Arbeitsbelastung
Wissenschaftler arbeiten mehr als sie bezahlt werden
Das Arbeitspensum, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tatsächlich leisten, ist deutlich höher, als das, wofür sie bezahlt werden. Oft seien sie mit Lehrtätigkeiten und administrativen Aufgaben so beschäftigt, dass ein Großteil der Forschungsaktivitäten in unbezahlte Zeit ausgelagert werde, zeigt eine neue Studie aus Australien, die das realistische Arbeitspensum ermittelt hat. Dabei lagen die Arbeitsumfänge, von denen die Hochschulen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgingen, deutlich unter den Ergebnissen der Studie. Akademikerinnen und Akademiker arbeiten demnach in Australien jährlich drei Monate unentgeltlich. Oder anders gesagt: Pro drei Stunden bezahlter Arbeit arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tatsächlich vier Stunden.
Im Rahmen der 2015 begonnenen Langzeitstudie, über die das Onlinemagazin "Times Higher Education" zunächst berichtete, hatten Forscher der University of Tasmania ein Hilfsmittel zur Bestimmung des akademischen Arbeitsumfangs entwickelt. Darin können Forschende Aufgaben eintragen, auch solche Arbeiten, die im offiziellen Kontext kaum wahrgenommen werden. So können die Forschenden die Gesamtzahl der von ihnen geleisteten Arbeitsstunden für ein jeweiliges Jahr ermitteln.
Für den jüngsten Teil der Studie wurden 39 Personen zufällig ausgewählt. Sie arbeiten laut den Studienautoren an 21 der 41 Universitäten Australiens in verschiedenen Fachbereichen und gehören unterschiedlichen Statusgruppen an. Die Probandinnen und Probanden dokumentierten ihre Arbeitsumfänge mit dem Programm und wurden im Anschluss an den Studienzeitraum in qualitativen Interviews befragt.
Deutlich mehr geleistete Arbeitsstunden als bezahlte Arbeitszeit
Die befragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von australischen Hochschulen gaben laut der Studie an, dass die vom Programm berechneten Werte deutlich näher an ihrem realen Aufwand waren als der Arbeitsaufwand, von dem ihre Arbeitgeber ausgingen. 24 der 39 Teilnehmenden gaben demnach an, zehn Prozent mehr Arbeitszeit aufzuwenden, als sie bezahlt würden, zwölf Personen sogar 50 Prozent mehr. Durchschnittlich hätten die Befragten mehr als 50 Wochenstunden gearbeitet. Bei zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmern habe die wöchentliche Arbeitszeit sogar bei durchschnittlich 59 Wochenstunden gelegen, bei zwei Befragten sogar bei 95 Stunden.
Das Programm zur Ermittlung des Arbeitsumfangs berücksichtige Aktivitäten, die die Hochschulen nicht wahrnehmen, etwa Zeit, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler investieren, um sich letztlich ohne Erfolg um Drittmittel zu bewerben. Für einen eingereichten Journalartikel beispielsweise veranschlagt das Programm 150 Arbeitsstunden, berichtet THE, für eine Patentanmeldung 60 und für die Vorbereitung und Durchführung von völlig neuen Seminarsitzungen bis zu elf Stunden. Diese Annahmen seien Mittelwerte, so die Studienautoren gegenüber THE, sie entstammten einer vorherigen Befragung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das Programm ist online verfügbar. Inwieweit es vom australischen auf den deutschen Hochschulkontext übertragen werden kann, ist allerdings unklar.
cpy