Symbolbild KI und LLM: Angedeutetes menschliches Gesicht aus Pixeln
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Künstliche Intelligenz
Was kann KI für Lehrende tun?

Unliebsame Arbeiten auslagern und von einer Maschine übernehmen lassen: So einfach ist es nicht, wenn die KI in der Lehre helfen soll.

Von Charlotte Pardey 05.11.2024

Seminarpläne, Lernziele, Modulbeschreibungen – der organisatorische Rahmen von Lehre kostet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wertvolle Zeit, die sie nicht dem tatsächlichen Austausch mit Studierenden oder ihrer Forschung widmen können. Mit generativer Künstlicher Intelligenz (KI) können sich Lehrende ein Werkzeug an die Hand holen, das sie wie eine Assistentin oder ein Assistent unterstützt. Wie, erklärt die freiberufliche Dozentin für Hochschuldidaktik Dr. Ulrike Hanke.

Mit dem Launch von ChatGPT des Entwicklers OpenAI im Winter 2022 begann in Deutschland die Sorge, dass Leistungen kaum noch schriftlich abgefragt werden können, wenn Studierende womöglich ganze Hausarbeiten und Referate an den auf KI basierenden Chatbot auslagern. Es ging darum, wie Prüfungsaufgaben gestellt werden könnten, um dies zu verhindern. Die Frage, was dieser und ähnliche Chatbots für Forschende und Lehrende tun, wie sie in die Lehre eingebaut werden könnten, stand vorerst im Hintergrund, so berichtet es Dr. Ulrike Hanke, die im Rahmen ihrer "Hochschuldidaktik Akademie" Workshops, Coachings und Selbstlernkurse zu KI-Themen anbietet.

ChatGPT ist ein großes Sprachmodell (Large Language Model, LLM) – ebenso wie Microsoft Copilot, Llama von Meta oder der Open-Source-Chatbot Open Assistant – das durch sein Training mit einer riesigen Menge an Daten und durch Wahrscheinlichkeitsberechnungen selbst Text erzeugen kann. Wird ChatGPT von Fachkundigen mit den richtigen Anweisungen oder Prompts gesteuert, erläutert Hanke, liefert es hilfreiche Ergebnisse. Dann könne man ChatGPT und Co. als Assistenzperson betrachten, als Praktikanten oder Praktikantin, von der man sich helfen lassen kann, die dabei aber angeleitet werden muss. Es ginge nicht darum, dass man die KI eine komplette Aufgabe erledigen lasse, sondern sie als Sparringspartner nutze oder sich von ihr inspirieren lasse. Einige Studien beschäftigen sich bereits mit den Effekten von KI im Unterricht und der Hochschullehre. Hanke verweist darauf, dass erste Analysen zur KI-Verwendung in der Lehre auf eine Arbeitserleichterung hinwiesen, wenn man sich von der KI inspirieren ließe ohne jedoch fertige Produkte zu erwarten.

Das übernimmt Assistent ChatGPT gerne

Was können Large Language Models bei der Lehre übernehmen? Die generativen KI seien so gut, wie die Prompts, die sie erhielten. Es geht laut Hochschuldidaktikerin Hanke darum, ihnen eine sinnvolle Arbeitsanweisung zu bieten. Dazu könne man zunächst den Kontext klären: Beispielsweise, dass sie als Dozent für Studierende im dritten Semester in diesem oder jenem Kurs zu dem folgenden Thema Lernziele formulieren sollen. So vorbereitet und mit weiteren Informationen gefüttert, können große Sprachmodelle helfen beim Schreiben von Lehrplanungen, Entwickeln von Aufgabenstellungen oder Prüfungsfragen, Erstellen von Skripten oder Formulieren von Lernzielen. Auch könne man ihnen den Auftrag geben, einen ersten Entwurf in einen geschliffeneren Text umzuwandeln oder stilistische Verbesserungsvorschläge zu machen. Die künstlichen Kollegen machen die Arbeit nicht für den Lehrenden oder die Lehrende, sondern helfen dabei.

Transformation

Was gerade im Bereich der Künstlichen Intelligenz an den Hochschulen passiert, beschreibt das Hochschulforum Digitalisierung in seinem Anfang November veröffentlichten "Monitor Digitalisierung 360°" als ein "Thema, das die Hochschulen" außerordentlich prägt. 

Weitere einflussreiche Veränderungen beleuchtet die November-Ausgabe von "Forschung & Lehre" unter dem Schwerpunkthema "Transformation", die seit dem 1. November erhältlich ist. In der Ausgabe geht es um die Chancen und Herausforderungen, die aktuell dominieren. Die Hochschulen kommen als wichtige Impulsgeber in den Blick, wenn es beispielsweise um Klimapolitik, und Nachhaltigkeit geht.

Besser nicht mit KI

Große Sprachmodelle sollten dabei nicht mit Suchmaschinen verwechselt werden. Sie sind keine Wissensmodelle und liefern nicht immer die richtige Antwort – sie "halluzinieren" mitunter ein statistisch aus Sicht der KI wahrscheinliches, aber trotzdem falsches Ergebnis. So kann es sein, dass sie ganze Quellenangaben halluzinieren und auf Texte verweisen, die es nicht gibt.

Aufpassen müssen Nutzerinnen und Nutzer auch beim Thema Datenschutz. ChatGPT verlangt nach den allerersten Prompts und Fragen zum "Ausprobieren" für die weitere Nutzung aber auch für die Möglichkeit der Personalisierung eine Anmeldung und die Angabe persönlicher Daten. In der Basisversion sammelt das Programm Daten, wie Informationen über das Endgerät, die Nutzung des Chatbots oder die Inhalte, die gefragt werden. Erst in teureren Bezahlversionen ist das Sammeln von Daten ausgeschaltet. Lehrende müssen besonders beachten, dass sie keine personenbezogenen Daten eingeben – etwa die Klarnamen von Studentinnen oder Studenten wie beispielsweise in Seminarlisten.

Datenschutzkonforme Zugriffsmöglichkeiten

Ein Problem sei laut Hanke auch, dass die meisten Hochschulen in Deutschland keine datenschutzkonformen Zugänge zu den LLMs zur Verfügung stellten. Zu den Vorreitern zählte die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK), die bereits Mitte des Jahres 2023 die Open-Source-Software HAWKI entwickelt hat, die ChatGPT datenschutzkonform einbindet und so nutzen lässt. Eingegebene Prompts können von ChatGPT-Entwickler OpenAI nicht einzelnen Personen zugeordnet werden. Andere Hochschulen, etwa die Universität Hamburg, nutzen auf sie angepasste Versionen des Webtools der Hochschule Hildesheim. 

Ein weiterer Weg ist, ChatGPT über Microsoft Copilot zu nutzen, wie etwa die Universität Bayreuth. Dazu muss die Hochschule aber über die Microsoft-Lizenz verfügen. Seit April 2024 bietet die Universität Bayreuth ihren Uniangehörigen diese Zugangsmöglichkeit, die die Datenschutzvereinbarungen von Microsoft mit der Zusicherung greifen lässt, dass eingegebene Daten nicht zum weiteren Training des KI-Modells verwendet werden, wie die Universität mitteilt.

Eine zusätzliche Möglichkeit bietet seit Februar 2024 "Chat AI", das über "Academic Cloud" erreichbar ist. Es ist ein Angebot der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung Göttingen, hinter der die Georg-August-Universität Göttingen und die Max-Planck-Gesellschaft stehen. Chat AI ermöglicht allen Studierenden, Forschenden und Mitgliedern akademischer Institutionen in Deutschland mit ihrem institutionellen Login, anonym und datenschutzkonform auf ChatGPT und weitere LLM-Angebote zuzugreifen.

Effekte von KI im Seminarraum

Ungeachtet der Frage nach Lizenzen und Datenschutz nutzen viele Studierende KI bereits auf die eine oder andere Weise. Allerdings müssten sie eigentlich systematisch dazu angeleitet werden, solche Sprachmodelle verantwortungsbewusst zu nutzen, findet Hanke. Gerade über den Effekt, den es hat, Lernmöglichkeiten auszulagern und sich dadurch deutlich oberflächlicher mit den Inhalten auseinanderzusetzen und weniger Expertenwissen aufzubauen, sei Aufklärung wichtig, so Hanke: "Man muss den Studierenden deutlich machen, was verloren geht". Aber das Vermitteln von KI-Kompetenzen an Studierende sei eine zusätzliche Herausforderung für viele Dozentinnen und Dozenten, die sie sich oft auch gar nicht zutrauten, weil sie sich selbst nicht fit in dem Thema fänden. 

"Man muss den Studierenden deutlich machen, was verloren geht." Dr. Ulrike Hanke

Beim Anfang November veröffentlichten "Monitor Digitalisierung 360°" des Hochschulforums Digitalisierung gaben entsprechend auch nur knapp 45 Prozent der Hochschulleitungen an, dass Angebote entwickelt würden, um Studierenden KI-Kompetenzen zu vermitteln. Demnach vergeben die befragten Studierenden die Schulnote "befriedigend" (3,26) für das an ihrer jeweiligen Hochschule bestehende Angebot zum Kompetenzerwerb mit KI in ihrem Studium. Kompetenzen im Umgang mit KI würden nach Angaben der befragten Studierenden nur in 15,5 Prozent der Lehrveranstaltungen vermittelt.

Sich in das Thema KI einzuarbeiten, erfordere von Lehrenden ein gewisses zeitliches Investment, erklärt Hanke. Anfangs habe man so mitunter den Eindruck, dass es tatsächlich länger dauert, von ChatGPT einen guten Text zu erhalten, als ihn einfach selbst zu schreiben. Das richtige Prompten sei aber Übungssache. Hanke empfiehlt Lehrenden einfach anzufangen, sich systematisches Hintergrundwissen über KI anzueignen und zu testen, bei welchen Aufgaben die künstlichen Kollegen wirklich gute Assistenten sind.