Studierende sitzen in einem großen Hörsaal und schreiben eine Prüfung.
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Metastudie
Nicht-kognitive Prädiktoren für Lernerfolg

Was stärkt akademische Leistungsfähigkeit? Eine Übersichtsstudie zeigt, dass die "Big-Five" der Persönlichkeitsmerkmale wenig Vorhersagekraft haben.

04.11.2025

Eine aktuelle Studie bietet einen Überblick darüber, welche nicht-kognitiven Messgrößen Lernerfolg vorhersagen können und in welchem Zusammenhang sie zu kognitiven Prozessen stehen. Dabei geht es sowohl um Persönlichkeitsmerkmale als auch um Kontextvariablen, heißt es in der Studienbeschreibung. Die Ergebnisse sind kürzlich in der Fachzeitschrift Intelligence erschienen. 

Betrachte man die Effektstärke von verschiedenen untersuchten Prädiktoren, so verblieben nur wenige mit mittleren und überdurchschnittlichen Werten. Diese stammen aus den beiden Bereichen "Selbstüberzeugungen" und "Schulklima", hält die Studie fest. Eine geringe bis zu vernachlässigende Korrelation bestünde in Bereichen wie Persönlichkeitsmerkmale, berufliches Interesse, Zeitaufwand für das Lernen und Unterrichten, Lernstrategien oder das konkrete Verhalten der Lehrkräfte. 

Geringe Bedeutung der "Big-Five"-Persönlichkeitsmerkmale 

Laut der Übersichtsstudie hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zur Erfassung der Persönlichkeitsstruktur der "Big-Five"-Persönlichkeitstest etabliert. Er bezieht sich auf die Merkmale Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und emotionale Stabilität. Intelligenz werde mit dem Test nicht gemessen. Es bestehe auch bei der Mehrheit keine Korrelation mit den erzielten Noten. Am ehesten lasse sich ein Zusammenhang für Gewissenhaftigkeit und Offenheit beobachten. 

"Es gibt nun weitere Hinweise darauf, dass die 'Big-Five'-Skalen für die Vorhersage wichtiger Lebensereignisse nicht besonders geeignet sind", konstatiert das Autorenteam Professor Lazar Stankov von der University of Sydney und Professor Jihyun Lee von der University of New South Wales in Sydney. Teils seien Korrelationen zwischen den "Big-Five"-Skalen und Messungen von Bildungserfolg und Einkommen im mittleren Lebensalter beobachtet worden. 

Bemerkenswerte nicht-kognitive Prädiktoren 

Bereits 2018 seien die Faktoren Schulklima, Selbstüberzeugungen sowie der sozioökonomische Status (SES) als wichtige Prädiktoren für akademische Erfolge identifiziert worden. Insbesondere der SES weise "eine bemerkenswerte Korrelation mit den Leistungswerten" auf. Die Verfügbarkeit von Bildungs- und Kulturgütern im Elternhaus könne beispielsweise zu einer Verbesserung der schulischen beziehungsweise akademischen Leistungen beitragen. 

Das Konzept der Selbstüberzeugung werde bei den verschiedenen Studien weitestgehend als die Überzeugung erfragt, Aufgaben gut bewerkstelligen zu können und die notwendigen Kompetenzen und Eigenschaften mitzubringen. Teils sei von Selbstwirksamkeit, Selbstkonzept oder Selbstvertrauen die Rede. Selbstvertrauen als Vertrauen in die anforderungsgerechte eigene Leistung sei der beste Prädiktor für die kognitive Leistungsfähigkeit. 

In der Theorie des selbstregulierten Lernens spiegele Selbstwirksamkeit die selbstbeobachtete Leistung im Vergleich zu einem Standard wider, beispielsweise der eigenen vorherigen Leistung oder einem absoluten Leistungsstandard. Dabei werde die Selbstwirksamkeit durch Selbstbeurteilung aktualisiert, "wodurch Lernende ihr Selbstvertrauen für zukünftige Aufgaben stärken oder schwächen können". Zahlreiche Studien legen Stankov und Lee zufolge nahe, dass diese Art der Selbsteinschätzung ein besonders guter Prädiktor für Lebensergebnisse, einschließlich akademischer Leistungen, sein kann. 

Liege hingegen konkrete Prüfungsangst als Befürchtung des Versagens vor, könne dies die akademische Leistung nachweislich negativ beeinflussen. Psychologischen Merkmalen wie Narzissmus oder fehlender Empathie werden ebenfalls negative Auswirkungen auf die Aufmerksamkeit und kognitive Funktionen zugeschrieben. 

"Unsere Analyse legt nahe, dass viele nicht-kognitive Prädiktorvariablen, die in der Literatur ausführlich behandelt wurden, die akademische Leistung nicht ausreichend gut vorhersagen, obwohl ihre Korrelationskoeffizienten statistische Signifikanz aufweisen können", resümieren Stankov und Lee. Allerdings bedeute die geringe Korrelation zwischen einer bestimmten nicht-kognitiven Variable und akademischen Leistungen nicht, dass dieselbe Variable auch andere Lebensbereiche wie Wohlbefinden, Gesundheit und berufliche Erfolge schlecht vorhersage. 

Selbstvertrauen, Resilienz und SES als Ansatzstelle für Intervention 

Laut Autorenteam ist die hohe Korrelation zwischen Selbstvertrauen und Erfolg derzeit die vielversprechendste Basis für die Wahl einer Intervention. Dabei wiesen Beobachtungen darauf hin, dass die Beurteilung des Selbstvertrauens in einem Bereich auf einen anderen übertragbar sein könnte. Durch die Bereitstellung von Tests zur Bewertung des eigenen Selbstvertrauens könnte der metakognitive Prozess der Selbstkontrolle positiv beeinflusst werden. Diese spiele eine wichtige Rolle bei der Wahl von Strategien – beispielsweise bei der Entscheidungsfindung, ob man die Bearbeitung eines Problems aufgibt oder durchhält. 

Pädagoginnen und Pädagogen sollten nach Ansicht Stankovs und Lees Maßnahmen ergreifen, um zur Stärkung des Selbstvertrauens und der Überzeugung der Selbstwirksamkeit von Lernenden beizutragen. "Weitere Forschung ist erforderlich, um die Bedeutung von Selbstvertrauen für andere Lebensbereiche als akademische Leistungen zu untersuchen", konstatieren die Forschenden. 

Länderübergreifend könnten Maßnahmen zur Stärkung der psychischen Resilienz der Bevölkerung gerechtfertigt sein, um potentiellen negativen Auswirkungen auf kognitive Leistungen entgegenzuwirken. In wohlhabenden Ländern seien zudem die Bildung und der Beruf der Eltern stärkere Prädiktoren, während materielle Ressourcen – wie vorhandene Bücher – in weniger wohlhabenden Kontexten aussagekräftiger seien. Zusätzliche empirische Studien seien notwendig, um zu klären, wie moderierende Faktoren – wie der nationale Entwicklungsstand, Bildungssysteme und kulturelle Einstellungen – die Vorhersagekraft nicht-kognitiver Variablen beeinflussen.

cva