

Vorlesungsfreie Zeit
Für einen sortierten Start ins Semester
In knapp zwei Wochen gehen an den meisten Hochschulen die Vorlesungen und Seminare des Sommersemesters los. Dann gilt es für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Zeit zwischen Lehre und eigener Forschung gut aufzuteilen. Die Konzeption der Lehrveranstaltungen, die eine zusätzliche Arbeitsbelastung darstellt, kann in die vorlesungsfreie Zeit verlagert werden. "Je sortierter man ein Seminar angeht, desto weniger belastend wird der Semesterstart empfunden", erläutert Dr. Ursula Gießmann, die stellvertretende Leiterin des Zentrums für Hochschuldidaktik an der Universität zu Köln im Gespräch mit "Forschung & Lehre".
"Je sortierter man ein Seminar angeht, desto weniger belastend wird der Semesterstart empfunden." Dr. Ursula Gießmann
Es sei noch Zeit, um neue Seminare zu planen und im Semester weniger gestresst zu sein, so die hochschuldidaktische Trainerin. Ihr Zentrum bietet Workshops und Handreichungen an, die Lehrende bei der Planung und Durchführung der Lehrveranstaltungen unterstützen. Nicht nur Dozentinnen und Dozenten, die am Beginn ihrer Karrieren zum ersten Mal eine Veranstaltung planen, bildeten sich didaktisch weiter. Auch erfahrene Lehrende meldeten sich zu den Workshops an. Sie suchen Werkzeuge, um geplanter und weniger intuitiv zu unterrichten, erläutert Gießmann.
Was soll die Lehrveranstaltung erreichen?
Für die Organisation eines Seminars empfiehlt Gießmann, sich ein bis zwei Wochen vor dem Semesterbeginn aktiv Zeit zu nehmen. Zumindest die Einstiegsphase, also die ersten zwei bis drei Sitzungen, sollte gründlich vorbereitet sein. Die Planung beginnt laut Gießmann am besten bei den Lernzielen: Was sollen die Studierenden aus dem Seminar an Inhalten und Methodenkenntnissen mitnehmen? Dazu helfe auch ein Blick in das Modulhandbuch. Die Prüfungsform ist durch dieses teilweise ebenfalls festgelegt. Gibt es Flexibilität, sollte sie zu den Zielen passen. Gießmann rät Lehrenden, sich auch die weiteren Rahmenbedingungen der Lehrveranstaltung klarzumachen: Welche Zielgruppen hat sie? Wie unterscheiden sich diese mitunter? Wie viele Teilnehmenden sind zu erwarten? Welche Räumlichkeiten werden vermutlich genutzt? Wie sind diese ausgestattet? Welche Hilfsmittel sind vorhanden? All diese Faktoren seien für die Planung relevant.
Einige der Rahmenbedingungen werden bei der Planung noch sehr unklar sein, etwa die Gruppe der Studierenden selbst, so Gießmann. Da die Zusammensetzung der Studierenden jedes Semester neu sei, unterschieden sich ihre jeweiligen Fähigkeiten. Die ersten Sitzungen sollten genutzt werden, um die Studierenden kennenzulernen und sich einen Überblick über die Wissensstände zu machen und gegebenenfalls vorausgesetzte Inhalte zu wiederholen. Eine weitere Möglichkeit, um eine homogenere Gruppe zu erhalten, sei, vor Beginn der Lehrveranstaltung Kontakt zu den Studierenden aufzunehmen und anzukündigen, was die inhaltlichen und methodischen Voraussetzungen für die Teilnahme sind.
Studierende motivieren mit klaren Strukturen und Zielen
Bei der Planung der Veranstaltung empfiehlt Gießmann nach dem "Constructive Alignment" vorzugehen, um Lernziele, Lehrhandeln und Prüfungsform aufeinander abzustimmen. Dazu helfe es, zunächst zu überlegen, was die inhaltlichen und methodischen Ziele der gesamten Lehrveranstaltung sind und wie sich diese auf die einzelnen Sitzungen runterbrechen lassen. Die Prüfungsform mache am Schluss sichtbar, ob das Ziel der Veranstaltung erreicht wird. Für Studierende sei es aber von Beginn an wichtig zu erkennen, wie das Seminar auf die Prüfung hinarbeitet, welche Zwischenziele es gibt und wann diese abgeschlossen sein sollen, so Gießmann. Durch Feedback im Verlauf der Veranstaltung erlebten Studierende ihre Kompetenzen und würden erkennen, wo sie Lücken aufarbeiten müssen.
"Planung, Struktur und ein roter Faden sind ein Hauptfaktor für den Lernerfolg." Dr. Ursula Gießmann
"Planung, Struktur und ein roter Faden sind ein Hauptfaktor für den Lernerfolg" sagt Trainerin Gießmann gegenüber "Forschung & Lehre". Studierende müssten wissen, was auf sie zukommt. Würden sie das Lernziel kennen, wüssten sie, mit welchen Mitteln und wozu es angestrebt werde. So könnten sie leichter motiviert werden, an der Lehrveranstaltung aktiv teilzunehmen.
Einzelsitzungen und Inhalte im Überblick behalten
Bei der Abstimmung von Ziel, Lehrhandeln und Prüfung sei ein didaktisches Planungsraster besonders empfehlenswert, erläutert Gießmann. Darin wird die Lehrveranstaltung in einzelne Sitzungen "heruntergebrochen", denen konkrete Lernziele und Lerninhalte zugeordnet werden. Das erscheine zu Beginn aufwendig und überaus detailreich, aber es lohne sich: Hält man ein ähnliches Seminar erneut, könne es durch kleinere kontextbezogene Anpassungen oder erfahrungsbasierte Verbesserungen weiterverwendet werden. Dann könne beispielsweise eine anders zusammengesetzte Studierendengruppe ohne viel Planungsaufwand direkt persönlich angesprochen werden.
Bei der detaillierten Planung sollte nicht vergessen werden, im Verlauf der Lehrveranstaltung Puffer einzuplanen. Als Richtwert empfiehlt Gießmann, lediglich 80 Prozent der zur Verfügung stehenden Zeit zu verplanen, um spontane Diskussionen zu ermöglichen. Phasen, in denen Inhalte frontal vermittelt werden, sollten nicht länger als 20 Minuten dauern. Zwischendurch sei es hilfreich, kurze Pausen einzuplanen. So könne, etwa indem ein Bild oder eine Grafik gezeigt werden, mit dem sich die Studierenden für einige Minuten still auseinandersetzen sollen, ein anderer Impuls gesetzt werden.
Wie viel Zeit Lehrende in die detaillierte Planung eines Seminars investieren müssten, variiere, je nachdem, ob es bereits Vorarbeiten gebe, etwa weil die Dozentinnen und Dozenten schon einmal ein ähnliches Seminar unterrichtet haben. Aber es lohne sich zu planen: Der Lernerfolg der Studierenden steige durch mehr Struktur. Außerdem sinke der Stress für die Lehrenden im laufenden Semesterbetrieb. Dann müsse auch keine Lehrkraft Lampenfieber haben angesichts der neu beginnenden Lehrveranstaltungen, so Gießmann.