Geschäftsleute werden von großer Hand mit Maßband gemessen
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Karriere
Wie sich die Körpergröße auf den Berufserfolg auswirkt

Größere Menschen haben es auf der Karriereleiter leichter. Sie werden als kompetenter und charismatischer wahrgenommen.

Das Bild von Napoleon Bonaparte als etwas zu kurz geratenem Militär mit überdimensioniertem Zweispitzhut und langem Säbel hält sich hartnäckig. Schon zu seinen Lebzeiten hatte es sich in für die Zeit überraschender Geschwindigkeit in ganz Europa verbreitet. Dieses Bild ist so prägnant, dass Alfred Adler für den Versuch kleingewachsener (vornehmlich) Männer, ihr größenbedingt eingeschränktes Selbstwertgefühl durch Aggressivität, Arroganz und Statussymbole zu kompensieren, die Bezeichnung "Napoleon-Komplex" schuf.

In der Tat ist die Größe einer Per­son eines der ersten Merkmale, welches unseren Eindruck von ihr prägt. Größere Personen werden als mächtiger, dominanter und durchsetzungsstärker wahrgenommen. Daher überrascht es auch nicht, dass das Bild des kleingewachsenen Napoleon, welches tatsächlich eine Erfindung britischer Propaganda war, gerne in ganz Europa übernommen wurde: Ein kleiner Imperator wirkte einfach weniger bedrohlich. Tatsächlich war Napoleon mit geschätzten 1,68 Meter für seine Zeit mindestens durchschnittlich groß und hatte selbst auch kein Problem mit seiner Größe. In Selbstdarstellungen versuchte er beispielsweise gar nicht, größer zu erscheinen. Dass große Menschen als potenter und dominanter wahrgenommen werden, hat vermutlich evolutionäre, biopsychologische Ursachen. Größe weist (implizit) auf bessere Ernährung, Gesundheit und körperliche Stärke hin. Unsere größeren (vor allem männlichen) Vorfahren hatten in der Jagd, im Kampf wie auch in der Partnersuche bessere Erfolgschancen. Und mindestens sprachlich lebt dieses Erbe in uns weiter: Größenwahnsinn wird kleingeredet, an großartigen Personen sehen wir hinauf und auf Kleingeistige sehen wir herab.

"Bis 1,95 Meter erleben vergleichsweise größere Männer Einkommensvorteile durch ihre Größe."

Hält sich dieser Größenvorteil auch für den (Berufs)Erfolg unserer höher gewachsenen Zeitgenossen? Auf den ersten Blick scheint es so. US-amerikanische Präsidenten, Senatoren und CEOs sind tatsächlich überdurchschnittlich groß. Die Ergebnisse einer großangelegten Studie aus dem anglosächsischen Raum bekräftigen, dass auch in der allgemeinen Bevölkerung größere Menschen beruflich tendenziell erfolgreicher sind. Beispielsweise genießen sie – unabhängig von ihrem Alter und ihrer Karrierestufe – im Durchschnitt ein höheres gesellschaftliches Ansehen und verfügen auch über ein höheres Einkommen. Eine andere umfangreiche Analyse der Zusammenhänge zwischen der Körpergröße und dem Einkommen mit Daten aus Deutschland fügt diesen Ergebnissen einen interessanten Clou hinzu: Auch hier konnte über das Alter, die Art der Berufstätigkeit und andere Einflussfaktoren hinaus ein positiver Zusammenhang gefunden werden. Dies galt aber vor allem für Männer und nur bis zu einem bestimmten Punkt. Bis 1,95 Meter erleben vergleichsweise größere Männer Einkommensvorteile durch ihre Größe. Über diese Grenze hinaus bringt Größe jedoch keinen weiteren monetären Vorteil.

Große Frauen öfter in Führungspositionen

Neben dem Einkommen ist das Innehaben einer Führungsposition ein weiterer Indikator für Karriereerfolg. Während in der beschriebenen anglosächsischen Studie gefunden wurde, dass größere Personen eher in Führungspositionen aufsteigen, zeichnet eine aktuelle Analyse mit Daten von über 40.000 Personen aus 21 europäischen Staaten ein weniger klares Bild. Zwar hatten auch hier größere Personen eher eine Führungsposition inne. Allerdings gibt es innerhalb unserer genetischen Veranlagung ein Fenster, innerhalb dessen Ernährung und Lebensstil unsere finale Körpergröße beeinflussen. Die Kinder von Familien mit höherem sozioökonomischem Standard sind daher im Schnitt größer. Gleichzeitig werden sie oft auch besser auf den Berufseinstieg vorbereitet und verfügen über einen besseren Bildungshintergrund. Deshalb ist es wichtig festzustellen, ob tatsächlich die Größe ausschlaggebend ist oder ob es sich um einen Scheinzusammenhang handelt und eigentlich der familiäre Hintergrund sowohl die Größe als auch den Berufserfolg beeinflusst.

"Die Kinder von Familien mit höherem sozioökonomischem Standard sind im Schnitt größer."

Daher wurde in einer zweiten Analyse der Bildungshintergrund der befragten Personen sowie die Art ihrer Berufstätigkeit mit einbezogen. In diesem Fall zeigte sich der Größenvorteil nur noch für Frauen. Größere Männer scheinen, bei gleichem Bildungs- und beruflichem Hintergrund, keinen Vorteil mehr durch ihre Statur zu haben. Frauen profitieren dagegen eher von ihrer Größe, indem bei ihnen mit jedem Zentimeter mehr auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie zur Führungskraft befördert werden.

Bei den meisten Berufstätigkeiten (vielleicht mit Ausnahme professioneller Basketballspieler und -spielerinnen) ist die Körpergröße für die erfolgreiche Ausübung dieser nicht wesentlich. Wie lassen sich also die Gehaltsvorteile und – zumindest für Frauen – die größere Wahrscheinlichkeit, in Führungspositionen aufzusteigen, erklären? Eine Ursache hierfür kann durchaus auch eine höhere (wahrgenommene) Produktivität sein. So zeigen empirische Studien weiterhin, dass die Arbeitsleistung der Großgewachsenen als substanziell besser beurteilt wird. Einhergehend mit dem allgemein günstigeren gesellschaftlichen Ansehen großer Menschen schätzen andere (zum Beispiel Vorgesetzte oder Kollegen und Kolleginnen) das Arbeitsverhalten dieser Personen also als besonders effektiv ein.

Soziales Auftreten beeinflusst die Arbeitsleistung

Zusätzlich geht ein großer Wuchs nicht nur mit subjektiven Leistungseinschätzungen, sondern tatsächlich auch mit "objektiv" besserer Arbeitsleistung einher. Ist der Größenvorteil also möglicherweise doch weniger durch die Wahrnehmung als die tatsächliche Leistung bedingt? Zunächst einmal handelt es sich hierbei zwar um statistisch bedeutsame, in der Größe jedoch kleine Zusammenhänge. Die äußere Zuschreibung von Leistung, Dominanz und Überzeugungskraft scheint aber, im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung, mit messbar besserer Arbeitseffektivität einherzugehen. Das gilt insbesondere in Tätigkeiten wie dem Verkauf oder Management, wo Überzeugungskraft und Verhandlungserfolg essenziell für den beruflichen Erfolg sind. Wenn ein großer Verkäufer von vornherein als überzeugender und kompetenter wahrgenommen wird, dann wird es ihm in einem Verkaufsgespräch vermutlich auch leichter fallen, Kunden zu überzeugen und den Verkauf erfolgreich abzuschließen. Sein kleinerer Kollege kann genauso erfolgreich sein, ihm fehlt im Vergleich jedoch dieser Startvorteil, sodass er seine Kompetenz möglicherweise erst einmal stärker unter Beweis stellen muss.

Neben solchen selbsterfüllenden Effekten unterscheidet große Menschen von kleinen Menschen aber oft vor allem eines: Sie sind – auch durch ihre positiven sozialen Erfahrungen bedingt – im Schnitt selbstsicherer. Sie fühlen sich weniger schnell von Anderen provoziert und ordnen sich diesen auch weniger unter. Das gilt bis hin zu Begegnungen auf der Straße, bei welchen ein niederländisches Forschungsteam beobachtete, dass größere Personen anderen Passanten und Passantinnen seltener aus dem Weg gingen. Gerade Menschen, die schon in der Kindheit und Jugend besonders groß waren und deshalb früh die Erfahrung gemacht haben, sich leichter durchsetzen zu können, profitieren in ihrem späteren Berufsleben von dieser Selbstsicherheit und positiven Selbstwirksamkeitserwartungen, welche für den beruflichen Erfolg essenziell sind. Der berufliche Erfolg größerer Personen ist also nicht unbedingt durch ihre Größe verursacht, sondern diese führt oft einfach zu einem sozial wirksameren Auftreten. In Verhandlungen werden große Menschen vermutlich von vornherein selbstsicherer auftreten, vom Gegenüber eher als überzeugend wahrgenommen werden und wahrscheinlicher ein Ergebnis in ihrem Sinne erreichen.

"Große Menschen haben den Vorteil einer 'natürlichen Autorität'."

Letztendlich kann die Körpergröße also durchaus beruflichen Erfolg erleichtern – insbesondere, wenn jemand leicht überdurchschnittlich, aber nicht auffallend groß ist. So jemand wird als kompetenter, dominanter und, im Falle von Männern, auch als charismatischer wahrgenommen. Mehr noch, im Erfolgsfall werden diese Personen sogar noch größer (oder großartiger?) eingeschätzt als vorher. Und umgekehrt glauben auch die Erfolgreichen und Mächtigen selbst, größer zu sein, während sie andere, weniger erfolgreiche Personen als kleiner wahrnehmen als diese eigentlich sind. Die psychologische Forschung zeigt aber auch, dass für diesen Wahrnehmungseffekt möglicherweise nicht unbedingt die Größe selbst ausschlaggebend ist, sondern vielmehr das soziale Auftreten. Große Menschen haben den Vorteil einer "natürlichen Autorität" und vielleicht fällt ihnen ein selbstsicheres Auftreten auch leichter – ein Monopol darauf haben sie aber nicht. Schließlich gibt es in der Vergangenheit wie Gegenwart genug Gegenbeispiele. Und für diejenigen, die dennoch mit ihrer (kleinen) Größe hadern, zuletzt noch ein kleiner Trost: In Streitfragen wird im Zweifelsfall eher der größeren Partei die Schuld zugeschrieben.