Semesterstart WS 25/26
Wohnungsnot beeinflusst Studienwahl
Kurz vor dem Start des Wintersemesters suchen noch tausende Studentinnen und Studenten eine Unterkunft. Das ergaben diverse aktuelle Anfragen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bei Studierendenwerken mehrerer Hochschulstädte.
Im nordrhein-westfälischen Köln etwa konnten nur rund 850 Wohnheimplätze für das am 1. Oktober beginnende Semester neu vergeben werden – 2.500 Interessenten stehen noch auf der Warteliste, wie eine Sprecherin des dortigen Studierendenwerks mitteilte. "Die Wohnsituation in Köln ist nach wie vor dramatisch." Es werde zu wenig bezahlbarer Wohnraum für Studierende gebaut.
Auch in Aachen und Jülich sei die Zahl der Bewerbungen für Wohnheimplätze deutlich gestiegen, berichtete eine Sprecherin des Studierendenwerks Aachen. Rund 11.000 Menschen stünden auf der Warteliste – etwa 2.000 mehr als im Wintersemester 2024/2025. In Münster, Bielefeld und Bonn beschrieben die Studierendenwerke die Lage auf dem studentischen Wohnungsmarkt ebenfalls als angespannt. Etwa vier Semester müssen Interessenten in Bielefeld auf einen Platz im Wohnheim warten.
In Brandenburg startet das Wintersemester für viele Studierende ebenfalls ohne gefundene Bleibe. Die beiden zuständigen Studierendenwerke in Brandenburg – Ost und West – melden eine hohe Nachfrage, lange Wartelisten und begrenzte Kapazitäten. Laut Josephine Kujau, Sprecherin des Studierendenwerks West, können einige ihr Studium nicht antreten, da das essentielle Dach über dem Kopf fehlt. Wer in Berlin bislang noch keinen der 9.200 Plätze in einem Wohnheim des Studierendenwerks bekommen hat, muss sich anderweitig umschauen. Die Wartezeit auf einen Platz betrage mindestens ein Jahr.
Privater Wohnungsmarkt zu teuer für viele Studierende
"Die Zahl der Bewerbungen steigt, während die Studierendenzahlen tendenziell sinken. Das zeigt: Immer mehr Studierende können sich den privaten Wohnungsmarkt nicht mehr leisten", bewertete die Sprecherin des Aachener Studierendwerks die Situation. Auch Studierende höherer Semester suchten zunehmend günstigen Wohnraum. "Um als Studierendenwerk mehr preisgünstigen Wohnraum anbieten zu können, bräuchten wir mehr Möglichkeiten, günstige Grundstücke oder bereits bestehende Wohnungen zu erwerben", teilte eine Sprecherin aus Münster mit. Hier seien die Studierendenwerke auf die Zusammenarbeit mit Partnern der öffentlichen Hand angewiesen, zum Beispiel auf verbesserte Förderbedingungen von Bund und Land oder eine bevorzugte Vergabe von Grundstücken durch die Stadt.
"In westdeutschen Großstädten zu studieren, ist ein Luxusgut."
Timo Wenninger, AStA, Goethe-Universität Frankfurt
"In westdeutschen Großstädten zu studieren, ist ein Luxusgut", sagte Timo Wenninger, Referent für Wohnraum im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Goethe-Universität Frankfurt bereits zum Start des Sommersemesters gegenüber der dpa. Durch die hohen Mieten finde bereits bei der Wohnungssuche eine soziale Auslese statt. "Personen aus sozioökonomisch schlechter gestellten Familien wird strukturell der Zugang zu diesen Universitäten verwehrt, weil der Zugriff auf den Wohnungsmarkt so schwierig ist", ergänzte Wenninger.
Das Deutsche Studierendenwerk (DSW) warnt angesichts der neuen Analyse des Moses Mendelssohn Instituts (MMI) in einer Pressemitteilung vor einer dramatischen Zuspitzung der finanziellen Lage der Studierender durch immer weiter steigende Mietkosten. Die MMI-Studie zeigt: Studierende zahlen im Bundesdurchschnitt erstmals über 500 Euro für ihre Unterkunft. Auch mittelgroße Hochschulstädte werden für sie immer unerschwinglicher. Im Ländervergleich ergibt sich ein West-Ost-Gefälle, das sich allerdings langsam abschwächt. Auch in ostdeutschen Hochschulstädten sind die Mieten zuletzt gestiegen, wenn auch von niedrigerem Niveau aus.
In 70 von 88 untersuchten Hochschulstädten sind laut MMI die durchschnittlichen Mietkosten höher als die aktuelle BAföG-Pauschale von 380 Euro im Monat. Nach Studierendenzahlen bedeutet das: Drei Viertel der Studierenden wohnen oberhalb der Pauschale. Dr. Stefan Brauckmann, Geschäftsführender Direktor des MMI, sagt im Rahmen einer Pressemitteilung: "Unsere Daten zeigen, wie sich die Mietpreise entwickeln – sie können aber nicht erfassen, wie viele junge Menschen sich aufgrund hoher Wohnkosten oder fehlenden Angebots gegen ein Studium an einem bestimmten Ort entscheiden." Das bleibe eine wichtige offene Frage mit Blick auf Bildungs- und Teilhabechancen.
Politik gefragt, um soziale Auslese zu verhindern
"Die Zahlen sind besorgniserregend. Uns droht eine neue soziale Auslese, über die Miete: Nicht mehr Talent und Interesse entscheiden, an welcher Hochschule ich studiere, sondern die Frage, ob ich mir eine Wohnung in dieser Stadt überhaupt leisten kann", kommentiert Matthias Anbuhl, der DSW-Vorstandsvorsitzende. Die hohen Mieten drohten viele Studierende finanziell zu erdrücken.
"Nicht mehr Talent und Interesse entscheiden, an welcher Hochschule ich studiere."
Matthias Anbuhl, DSW-Vorstandsvorsitzender
Die versprochene BAföG-Reform müsse jetzt zwingend im Bundeshaushalt verankert werden, sodass die zugesagten Erhöhungen der Wohnkostenpauschale und beim BAföG-Grundbedarf schnellstmöglich wirksam würden. Als zweites benötigt das Bund-Länder-Programm Junges Wohnen einen weiteren Schub, meint Anbuhl. Die Studierendenwerke haben demzufolge die Kompetenz und Erfahrung, schnell und gezielt Wohnraum für Studierende zu schaffen. Dafür bräuchten sie langfristige Planungssicherheit und eine nachhaltige Förderung.
Die Bundesregierung beabsichtige, den Bundes-Förderanteil beim Programm Junges Wohnen auf eine Milliarde Euro jährlich zu verdoppeln – so habe sie es im Koalitionsvertrag versprochen. "Diese Verdoppelung muss zum Jahr 2026 kommen, und die Länder müssen das Programm ihrerseits kraftvoll umsetzen", fordert der DSW-Vorstandsvorsitzende.
cva/dpa