Konzentration
Warum Studierende auf Tische kritzeln

Die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe stellt die schönsten Tisch-Kritzeleien von Studierenden aus. Was steckt hinter den Kunstwerken?

In den vergangenen Jahrzehnten haben Studierende der Medienproduktion an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) ein kleines Kunstwerk geschaffen: In Vorlesungen und Seminaren haben sie die Tische in ihrem Hörsaal mit bunten Zeichnungen, Sprüchen und Liebeserklärungen bemalt. Jetzt wurde der Hörsaal saniert, aber die Tische bleiben erhalten, teilte die Hochschule mit. Einen Teil der Tische will der Fachbereich an Absolventinnen und Absolventen des Bachelor- und Master-Studiengangs Medienproduktion verlosen. Die schönsten Kunstwerke stellt die Hochschule online aus.

"Diese Tische sind in gewisser Weise ein Dokument der Zeitgeschichte, deshalb werden wir sie auf jeden Fall aufbewahren, auch wenn unsere Studierenden jetzt in neue Hörsäle und Seminarräume nach Detmold ziehen", sagt Professor Guido Falkemeier, Dekan der Medienproduktion. Auch am Standort Lemgo seien die Hörsäle aufwendig saniert und die Tische ausgetauscht worden.

Wer kritzelt, ist konzentriert

Während einer Vorlesung Tische zu bemalen müsse kein Gegensatz zum konzentrierten Zuhören sein, sagt Michael Minge, Professor für Innovationspsychologie und Dozent an der TH OWL. "Wer kritzelt, ist nicht zwangsläufig unaufmerksam, im Gegenteil", so Minge. "Durch Kritzeleien aktivieren wir uns selbst, um Inhalte zu verarbeiten und nicht mit den Gedanken abzuschweifen." Minge verweist auf englische Studien, die belegten, dass die Gedächtnisleistung während des Kritzelns um 30 Prozent gesteigert werden könne.

Typisch für die Kritzeleien auf den Hörsaal-Tischen sind laut Mitteilung geometrische Figuren und florale Muster. Beide Formen haben laut Minge eine Funktion: "Wer geometrische Formen malt, setzt sich intensiv mit einem Problem oder einer Fragestellung auseinander und versucht Struktur hineinzubringen. Die geometrischen Figuren können auch auf Entscheidungsprobleme hindeuten." Blumen hingegen vermittelten eine positive Stimmung. "Entweder befindet sich die Person schon in einer positiven Stimmung oder sie möchte sich durch das Zeichnen gerne in eine solche Stimmung versetzen."

Zudem sei es ein wichtiges menschliches Bedürfnis, "sich zu verewigen, zu dokumentieren: Ich war hier. Ganz gleich, ob mit vollem Namen oder mit Initialen", erklärt Minge.

ckr