Medizinstudent der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) übt die Kommunikation mit Kollegen und Patienten.
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Hochschulmedizin
Wer bezahlt die Studienreform?

Das Medizinstudium soll reformiert werden. Der Generalsekretär des Medizinischen Fakultätentages über den Stand des "Masterplans Medizinstudium 2020".

Von Vera Müller 21.09.2020

Forschung & Lehre: Gelingt es mit Blick auf den Masterplan und den Änderungsentwurf der Approbationsordnung, die Humanmedizin-Ausbildung zukunftsfest zu machen?

Frank Wissing: Eine Weiterentwicklung des Medizinstudiums halten wir für wichtig. Allerdings bedauern wir, dass der Masterplan sehr stark am grünen Tisch der Politik entworfen wurde und relativ wenige Akteure wie zum Beispiel die Fakultäten, Fachgesellschaften, Lehrenden und Studierenden beteiligt waren. Man sollte eine solche Reform nicht mit tagesaktuellen politischen Themen überfrachten, sondern den groben Rahmen neu stecken, der Freiräume lässt und Anreize schafft. Da gehen uns die 37 Maßnahmen des Masterplans und die Kleinteiligkeit des im Dezember 2019 veröffentlichten Entwurfs der Approbationsordnung deutlich zu weit. Eine Approbationsordnung wird alle zehn bis zwanzig Jahre geändert und ist dann Gesetzestext. Sie ist vermutlich nicht der Ort, um schnell auf Entwicklungen zu reagieren. Vielmehr brauchen wir große inhaltliche Freiräume für Wahlmöglichkeiten der Studierenden und vertiefende Schwerpunkte der Fakultäten. Zusätzlich auch strukturelle Freiräume und eine Modellklausel zur Weiterentwicklung des Studiums.

Portraitfoto von Dr. Frank Wissing
Dr. Frank Wissing ist Generalsekretär des Medizinischen Fakultätentages. privat

F&L: Bei der Frage nach der Finanzierung der Reform scheint man von einer Einigung noch relativ weit entfernt zu sein.

Frank Wissing: Ein Medizinstudienplatz kostet zwischen 200.000 und 300.000 Euro. Wir schätzen, dass aus dem Masterplan und dem aktuellen Entwurf der Approbationsordnung zusätzliche Kosten pro Studienplatz von 32.000 bis 40.000 Euro hinzukommen. Die dauerhaften Kosten entstehen durch bessere Betreuungsverhältnisse, intensivere Lehre auch im ambulanten Bereich und aufwendigere Prüfungsformate. Dazu kommen die Transformationskosten von geschätzt 175 Millionen Euro. Die Diskussionen um die Finanzierung der Reform verlaufen zwischen Wissenschafts- und Gesundheitsseite und dann noch einmal zwischen Bund und Ländern. Wie schwierig das sein kann, konnte man bei der Entwicklung des Masterplans Medizinstudium beobachten: Obwohl er bereits geschrieben war, dauerte es noch ein Jahr, bis er veröffentlicht wurde, da man sich über die Finanzierung nicht einigen konnte. Schließlich wurde die Entscheidung darüber vertagt. Die Diskussion um die Finanzierung wird nun mit dem Entwurf der Approbationsordnung neu aufflammen. Verschärft wird die Situation dadurch, dass bereits andere Reformen wie die der Zahnmedizin, der Psychotherapeuten- und Hebammenausbildung beschlossen sind und finanziert werden müssen. Auf die Länder kommen zusätzliche Belastungen von circa einer Milliarde Euro pro Jahr für die – bereits beschlossenen und anstehenden – Reformen zu. Da ist die Frage, wer welchen Anteil übernimmt, durchaus berechtigt.

F&L: Sind die Reformziele möglicherweise zu ambitioniert?

Frank Wissing: Wir sehen mit Sorge, dass jetzt versucht wird, alle möglichen Probleme in unserem Gesundheitssystem auf der Ebene des Medizinstudiums anzugehen. Das betrifft die Zulassung, dass angeblich die falschen Studierenden ins Studium kommen. Oder die Landarztquote, mit der Ärzte in ländliche Gebiete gebracht werden sollen – statt Anreize und vernünftige Strukturen zu schaffen. In der Diskussion um die Studienplatzzahl wird suggeriert, dass man nur genügend Studienplätze anbieten müsse, dann seien alle Probleme gelöst. Auch die Stärkung der Allgemeinmedizin, die der Änderungsentwurf der Approbationsordnung vorsieht, ist im vorgeschlagenen Umfang nicht umsetzbar. Wenn über eine Million Stunden Betreuung im Jahr für Studierende angeboten werden müssen von niedergelassenen Allgemeinmedizinern: Wie soll das gehen? Da hilft auch mehr Geld nicht unbedingt weiter.