

Private Hochschulen
Steigende Studierendenzahlen beim Fernstudium
Obwohl ein Fernstudium zum Teil mit hohen Studienkosten von häufig mehr als 2.000 Euro pro Semester verbunden ist, hat sich die Zahl der Fernstudierenden in Deutschland zwischen den Wintersemestern 2006/2007 und 2022/2023 fast vervierfacht. Dies zeigt ein aktueller Forschungsbericht des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) "Trend zum Fernstudium".
Laut den jüngsten verfügbaren Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) liegt die Zahl der Fernstudierenden bei mehr als 250.000. Das entspricht einem Anteil von rund neun Prozent aller Studierenden. Im laufenden Wintersemester 2024/2025 sind dem Statistischen Bundesamt zufolge insgesamt 2.871.600 Studierende an den deutschen Hochschulen eingeschrieben, minimal mehr als 2023/2024. Der Untersuchung zufolge ist rund jeder zwanzigste Studiengang in Deutschland aktuell ein Fernstudiengang oder ein Studiengang, der als Fernstudium studiert werden kann. Insgesamt gesehen würden über zwei Drittel der Studiengänge von privaten Hochschulen angeboten, etwas weniger als ein Drittel von staatlichen Hochschulen und knapp ein Prozent von Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft.
Mehr als die Hälfte der Studierenden im Fernstudium verteilen sich demnach auf zwei Anbieter. Mit 76.279 Studierenden waren im Wintersemester 2022/2023 rund ein Drittel aller Fernstudierenden in Deutschland an der privaten, staatlich anerkannten IU Internationale Hochschule in Erfurt eingeschrieben. Weitere 62.633 Fernstudierende sind an der staatlichen Fernuniversität in Hagen immatrikuliert.
Flexibilität als geschätzter Mehrwert mit teils hohen Kosten
Der Autor des Berichts, Dr. Marc Hüsch, hat Daten zu Angebot und Nachfrage beim Fernstudium in Deutschland ausgewertet und stellt fest, dass der Boom des Fernstudiums gerade in den vergangenen Jahren mehrere Gründe hat: "Unter anderem haben die Corona-Jahre und der entsprechende Ausbau der Studienangebote, die man von zuhause aus absolvieren kann, eine große Rolle für die höhere Nachfrage gespielt". Zudem hätten sich gerade private Anbieter auf die Zielgruppe der Berufstätigen ausgerichtet, für die sich ein Fernstudium gut mit dem Beruf vereinbaren lasse.
Ein besonders großes Angebot gibt es laut Auswertung im Bereich der Wirtschaftswissenschaften. Mit 355 würden mehr als ein Drittel der 1.006 Studienangebote für Fernstudierende aus dem Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zum Stichtag 5. Juli 2023 auf diesen Studienbereich fallen. Eine Auswertung der Namen der Studiengänge habe eine Häufung von Angeboten gezeigt, bei denen Management- und Business-Aspekte im Vordergrund stehen. Dagegen würden sich beispielsweise nur 15 Studienangebote im Bauingenieurwesen finden lassen.
Neben Angebot und Nachfrage nimmt die CHE-Analyse auch die Studienkosten in den Blick. Demnach liegt der Median der Studienkosten pro Semester bei Fernstudiengängen in Deutschland bei 2.207 Euro. Allerdings zeigten sich zwischen den einzelnen Fernstudienprogrammen größere Unterschiede. Während an den staatlichen Einrichtungen oft nur ein Semesterbeitrag wie im klassischen Präsenzstudium zu zahlen sei, würden vor allem bei privaten Anbietern häufig vierstellige Beträge pro Semester anfallen. Auch wenn im Fernstudium Kosten für das Wohnen am Studienort oder das Pendeln zum Campus wegfallen, sollte die Finanzierung gut geplant sein, rät Hüsch: "In vielen Bachelor- und Masterprogrammen sind Gesamtkosten von mehr als 10.000 Euro für das Fernstudium zu erwarten." Laut CHE-Studie spielt dabei auch eine Rolle, dass an manchen Hochschulen mit Fernstudiumsangebot ein klassischer Semesterbetrieb mit Präsenzkursen existiere, während an anderen ein Studium komplett online durchgeführt werden könne.
Fernstudium verzerrt die amtlichen Länderstatistiken
In seiner Analyse macht Hüsch auf einen bisher wenig beachteten Nebeneffekt des Fernstudienbooms aufmerksam: "Eigentlich müsste man bei einer Gesamtzahl von mehr als 250.000 Fernstudierenden diese mittlerweile gesondert ausweisen – als eine Art 17. Bundesland. Bisher werden sie in der Hochschulstatistik dem Bundesland zugerechnet, wo die jeweilige Fernhochschule ihren Hauptsitz hat".
Dies sorge für einen Verzerrungseffekt, besonders bei Ländern wie Thüringen, dem Saarland und Hamburg. So sind von den offiziell rund 136.000 Studierenden in Thüringen etwa 77.000 Fernstudierende der IU, die größtenteils wahrscheinlich gar nicht in Thüringen leben.
Der Datenexperte rät deshalb bei Auswertungen der Hochschulstatistik, etwa bei der Auswertung von Betreuungsrelationen, den verzerrenden Ländereffekt durch große Fernstudienanteile miteinzukalkulieren, oder direkt um Fernstudierende bereinigte Daten zu nutzen.
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cva