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Hochschulrecht
Abstimmen in universitären Gremien

Der genaue Ablauf und die Rechtsgrundlagen für Abstimmungen in Gremiensitzungen sind oft unbekannt. Was gilt es zu beachten?

Von Wolfgang Ernst Ausgabe 12/11

Kollegialorgane ("Gremien"), die ein Kennzeichen von Selbstverwaltung sind, müssen ihre Entscheidungen durch Abstimmung treffen, wenn sich Einigkeit nicht erzielen lässt. Daher finden Abstimmungen in universitären Gremien aller Stufen statt, in Fakultätsversammlungen, Senaten, Berufungskommissionen und dergleichen. Oft bestehen Unsicherheiten, wie Abstimmungen rechtsgültig durchzuführen sind. Dekane, Präsidenten, Kommissionsvorsitzende usw. machen sich mit den Rechtsgrundlagen vertraut, in denen die Abstimmung des Gremiums geregelt ist.

Universitätsgesetze und -satzungen verlangen immer Beachtung, sind aber hinsichtlich der Einzelheiten des Abstimmungsvorgangs meist wenig ergiebig. Ergänzend zieht man die Regelungen heran, die sich für das Verfahren von Ausschüssen (= Gremien) im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) finden, das übereinstimmend in den Ländern wie im Bund gilt.

Auch dort, wo das VwVfG nicht gilt, macht man nichts verkehrt, wenn man sich an dessen Regelungen hält, die einen "Code of Good Prac­tice" darstellen. Es ist oft zweckmäßig, wenn sich das Gremium eine eigene Verfahrensordnung (Geschäftsordnung) gibt, um immer wiederkehrende Zweifelsfragen ein zu beantworten. Eine Bezugnahme auf das VwVfG ist dabei zweckmäßig. Die folgenden Hinweise wollen den ersten Zugang zur Abstimmungsproblematik erleichtern; alle anzusprechenden Fragen sind einer eindringlicheren juristischen Analyse zugänglich.

Zusammensetzung von universitären Gremien entscheidend

Zuerst muss man die genaue Gremienzusammensetzung feststellen, weil diese bestimmt, wer mitstimmen darf. Man mache sich als Erstes klar, auf welchem Rechtsvorgang die Zugehörigkeit eines Mitglieds zum Gremium beruht. Für die Fakultätsversammlung kommt es auf die Ernennung zum Professor an, bei den Gruppenvertretern auf eine Wahl; die Mitgliedschaft im Senat beruht auf einem Amt (Dekan) oder auf einer Wahl.

"Vor allem bei Vertretern der Studenten- oder Assistentenschaft wird viel gesündigt."

Für jedes Mitglied muss man sich fragen, ob es in ordnungsgemäßer Weise die Gremienzugehörigkeit erlangt hat. Insbesondere bei der Nachnomination von Gremienmitgliedern, vor allem bei Vertretern der Studenten- oder Assistentenschaft, wird viel gesündigt. Kann sich ein verhindertes Mitglied vertreten lassen? Sofern es keine anders lautende Regelung gibt, kann in einem Gremium auch als Vertreter nur tätig werden, wer hierzu ordnungsgemäß bestellt/gewählt wurde. Dabei muss man noch unterscheiden zwischen Vertretern, die ein verhindertes Mitglied das eine oder andere Mal vertreten dürfen, und Nachrückern, die in das Gremium für ein Mitglied eintreten, sobald dessen Mitgliedschaft im Gremium endgültig endet.

Gremienmitglieder, die zum Beispiel die Studierenden vertreten, können ihren "Sitz" im Gremium also nicht nach eigenem Gutdünken einem anderen Studenten überlassen. Auch der Vorsitzende ist nicht befugt, von sich aus einzelne Mitglieder auszuwechseln. Vor jeder Gremiensitzung sollte der Vorsitzende die Liste der Mitglieder kontrollieren und aktualisieren; dies ist schon für die ordnungsgemäße Einberufung (Ladung) unerlässlich.

"Beteiligte" von Abstimmung ausgeschlossen

Für die Frage, ob Gremienmitglieder von der Abstimmung (und der vorangehenden Beratung) ausgeschlossen sind, richte man sich nach Paragraph 20 VwVfG. Ausgeschlossen sind danach "Beteiligte". Das sind Gremienmitglieder, deren Rechtsstellung von der Gremienentscheidung unmittelbar betroffen wird, ebenso aber auch eventuell betroffene Angehörige, wie Ehegatten, eingetragene Partner, Geschwister, Verlobte und andere mehr. Die Begriffe "Beteiligter" und "Angehöriger" sind gesetzlich genau bestimmt. Anhaltspunkte dafür, dass ein Ausschlussgrund vorliegt, sind dem Vorsitzenden des Gremiums mitzuteilen.

Die Entscheidung über den Ausschluss wird vom Gremium selbst durch Mehrheitsentschluss getroffen. Der Betroffene darf an dieser Entscheidung nicht mitwirken. Hat sich das Gremium für den Ausschluss entschieden, darf der Betroffene bei der weiteren Beratung und Beschlussfassung nicht zugegen sein. Ebenso wird verfahren, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Mitgliedschaft im Gremium zu rechtfertigen. Diese Besorgnis der Befangenheit ist in Paragraph 21 VwVfG geregelt. Nach Paragraph 90 VwVfG ist das Gremium beschlussfähig, wenn alle Mitglieder ordnungsgemäß geladen und mehr als die Hälfte, mindestens aber drei der stimmberechtigten Mitglieder anwesend sind.

Keine Abstimmung ohne Antrag

Jede Abstimmung setzt einen Antrag voraus. Über ihn – und nur über ihn – wird abgestimmt. Abgestimmt werden darf nur über Anträge, die ordnungsgemäß angekündigten Tagesordnungspunkten zugeordnet werden können. Jeder Antrag sollte als eine mit JA oder NEIN zu beantwortende Frage formuliert sein. Für die Annahme des Antrags braucht es regelmäßig die einfache Mehrheit. Sie ist erreicht, wenn die JA-Stimmen in der Mehrheit sind. Stimmengleichstand bedeutet an sich Ablehnung.

Die einfache Mehrheit wird daher anschaulich auch als überhälftiges Mehr bezeichnet. Dieser für manche verblüffende Befund erklärt sich daraus, dass dialektisch über den Antrag abgestimmt wird, und dass, wenn der Antrag "durchfällt", einfach die bislang bestehende Situation fortdauert. Dafür ist keine Mehrheit erforderlich. Die einfache Abstimmung über einen Antrag ist also nicht die Wahl zwischen zwei Alternativen. Man kann nur dem Antrag zustimmen oder seiner Annahme durch NEIN-Stimme entgegenwirken. Nach Paragraph 91 VwVfG kommt bei Stimmengleichheit jedoch der Stimme des Vorsitzenden die ausschlaggebende Wirkung zu: Stellt dieser fest, dass er für den Antrag gestimmt hat, ist dieser auch bei Stimmengleichheit angenommen.

Enthaltung als indirekte NEIN-Stimme?

Da im Allgemeinen kein Stimmzwang besteht, darf man sich enthalten. Die Frage, wie sich Enthaltungen auswirken, ist in der Literatur zum VwVfG und auch sonst umstritten. Es gibt zwei Sichtweisen:

  1. Wer sich enthält, nimmt sich für die konkrete Abstimmung aus dem Kreis der Entscheidenden heraus – bei dieser Sichtweise ist die einfache Mehrheit von der Anzahl derer zu berechnen, die mit JA oder mit NEIN gestimmt haben: Es braucht wenigstens eine JA-Stimme mehr als NEIN-Stimmen abgegeben wurden.
  2. Wer sich enthält, gibt keine JA-Stimme ab, er zeigt damit, nur weniger prononciert, dass er nicht für den Antrag ist. Bei dieser Sichtweise muss die Mehrheit von der Summe der JA-Stimmen, NEIN-Stimmen und der Enthaltungen berechnet werden, so dass die Enthaltung wie eine NEIN-Stimme wirkt. Jedes Gremium sollte ein für allemal feststellen, nach welcher Ansicht es verfahren darf und will. Die besseren Gründe sprechen wohl für die erstgenannte Ansicht, wonach die Enthaltungen für die Mehrheitsberechnung unbeachtet bleiben.

Offene Abstimmung am einfachsten

Am besten und einfachsten ist die offene Abstimmung. Zur geheimen Abstimmung wird man übergehen, wenn zwischen Gremienmitgliedern Abhängigkeitsverhältnisse bestehen, die befürchten lassen, die Stimmabgabe werde durch unsachliche Rücksichtnahme auf den Vorgesetzten nicht unbefangen erfolgen (Professor und sein Assistent in derselben Berufungskommission).

Kann man bei Verhinderung seine Stimme vorher brieflich beim Vorsitzenden deponieren? Da die Abstimmung nach dem Eindruck der gemeinsamen Aussage erfolgen soll, wird man dies grundsätzlich nicht zulassen. Schon gar nicht sind nachträgliche Stimmabgaben möglich, nachdem der Beschluss bereits gefasst ist. Aufpassen muss man auch, wenn man einen Beschluss im Zirkularwege (Umlaufverfahren) einholt. Der Zirkularweg beinhaltet für alle Gremienmitglieder einen Verzicht auf die Aussprache über den Antrag. Wenn nur ein Gremienmitglied hierzu nicht bereit ist und der Abstimmung im Zirkularwege widerspricht, muss diese unterbleiben.