Schüler im Klassenzimmer verwendet Tablet für Sprachunterricht
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Standpunkt
Wie analoge und digitale Lernwelten zusammen passen

Studierende sollten Grundkenntnisse digitaler Systeme erlernen. Das klassische Lehrbuch hat in der Bildung aber noch lange nicht ausgedient.

Von Martin Korte 07.11.2019

Unbestreitbar ist, dass das Internet unsere Denkstrukturen verändert und es verändert unser Arbeits- und Privatleben. Nicht klar ist, was sich daraus für Bildungsaufträge ergibt, und das sollte zunächst sozialwissenschaftlich, entwicklungsbiologisch, psychologisch und neurobiologisch erforscht und diskutiert werden: Wie soll man eine in digitalen Medien schwimmende junge Generation ausbilden, um sie vorzubereiten auf die Bewältigung globaler realer und globaler digitaler Welten? Es fehlen Forschungsergebnisse, die den Einsatz digitaler Medien in Unterricht und Ausbildung systematisch und langfristig untersuchen. Bisherige Ergebnisse sind eher ernüchternd, wie man an der OECD-Empfehlung von 2015 ablesen kann. Hier wird der Einsatz von digitalen Hilfsmitteln kritisch gesehen, vor allem bei jüngeren Schülerinnen und Schülern. Auch ist bezeichnend, dass zwar 70 Prozent der Schulleiter davon überzeugt sind, dass digitale Medien die Attraktivität der Schulen steigern, aber nur 23 Prozent der Schulleiter glauben, dass die Lernergebnisse der Schüler sich durch digitale Medien auch verbessern!

Und auch wenn die Diskussion über den Einsatz digitaler Medien im Unterricht aus neurologischer und erziehungswissenschaftlicher Sicht richtig und wichtig ist, sollte dies nicht davon ablenken, dass der technische Ausbau der digitalen Anbindung und Ausrüstung von Schulen jetzt ohne Verzögerung und mit guter Planung durchgeführt werden sollte. Man muss aber den technischen Ausbau von den Methoden des Unterrichts unterscheiden. Denn digitale Mediennutzung im Unterricht ist weder Selbstzweck noch ein notwendiger Inhalt. Es ist ein Lehrwerkzeug, wie ein Buch. Und das klassische Schulbuch hat noch lange nicht ausgedient, wie gleich mehrere Studien zeigen. Die Einführung des Faches Informatik sollte verbindlich ab der 7. Klasse beschlossen werden. So werden die computer- und internetbasierten Fähigkeiten fachkompetent unterrichtet und nur so können andere, klassische Fächer vom Ballast fachferner Themen befreit werden.

Alle Schülerinnen und Schüler (und auch Studierende) sollten diejenigen Grundkenntnisse erwerben, die für das Verstehen digitaler Systeme unverzichtbar sind. Dies gilt angesichts der zu erwartenden dynamischen Veränderungen, die von der Digitalisierung ausgelöst werden, insbesondere für die Arbeits- und Berufswelt und damit für zukünftige Qualifizierungen. Dies darf jedoch nicht zu Lasten der Vermittlung bewährter "analoger" Inhalte gehen, die den Kernbestand des jeweiligen Fachs ausmachen und seine Identität prägen.

Was braucht man in einer globalisierten und digitalisierten Zukunft? Überraschender Weise ganz menschliche Fähigkeiten, die neben der "Digital literacy" Unterrichtsziel bleiben sollten: Team- und Kommunikationsfähigkeit, Eigenverantwortung und Selbstmanagement-Kompetenzen, Lebenslanges Lernen, ganzheitliches Denken sowie Handeln und Kreativität. Auch Wissen bleibt eine Kernkompetenz: Neues Wissen intelligent und eigenständig einordnen zu können in ein bestehendes Wissenssystem beziehungsweise dieses Wissen hinterfragen zu können, das erst ist Bildung. Bildung kann also nur dort entstehen, wo man dem eigenen Wissen einen Wert gibt.