Eine Frau lässt in einem Büro einen Ballon steigen.
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Standpunkt
Ausgründungen in Deutschland – was läuft schief?

Universitäre Start-ups schaffen oft nicht die Entwicklung in ein großes Unternehmen. Professor Karl Leo geht den Gründen nach.

Von Karl Leo 14.10.2024

An Deutschlands Universitäten und Forschungsinstituten wird ungeheuer viel Wissen erzeugt. Wird das wirtschaftliche Potenzial dieses Wissens ausreichend genutzt? Schauen wir darauf, "was hinten rauskommt" (Helmut Kohl): Klickt man sich durch die Liste der DAX-Unternehmen auf Wikipedia, heißt es fast bei jedem Unternehmen "…wurde 18XX gegründet durch…". Universitäre Start-ups findet man nicht.

Was läuft hier schief? Genaue Zahlen sind schwierig zu eruieren, aber bezogen auf die Bevölkerungszahl scheint die Zahl der universitären Start-ups in Deutschland nicht wesentlich kleiner zu sein als im "Gründerland" USA. Also werden anscheinend aus den Start-up-Babys zu selten erfolgreiche Erwachsene!

Liegt das Problem bei den Universitäten? Aus eigener Erfahrung mit mehr als zehn Deeptech-Start-ups, also Unternehmen, die eine lange und kapitalintensive Technologie-Entwicklung erfordern, tendiere ich zu einem Nein. Die deutschen Universitäten durchliefen hier sicher eine längere Lernphase, aber an führenden technischen Universitäten wie der TU Dresden haben sich inzwischen exzellente Unterstützungsstrukturen etabliert. Auch gibt es in Deutschland eine sehr gute öffentliche Förderung in der Seed-Phase (Gründungsphase eines Unternehmens), wie zum Beispiel das Exist-Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Fehlendes Risikokapital und Einstellungen zum Unternehmertum

Woran liegt es, dass aus den gut geförderten kleinen Unternehmen keine großen werden? Hier scheint mir eine ganze Reihe von Hindernissen relevant zu sein, die sich schwieriger beschreiben und abbauen lassen. Wiederum im Vergleich zu den USA: Dort gibt es viel mehr Risikokapital, weil zum Beispiel durch Pensionskassen mehr risikoreiche Investments vorgenommen werden. Hier wäre es relativ einfach, durch gesetzliche und steuerliche Regeln Abhilfe zu schaffen, aber auch durch die Schaffung eines größeren Risikobewusstseins bei Kapitalanlagen. Auch in europäischen Nachbarländern wie Frankreich oder den Niederlanden gibt es inzwischen Regelungen, die Investitionen in Startups stimulieren.

Weniger fassbar, aber wichtig ist die kulturelle Einstellung zum Unternehmertum. Die USA haben eine ausgeprägte Kultur des Scheiterns und Wiederaufstehens, was die Gründungsbereitschaft erhöht: Wer schon einmal gescheitert ist, hat etwas gelernt und genießt mehr Vertrauen – eine Haltung, die in Deutschland eher weniger existiert. 

Schließlich wird die immer weiter wuchernde Bürokratie auch für Start-ups zum Hindernis: Im Schnüren neuer Regelungen übertreffen wir leider andere Nationen.

In den nächsten Jahren wird entscheidend sein, dass wir die Erfolgsrate von Deeptech-Start-ups steigern, denn die Basis unseres Wohlstands, zum Beispiel in der Automobil- und Chemiebranche, erodiert momentan mit erschreckender Geschwindigkeit. Wir brauchen deutsche Nvidias, Googles, OpenAIs…