Ein Mensch im Anzug rennt in einem Hamsterrad und brennt (Symbolbild: Burnout).
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Mental Health
Wo Forschende psychische Beratung bekommen

Wer in einer persönlichen Krise steckt, braucht Hilfe. Hochschulen halten Unterstützungsangebote für ihre Mitarbeitenden bereit.

Von Charlotte Pardey 03.01.2025

Der berufliche Alltag von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist anstrengend: Es gibt immer noch ein weiteres Buch, das gelesen werden will, einen neuen Artikel, der geschrieben, oder ein Vortrag, der konzipiert werden muss. Teile der Arbeitszeit sind für die Gremienarbeit reserviert. Zwischendurch ein "Working Lunch" zum Netzwerken, die Betreuung von Studierenden und Promovierenden folgt dann vielleicht am Nachmittag und die Wissenschaftskommunikation nach Feierabend auf LinkedIn. Nicht wenige fühlen sich von Aufgaben und Verantwortlichkeiten gestresst, sagen vielleicht auch zu oft "ja" und nehmen sich mehr vor, als sie schaffen. Der Konkurrenzdruck in der Wissenschaft tut sein Übriges dazu, dass viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich verausgaben.  

Bei manchen Forschenden dauert diese Überlastung über Monate und Jahre an. Sie haben Schwierigkeiten, sich abzugrenzen, können sich nach stressigen Phasen nicht mehr entspannen. Irgendwann streiken Körper und Psyche: Betroffene leiden unter Konzentrationsschwierigkeiten, fühlen sich müde und antriebslos oder empfinden keine Freude mehr bei Tätigkeiten, die sie eigentlich immer gerne getan haben. Vielleicht haben sie auch ein Schlüsselerlebnis wie eine Panikattacke und merken: "Ich brauche Hilfe". An wen können sich Hochschulmitarbeiterinnen und -mitarbeiter wenden, wenn es ihnen so oder vergleichbar geht?

Hochschulen bieten psychologische Hilfe für Mitarbeitende an

Als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter einer Hochschule in Deutschland empfiehlt sich zunächst ein Blick auf die Webseite des Arbeitgebers. Denn nicht nur für Studierende bieten Hochschulen psychosoziale Beratungen an: Viele Hochschulen haben Angebote, die sich an Angestellte richten und diesen Hilfe in Krisensituationen anbieten, sei es bei persönlichen oder beruflichen Problemen. Die Universität Freiburg etwa kooperiert bereits seit 1999 mit dem Verein "AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation" und bietet ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter anderem einen externen Beratungsdienst, der bei Krisen, Konflikten und Suchtproblemen hilft. Die psychologische Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie, Mila Urschbach, steht Angestellten der Universität Freiburg so zur Seite.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Sorgen nehmen meist per E-Mail mit ihr Kontakt auf, wie Urschbach "Forschung & Lehre" im Gespräch berichtet. Zeitnah versuche sie ihnen einen ersten Gesprächstermin anzubieten, der durchschnittlich nach einer Wartezeit von einer bis zwei Wochen erfolge. Nimmt jemand telefonisch Kontakt auf und klingt so, als bräuchte er oder sie akut Hilfe, kann die psychologische Psychotherapeutin die Person auch an eine Notfallambulanz weitervermitteln. 

Mehr zum Thema "Gesundheit" 

In der Januar-Ausgabe von "Forschung & Lehre" können Sie in einem Mini-Schwerpunkt mehr über das Thema mentale Gesundheit lesen. Die neue Ausgabe erscheint am 2. Januar mit Beiträgen zu Burnout an Hochschulen und dem Burnout-Syndrom als Risikozustand - Reinlesen lohnt sich.

Im Schwerpunkt "Gesundheit" auf dieser Seite finden Sie außerdem mehr dazu, wie unsere Gesundheit unter den Strapazen unseres Lebensstils leidet: durch zu wenig Bewegung, Stress bei der Arbeit oder die falsche Ernährung. Finden Sie heraus, wie wir Belastungen vermeiden können.

Wie eine Beratung in Krisensituationen ablaufen kann

Die Beratung an sich könne Urschbach sehr frei gestalten – je nach Situation unterscheide sich das Vorgehen. Habe jemand beispielsweise Gesprächsbedarf, weil es einen Konflikt in der Arbeitsgruppe gibt, könne es sein, dass die Person nur eine einmalige Beratungsstunde benötige. In anderen Fällen könne ihr Beratungsdienst Betroffene auch über mehrere Monate begleiten und so die Wartezeit auf einen Therapieplatz überbrücken. Wichtig sei allerdings, dass sie selbst keine Therapie anbiete, sondern nur berate. Sie könne Patientinnen und Patienten allerdings in eine Psychotherapie vermitteln.

Von den Menschen, die sich an sie wenden, bekomme Urschbach die Rückmeldung, dass es ihnen bereits Erleichterung verschaffe, den Kontakt zu einer Beratungsstelle aufgenommen zu haben. Allgemein rät Urschbach Betroffenen: "Teilen Sie sich irgendwem mit, das hilft, selbst wenn Sie nur mit einer Bekannten, dem Hausarzt oder der Familie sprechen". In der Zeit, in der sie auf das Erstgespräch warten, könnten Betroffene, die jemanden zum Zuhören brauchen, auch die Telefonseelsorge kontaktieren. Urschbach empfiehlt je nach konkreter Krisensituation für die Soforthilfe auch Podcasts, Meditations- und Einschlafübungen, um akut für etwas mehr Ruhe im Alltag zu sorgen.

"Teilen Sie sich irgendwem mit, das hilft, selbst wenn Sie nur mit einer Bekannten, dem Hausarzt oder der Familie sprechen." Mila Urschbach

Die Probleme, wegen denen sie kontaktiert werde, seien ganz unterschiedlich, berichtet die psychologische Psychotherapeutin: Es gehe nicht nur um Arbeitsthemen, Burnout-Symptomatiken, Überlastung und Stress. Es wendeten sich auch Hochschulmitarbeiterinnen und Hochschulmitarbeiter an sie, die Unterstützung bei privaten Belastungen benötigten oder denen eine Entscheidung Schwierigkeiten bereite. Andere kontaktierten sie wegen größerer Krisen, depressiven Einbrüchen, Panik- oder Angststörungen. Sie erhalte aktuell einen höheren Zulauf als früher: Mehr Anfragen gingen bei ihr ein, dies müsse aber nicht unbedingt zu bedeuten haben, dass es auch mehr Fälle gebe. Der höhere Zulauf könne zumindest teilweise auch das Ergebnis der größeren Offenheit im gesamtgesellschaftlichen Umgang mit mentalen Erkrankungen sein. Die Stigmatisierung von psychischen Problemen lasse nach. Vor allem die Zahl der Männer, die sich Hilfe holten, sei gestiegen.

Präventionsarbeit an Hochschulen

Neben der individuellen Beratung mache Urschbach auch verschiedene Präventionsangebote an der Universität Freiburg: Sie halte Vorträge zum Thema Stressprävention oder gebe Schulungen für Führungskräfte, damit diese darin bestärkt werden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Probleme anzusprechen. Außerdem habe die Universität Freiburg einen jährlichen "University Health Day", anlässlich dessen es verschiedene Angebote zum Thema Gesundheit gebe. Außerhalb dieses Tages böte das Format "Coffee and Learn" kurze Impulse zur mentalen Gesundheit im Alltag, etwa zum "Ausbruch aus dem Hamsterrad" oder zur "Kommunikation am Arbeitsplatz". Das betriebliche Gesundheitsmanagement der Universität Freiburg bündelt und erarbeitet solche Angebote für Beschäftigte und setzt sie mit der Internen Fort- und Weiterbildung um.

Die Rückmeldungen, die sie von den Hilfesuchenden erhalte, seien sehr positiv. Viele teilten ihr mit, wie gut die Beratung ihnen in der Krise getan habe, oder berichteten davon, dass sie in der von Urschbach vermittelten Therapie gut aufgefangen worden seien.