Eingangsbereich eines gläsernen Bürogebäudes mit Steinskulpturen davor.
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Machtmissbrauch
Erneute Mobbing-Vorwürfe gegen Max-Planck-Institute

Mitarbeitende der Forschungsinstitute beklagen Machtmissbrauch. Nun gibt es erste Reaktionen darauf aus der MPG-Community.

20.03.2025

Mehr als 30 Forscherinnen und Forscher haben gegenüber investigativen Teams der "Deutschen Welle" (DW) und des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" anonym von Machtmissbrauch, Fehlverhalten und Mobbing an Max-Planck-Instituten berichtet. Das geht aus aktuellen Meldungen der Nachrichtenkanäle über monatelange Recherchen zum Thema hervor. Etwa ein Drittel der Beschwerden seien ihnen aus Deutschland zugetragen worden, die anderen aus europäischen Ländern, aus Asien sowie Nord- und Lateinamerika. 

In den Gesprächen mit Betroffenen sei von aggressivem Umgangston, Einschüchterungen, Beleidigungen, Drohungen sowie sexistischem Verhalten die Rede gewesen, berichten die beiden Medien und führen dies teils auf stark hierarchische Strukturen sowie fehlende Aufsichtsmechanismen zurück. Diese seien beispielsweise auch vom Bundesrechnungshof 2024 kritisiert worden. 

Auf Nachfragen bei den beschuldigten Instituten zu konkreten Vorfällen hätten die Investigativ-Teams keine oder eher ausweichende bis abwehrende Antworten bekommen. Beispielsweise hätten sie von einem Institut den Hinweis erhalten, dass es bereits seit fünf Jahren keine Meldungen über sexistisches Verhalten von Personen im Direktorat oder in der Gruppenleitung gegeben habe. 

Hinweise auf das Versagen des Beschwerdemanagements 

Bereits in der Vergangenheit war die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) Vorwürfen des Machtmissbrauchs ausgesetzt. Aus einer MPG-Umfrage aus 2019 unter ihren rund 25.000 Mitarbeitenden gehe der "Deutschen Welle" zufolge hervor, dass jeder fünfte Teilnehmende sich als von Mobbing betroffen bezeichnet habe. Die MPG verweise auf eine Reihe von Anlaufstellen, die in den letzten Jahren geschaffen worden seien – darunter eine externe Anwaltskanzlei und die sogenannte "Stabstelle interne Untersuchungen". Hinzu kämen Schulungen für Führungskräfte und individuelle Coachings. In einem aktuellen Newsletter vom 17. März betont die Forschungsgesellschaft, dass bei den von der "Deutschen Welle" und dem "Spiegel" aufgegriffenen Fällen viele Angebote noch nicht implementiert gewesen seien. 

Ein Blick auf die Website der renommierten Forschungsorganisation bestätigt, dass einiges getan wurde und getan wird, um Fehlverhalten sowohl zu vermeiden als auch aufzudecken: Unter dem Titel "Profil und Selbstverständnis" versammeln sich sowohl ein Verhaltenskodex, diverse Leitlinien zu verantwortungsvollem Verhalten als auch ein Governance-Papier zum Umgang mit Compliance. Als lokale Anlaufstellen für nichtwissenschaftliche Konflikte werden hier beispielsweise die Gleichstellungsbeauftragte, der Betriebsrat oder der psychosoziale Dienst genannt. Auf zentraler Ebene der MPG gebe es zudem die Vertrauensperson für die Verwaltungsleitung sowie Ansprechpersonen aus dem psychosozialen Unterstützungssystem für Angestellte und Personen im Management (Employee and Manager Assistance Program, EMAP). 

Die "Deutsche Welle" schließt jedoch aus den Erkenntnissen des Investigativ-Teams, dass ein "systemisches Versagen der Compliance-Mechanismen" vorliegen könnte. Neun der ehemaligen Doktorandinnen, Doktoranden und Postdocs, mit denen man gesprochen habe, hätten davon berichtet, erfolglos bei einer oder mehreren der genannten Stellen Hilfe gesucht zu haben. Das Team habe Zugang zu verschiedenen E-Mails gehabt, die belegten, wie Opfer sowohl von Ansprechpersonen an verschiedenen Instituten als auch von den zentralen Meldestellen entmutigt oder abgewimmelt worden seien. "Knapp zwei Drittel der über 30 Forscherinnen und Forscher, mit denen wir gesprochen haben, haben der Wissenschaft mittlerweile den Rücken gekehrt", berichtet die "Deutsche Welle". 

Besonders die Tatsache, dass die Anonymität der Opfer nicht garantiert worden sei, habe viele aus Angst vor negativen Auswirkungen für ihre Karriere davon abgehalten, eine Beschwerde einzureichen oder weiter zu verfolgen. Die MPG habe sich dazu derart geäußert, dass man großen Wert auf die vertrauliche Behandlung der Identität von meldenden Personen auch im weiteren Verfahren lege. In einem Empfehlungspapier der Antidiskriminierungsstelle des Bundes für einen systematischen Diskrimierungsschutz an Hochschulen aus dem Jahr 2024 heißt es bezüglich anonymer Beschwerden: "Die Betroffenen können dabei Unterstützung anfragen, aber auch nur anonym Vorfälle aufzeigen. Dies soll der Beratungsstelle ermöglichen, einen besseren Überblick über Vorkommnisse an der Hoch-schule zu gewinnen, um daraus gegebenenfalls Maßnahmen abzuleiten." Sei Anonymität nicht gewährleistet, könne "das Thematisieren von Diskriminierungserfahrungen besonders schwierig sein".

Reaktionen aus der MPG-Community auf die Vorwürfe 

Bereits am 17. März hatte die MPG im Rahmen ihres Newsletters betont, dass die von der "Deutschen Welle" und "Der Spiegel" namentlich angeführten beiden Einzelvorfälle fünf beziehungsweise zehn Jahre zurückliegen würden. Die konkreten Vorwürfe hätten nicht näher untersucht werden können, da einer der Beschwerdeführenden keine konkreten Daten hätte nennen wollen und der andere einer Untersuchung nicht zugestimmt hätte. 

Am Folgetag äußerte sich die Leitungsgruppe des MPG-Postdoc-Netzwerks in einem öffentlichen Statement mit Betroffenheit, Kritik und Solidaritätsbekundungen zur investigativen Berichterstattung. Die Vorwürfe weckten "ernsthafte Bedenken" an der Max-Planck-Gesellschaft bezüglich "Machtmissbrauch, mangelnder Rechenschaftspflicht und der Herausforderungen, denen sich Forschende bei der Suche nach Unterstützung gegenübersehen". 

Das Postdoc-Netzwerk stehe solidarisch hinter allen Betroffenen, würdige den Mut derjenigen, die sich gemeldet hätten, und bedauere ihre Erfahrungen zutiefst. Als eine der führenden Forschungseinrichtungen Deutschlands trage die MPG die Verantwortung und habe die Mittel, sinnvolle Veränderungen voranzutreiben und eine akademische Kultur zu fördern, in der sich Nachwuchsforschende ermutigt fühlen, ihre wissenschaftlichen Aktivitäten fortzusetzen. 

Ein wichtiger Ansatzpunkt sei die Verbesserung der Vertraulichkeit innerhalb der Meldemechanismen und der Schutz der Opfer. Das Netzwerk werde weiterhin jährlich Umfragen durchführen, um den Stimmen aus der Postdoc-Community in der Zusammenarbeit mit der MPG-Verwaltung Gehör zu verschaffen.

Beschwerde-Systeme im Wissenschaftsbetrieb 

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – auch Antidiskriminierungsgesetz genannt – aus dem Jahr 2006 schreibt Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern Pflichten zum Schutz der Beschäftigten vor. An Hochschulen und anderen Wissenschaftsinstitutionen ist die Einrichtung einer Beschwerdestelle üblich. Gemäß eines Empfehlungspapiers der Antidiskriminierungsstelle des Bundes für systematischen Diskriminiererungsschutz an Hochschulen sollte die Beschwerdestelle über das Beschwerdeverfahren informieren, die Beschwerde entgegennehmen und den Sachverhalt aufklären sowie dokumentieren. 

Anschließend müsse entschieden werden, ob ein Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG verankerte Benachteiligungsverbot vorliege. Wenn dem so sei, müssten Maßnahmen und Sanktionen vorgeschlagen werden. Dann seien die Beschwerdeführenden über das Ergebnis der Prüfung zu informieren. 

Grundsätzlich sei es der Arbeitgeberseite überlassen, welche Stelle welche Aufgaben übernehme und involviert werde. An rund sieben von zehn Einrichtungen (72 Prozent) gebe es nach Aussage der Hochschulleitungen Anlauf- oder Beratungsstellen, wie zum Beispiel Gleichstellungsbeauftragte oder Personalvertretungen, die für Betroffene von Diskriminierung eine Erstberatung anbieten und gegebenenfalls an spezialisierte Antidiskriminierungsberatungsstellen verweisen würden.

aktualisiert am 20. März; erstmals veröffentlicht am 17. März

cva