effekte auf sein Erleben in der Auftrittssituation. Lampenfieber wirkt dann eher förderlich. Wesentlich für einen gelungenen Vortrag sind rhetorische Elemente wie gute Artikulation, abwechslungsreiche Prosodie (Sprachmelodie) sowie gute Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit. Auch die Präsenz, die durch Körperhaltung und Gestik vermittelt wird, spielt eine wichtige Rolle. Neben dem Training dieser Grundfertigkeiten sind auch Techniken im Umgang mit Lampenfieber hilfreich. Hier bieten sich Atemtechniken an, die einfach und schnell zu erlernen und anzuwenden sind, zum Abschluss ein Beispiel:

Atmen Sie durch die Nase ein und spüren Sie die Einatembewegung bis in den unteren Bauchraum hinein. Atmen Sie durch den Mund aus, indem Sie ein offenes "f" mit den Lippen bilden. Warten Sie vor der nächsten Einatmung auf den natürlichen Einatemimpuls.

Literatur zu Lampenfieber

Gembris, H., Heye, A. (2012) Älter werden im Orchester – Eine empirische Untersuchung. Schriften des Instituts für Begabungsforschung in der Musik (IBFM), Bd. 5

Spahn, C. (2012) Lampenfieber. Handbuch für den erfolgreichen Auftritt. Henschel Verlag, Leipzig