Das Foto zeigt einen Ausschnitt der Bibliothek der Uni Hohenheim
dpa

Prüfungsabbruch in Baden-Württemberg
Ministerin Bauer unterstützt Universität

Dutzende Studenten brechen eine Klausur ab wegen vermeintlicher Erkrankung und legen später ein Attest vor – von demselben Arzt. Die Uni hakt nach.

18.06.2018

Nach dem massenhaften Prüfungsabbruch bei einer Klausur an der Universität Hohenheim erhalten die verbliebenen Studierenden eine zweite Chance. Weil der Abgang von rund einem Viertel der Studierenden aus der laufenden Grundlagenprüfung Finanzwissenschaften viel Lärm verursacht habe, könnten die teilgenommenen Studierenden wählen, ob sie diese im Herbst wiederholen wollten, sagte der Sprecher der Universität, Florian Klebs, am Montag in Stuttgart. Das habe der Prüfungsausschuss beschlossen. Klebs vermutet hinter dem Abbruch der Studierenden im zweiten und dritten Semester Prüfungsangst und nannte den Vorgang ein "völliges Novum".

Die Universität habe die sogenannten Rücktritte von der Prüfung genau untersucht und tue das noch. In 33 Fällen sieht die Hochschule trotz Einlassung der Studierenden keinen Grund für das Verlassen der Klausur. Vier Fälle werden noch geprüft. Gegen die Entscheidung ist Uni-Sprecher Klebs zufolge Widerspruch möglich.

Ministerin Bauer: "Spielregeln sind einzuhalten"

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) stellte sich hinter die Maßnahmen der Universität gegen die Abbrecherinnen und Abbrecher. Die Hochschule könne nicht zulassen, dass ein mögliches drohendes Scheitern in der Prüfung auf diese Weise umgangen werde. "Spielregeln sind einzuhalten." Darüber hinaus müssten sowohl die Studierenden selbständig als auch die Hochschulen dafür sorgen, dass das Studium mit realistischen Erwartungen und Selbsteinschätzungen begonnen werde.

Die Ministerin verwies auf Orientierungs- und Aufbaukurse in der Studienanfangsphase, etwa den Brückenkurs Mathematik an mehreren Unis oder auch Tutoren- und Mentorenprogramme. Für Prüfungsangst gebe es Anlaufstellen. Bauer: "Studierende müssen ihre Schwierigkeiten nicht allein regeln und keine Scheu haben, die psychologischen Beratungsdiensten an den Hochschulen aufzusuchen."

Studierendenwerk: Beratungszahlen wegen Prüfungsangst steigen jährlich

Nach Auskunft der Psychosozialen Beratung für Studierende (PBS) des Studierendenwerks Heidelberg steigen die Beratungszahlen unter anderem wegen Prüfungsängsten jährlich. "Die Sensibilität gegenüber diesem Thema hat unter den Studierenden zugenommen, sie suchen sich früher Hilfe und psychische Belastungen können offener thematisiert werden als noch vor 20 Jahren", hieß es.

37 der Abbrecherinnen und Abbrecher im Mai hatten am selben Tag ein Attest eines einzigen Arztes mit zwei sehr vagen Diagnosen - Kopfschmerzen in Kombination mit Sehstörungen und Übelkeit und Erbrechen - vorgelegt. Elf weitere Studenten legten einen oder mehrere Tage später Krankmeldungen vor. Diese akzeptierte die Uni nicht und wertete die Klausur als nicht bestanden, wie Uni-Sprecher Klebs sagte.

Die Uni sieht weitere 103 vom selben Arzt im Vorfeld von Klausuren der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ausgestellte Atteste kritisch. Die betroffenen Studierenden wurden Klebs zufolge schriftlich aufgefordert, dazu Stellung zu beziehen. Darunter sind auch 49 bereits anerkannte Prüfungsrücktritte.

Beschwerden über eine zu schwierige Klausur hatte der Prüfungsausschuss zurückgewiesen. Das Niveau bewege sich auf dem vergleichbarer Prüfungen.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Stuttgart ergibt sich aus den Vorgängen kein strafrechtlich relevanter Tatbestand. Weder bei dem Arzt noch bei den Studenten sei eine finanzielle Schädigung oder ein finanzieller Vorteil wahrscheinlich, sagte ein Sprecher.

Insgesamt verließen 48 Studenten im Mai die Prüfung, wie die Universität am Montag mitteilte. Zuvor war von 37 Studenten die Rede gewesen. Zudem waren es demnach insgesamt nicht 250 Prüflinge, sondern lediglich 202. Die Hochschule korrigierte ihre Angaben. Damit habe ein Viertel der Teilnehmer die Grundlagenprüfung in Finanzwissenschaften nicht beendet.

dpa

korrigiert am 19.06.18, 08:25 Uhr