rote Spielfigur im Fokus einer Lupe
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Prüfungsangst
Prüfungen angstfrei gestalten

Viele Studierende leiden unter Prüfungsangst. Wie können Prüfende damit angemessen umgehen? Wie können Prüflinge trotzdem ihre wahre Leistung zeigen?

Viele Studierende sind vor Prüfungen nervös und ängstlich: Sie gehen unruhig vor dem Prüfungsraum auf und ab, blättern fahrig durch ihre Unterlagen oder wischen sich schon vor der Prüfung Schweiß von der Stirn. Dozierende deuten solche Verhaltensweisen oft als Hinweis darauf, dass ihrem Prüfungsfach (und implizit auch ihnen als Dozierenden) eine hohe Wichtigkeit zugeschrieben wird und sind davon überzeugt, dass Angst eine höhere Anstrengung und Leistung zur Folge habe. Doch während mäßige Erregung bei eher leichten Aufgaben tatsächlich aktivierend und konzentrationsfördernd ist, führen stärkere Aufregung und Angst bei kognitiv anspruchsvollen Aufgaben nachweislich zu Leistungsbeeinträchtigungen. Studierende sind dann nur unzureichend in der Lage, ihr Wissen in der Prüfungssituation abzurufen.

Prüfungsangst wird als Leistungsemotion beschrieben, die sich auf eine zukünftige Leistungssituation (typischerweise eine Prüfung) bezieht, bei der die Person ein schlechteres Abschneiden als bedrohlich bewertet. Rund ein Viertel aller Studierenden erlebt die eigene Prüfungsangst als Beeinträchtigung. Drei Ebenen der Angstexpression sind dabei zu unterscheiden: Auf einer physiologischen und verhaltensbezogenen Ebene äußert sich die Angst zum Beispiel durch Herzklopfen, eine schnellere Atmung, Schweißausbrüche, Artikulationsstörungen oder Zittern. Auf einer emotional-subjektiven Ebene drückt sich die Angst zum Beispiel durch als unangenehm empfundene innere Erregungszustände, Unwohlsein oder betrübt-bedrückte Gefühle aus. Auf einer kognitiven Ebene zeigen sich beispielsweise negative selbstbezogene (Grübel-) Gedanken (wie "Was ist, wenn ich versage?"), eine erschwerte Aufmerksamkeitsfokussierung oder Konzentrationsprobleme.

Die Forschung zeigt, dass vor allem die Beeinträchtigungen auf kognitiver Ebene die Leistungseinbußen verursachen, weil die kognitiven Ressourcen beispielsweise beim Grübeln über potenzielles Versagen nicht mehr in vollem Umfang für die eigentlichen Prüfungsaufgaben zur Verfügung stehen. Prüfungsangst führt außerdem dazu, dass das Interesse sowie die Aufgabenfokussierung in der Vorbereitung auf die Prüfung sinken. Der Einsatz wenig effizienter Lernstrategien wird durch Angst zudem wahrscheinlicher und die Elaboration der Wissensinhalte wird beeinträchtigt.

Reduktion von Prüfungsangst

Nach der Kontroll-Wert-Theorie von Pekrun entsteht Prüfungsangst vor allem dann, wenn eine Person einem möglichen Misserfolg einen hohen Wert beimisst (Valenz) und sie unsicher ist, ob sie die Prüfung erfolgreich bewältigen kann (Kontrollerwartung). Diese Bedingungsfaktoren bilden wichtige Ansatzpunkte zur Reduktion von Prüfungsangst.

Angesichts der Bedingungsfaktoren Valenz und Kontrollerwartung können (und sollten) Prüfende durch ihr Verhalten dazu beitragen, dass die Prüfung als angemessen wichtig erlebt wird, und sie sollten deutlich machen, dass die Prüfungsleistung der Kontrolle durch die Studierenden unterliegt.

  • Prüfungsvorbereitende Lehre

Eine klare Strukturierung der Lehrinhalte verbunden mit einer präzisen Kommunikation von Lernzielen beugen der Entstehung von Prüfungsangst vor, da dadurch bei den Studierenden ein Gefühl von Kontrolle über den Lernstoff entsteht

  • Information und Kommunikation über Prüfungen

Die Prüfungsanforderungen sowie deren formaler Ablauf sollten transparent gemacht werden. Dies kann beispielsweise im Rahmen einer Informationsveranstaltung zur Vorstellung der Prüfenden erfolgen, bei der Studierende neben der Klarheit über Prüfungsanforderungen auch die Gelegenheit erhalten, den Prüfenden kennen- und einschätzen zu lernen. Mock Exams (Probeklausuren) oder Beispiele für Prüfungsfragen sorgen für ein hohes Maß an Transparenz darüber, was in der Prüfung erwartet wird, wodurch das Kontrollerleben des Prüflings erhöht wird.

  • Gestaltung der Prüfung

a) Da sich die leistungsmindernden Effekte von Prüfungsangst vor allem bei schwierigeren Aufgaben zeigen, ist es sinnvoll, Klausuraufgaben in aufsteigender Schwierigkeit zu reihen, sodass auch prüfungsängstliche Studierende gleich zu Beginn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Erfahrung von Kontrollierbarkeit machen. Bei mündlichen Prüfungen besteht außerdem die Möglichkeit, das Schwierigkeitsniveau der Prüfungsfragen individuell an das gezeigte Wissen der Prüflinge anzupassen (adaptives Prüfen).

Angstreduzierend können auch Wahlmöglichkeiten wirken, die Prüflingen eröffnet werden (etwa anhand von Wahlpflichtfragen bei der Bearbeitung von Klausuren oder bei der freien Wahl von Einführungsthemen bei mündlichen Prüfungen). Auch hierdurch kann das Kontrollerleben der Studierenden gestärkt werden.

b) Selbstwertbedrohliche schriftliche wie mündliche Instruktionen (etwa: "Hier zeigt sich, wer wirklich intelligent ist") sollten vermieden werden, da sie die Valenz (Wichtigkeit) der Prüfung in einer Art erhöhen, die oft weder empirisch noch normativ (durch die ECTS-Punkte in den Modulhandbüchern) gerechtfertigt ist. Auch das Kontrollerleben der Prüflinge während der Prüfung kann von der Kommunikation während der Prüfungssituation abhängen. So kann das Framing einer Aussage wie "Bitte teilen Sie sich die verbleibenden 10 Minuten Prüfungszeit gut ein" für ein höheres Kontrollerleben bei den Prüflingen führen als die Aussage: "Sie müssen in 10 Minuten abgeben."

Vor allem in mündlichen Prüfungen wirkt ein freundliches, zugewandtes Verhalten der Prüfenden angstreduzierend. Mitunter erwähnen Prüflinge zu Beginn der Prüfung selbst, sehr aufgeregt zu sein. In diesen Fällen kann es hilfreich sein, wenn die Prüfenden darauf hinweisen, dass das sehr häufig vorkomme, um eine Neubewertung zu ermöglichen. Sind klare körperliche Anzeichen von Prüfungsangst erkennbar oder werden geäußert, dann ist es hilfreich, kurz Gelegenheit zu geben, diese zu regulieren (zum Beispiel "Dann trinken Sie doch erst mal kurz einen Schluck").

  • Bewertung und Nachbesprechung von Prüfungen

Wenn bei der Bewertung von Prüfungsleistungen auf diejenigen Bewertungskriterien Bezug genommen wird, die auch im Vorfeld der Prüfung als zentral kommuniziert wurden, erhöht dies die Einsicht in die Fairness der Bewertung und stellt den gesamten Prozess als kontrolliert (und auch potenziell durch die Studierenden kontrollierbar) dar, selbst wenn die Prüfungsleistung nicht so gut war wie gewünscht und erhofft.

  • Interventionsmöglichkeiten bei starker Prüfungsangst

Insbesondere wenn Prüfungsangst massiv ist, nahezu alle Prüfungen betrifft und die Leistung und das Befinden der Studierenden sehr stark beeinträchtigt, sollten Lehrende im Gespräch mit den Studierenden unter Umständen auch an die psychosozialen Beratungsstellen der Studierendenwerke verweisen, die oft Gruppen- oder Einzelangebote für den Umgang mit Prüfungsangst bereithalten.

Prüfende sollten sich darüber klar sein, dass Prüfungsangst Leistung in Prüfungen beeinflussen kann und die bewertete Leistung dann nicht dem Wissensstand der geprüften Person entspricht, wodurch die Validität der Leistungsaussagen sinkt. Ziel sollte es sein, Lern- und Prüfungsumwelten zu schaffen, die es allen Lernern ermöglicht, ihre optimale Leistung abrufen zu können. Prüfende erreichen dies sowohl durch eine klare prüfungsvorbereitende Lehre, gute Kommunikation vor und nach der Prüfung und eine geschickte Gestaltung der Prüfungssituation sowie eine transparente Bewertung. Nicht Angst führt zu höherer Motivation und Leistung, sondern gute Lehre, eine gute Aneignung der Lehrinhalte durch die Studierenden und faire und klare Prüfungsbedingungen.