Eine Forscherin schaut durch eine Petrischale
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Bessere Jobsicherheit mit Tenure Track
Herausragende Wissenschaftler in der Forschung halten

Tenure-Track-Professuren sollen Nachwuchswissenschaftlern mehr Jobsicherheit geben. Fragen zur Umsetzung an den Rektor der Universität zu Köln.

Von Vera Müller 10.12.2018

Forschung & Lehre: Die Universität zu Köln kann 27 Tenure-Track-Professuren aus der ersten Runde des Bund-Länder-Programms besetzen. War es leicht, die Fakultäten von der Tenure-Track-Professur zu überzeugen?

Axel Freimuth: Das Verfahren wird von keiner Fakultät grundsätzlich in Frage gestellt. Die Ausnutzung ist unterschiedlich, aber alle machen mit. Vollkommen etabliert ist der Tenure Track in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen, der Philosophischen und in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät. Wir haben derzeit knapp 20 Juniorprofessuren mit Tenure Track und sind gerade dabei, im Rahmen des Bund-Länder-Programms weitere 14 in einer ersten Runde zu berufen, die restlichen bis zu 27 dann in einer zweiten und dritten Runde.

F&L: Die Vorgabe der Tenure-Track-Professuren lautet, dass sie zusätzliche Professuren sein sollen. Ist das in Köln finanziell gesichert? Oder muss die Universität die Verstetigungsmittel aus dem eigenen Haushalt finanzieren?

Axel Freimuth: Die Universität hat von 2007 bis heute ihren Haushalt von 480 Millionen auf jetzt 800 Millionen fast verdoppelt. Dazu gehören auch Mittel, die vom Ministerium angeboten werden. Auf diese Art und Weise konnten wir eine Reihe von zusätzlichen W2- und W3-Professuren an der Universität einrichten. Bezogen auf das Jahr, in dem wir das Bund-Länder-Programm eingerichtet haben, stehen zusätzliche Professuren auf jeden Fall zur Verfügung. Ich habe das Programm allerdings nie in dieser Richtung interpretiert. Es soll ja dauerhaft eingerichtet werden, und man kann nicht jedes Mal, wenn man eine Juniorprofessur schafft, eine neue W2- oder W3-Professur dahinterlegen. Das Verfahren muss vielmehr so eingerichtet werden, dass dauerhaft ein Teil der freiwerdenden vorhandenen W2- und W3-Professuren durch Juniorprofessuren mit Tenure Track neu besetzt wird. Und so haben wir das ausgerichtet. Das Land wird über den Hochschulpakt an der Universität zu Köln 21 Millionen Euro verstetigen, dazu kommen Mittel für andere kapazitätsrelevante Maßnahmen. Dieses Geld wird natürlich, zumindest 60 Prozent, in Personal und damit auch in Professuren investiert. Wir haben also auf jeden Fall eine Gegenfinanzierung.

Prof. Axel Freimuth
Professor Axel Freimuth ist Rektor der Universität zu Köln. Simon Wegener

F&L: Wieviel Tenure-Track-Stellen "verträgt" die Universität zu Köln, ohne andere Wege zur Professur zu verstellen?

Axel Freimuth: An der Universität zu Köln gibt es 600 Professorinnen und Professoren, wir haben durchschnittlich 40 bis 50 Berufungen pro Jahr. Davon wollen wir 20 Prozent maximal über Tenure Track vergeben, das heißt, ungefähr zehn. Zehn Berufungen pro Jahr per Tenure Track bedeuten bei einer Laufzeit von ca. sechs Jahren, dass wir insgesamt 50 bis 60 Tenure-Track-Stellen haben müssen. Das verträgt die Universität zu Köln sehr gut, denn wir haben im Durchschnitt 150 Habilitanden, Emmy-Noether-Gruppen sowie Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren und damit einen recht großen Pool an schon fortgeschrittenen Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, die grundsätzlich für Tenure Track in Frage kommen. Wie sich das Ganze in Zukunft weiter entwickelt, kann ich noch nicht sagen. Aber eine Obergrenze gibt es auf jeden Fall. Das traditionelle Verfahren werden wir natürlich nicht abschaffen. Wir wollen, dass die Mehrheit der Professorinnen und Professoren wie früher von außen berufen wird.

F&L: Zu Tenure Track W2 auf Zeit auf W2 oder W3 auf Lebenszeit: Ist das nicht eine verkappte Erprobung auf Stellen, die früher Lebenszeitstellen waren?

Axel Freimuth: Nein, das machen wir nicht. Zumindest interpretieren wir es nicht so. Eine befristete W2 ist für uns eine Stelle, auf die sich jemand bewirbt, der die Qualifikation zur Professur bereits hat. Und das ist typischerweise eine Stelle, die man für eine Stiftungsprofessur verwendet und die man zunächst nur für fünf Jahre finanziert hat. Wenn die finanziellen Voraussetzungen vorhanden sind, gibt es immer die Möglichkeit, sie nach fünf Jahren zu entfristen und den Wissenschaftler beziehungsweise die Wissenschaftlerin zu übernehmen. Mit einer W1-Tenure-Track-Stelle ist für uns immer eine Qualifikationsphase verbunden. Allerdings gibt es Fächer, in denen Sie mit einer W1-Stelle keine sehr guten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland gewinnen können. In Nordrhein-Westfalen gibt es keine Möglichkeit, auch bei einer W1-Professur das Gehalt zu verhandeln. In den Wirtschafts- oder in den Naturwissenschaften sind wir damit beispielsweise gegenüber Nordamerika nicht konkurrenzfähig. In solchen Fällen nutzen wir auch W2- oder W3-Tenure-Track-Stellen. Dabei handelt es sich um erfahrenere Postdocs, die entsprechende erste Qualifikationsschritte bereits bestanden haben. Die Bewerberinnen und Bewerber durchlaufen ansonsten die gleichen Qualifikationsphasen wie die normalen W1-Professoren mit Tenure Track.

F&L: Wer legt die Kriterien für die jeweilige Leistungsmessung einer Tenure Track-Professur fest?

Axel Freimuth: Die Fakultäten haben in den Grundentscheidungen über die Tenure-Track-Qualifikation den Hut auf. Wir haben Listen von typischen, relativ allgemeinen, Kriterien mit der Tenure-Track-Ordnung verabschiedet, darunter Qualität, Originalität und Kreativität von Forschung und Lehre, Qualität klinischer Kompetenzen, Qualität der Veröffentlichungen, Impactfaktor und Zitationen, Rezeption und Bewertung der Veröffentlichungen national und international, Eigenständigkeit des wissenschaftlichen Ansatzes. Auch Gastvorträge, Auszeichnungen, Preise, Organisation von Tagungen, Patente, aber auch Transfer, Innovation und akademische Selbstverwaltung zählen dazu. Diese Fülle von Kriterien wird dann in den einzelnen Verfahren für das jeweilige Fach spezifiziert. Die Liste dient der grundsätzlichen Information der Kandidatinnen und Kandidaten. Am Ende bewertet die Tenure-Kommission die Kandidatinnen und Kandidaten im Vergleich zu anderen in dieser Altersgruppe und holt dazu auch externe Gutachten ein.

"Ohne externe Gutachter geht gar nichts, und es muss sichergestellt sein, dass diese nach den Befangenheitsregeln der DFG unabhängig sind." Axel Freimuth

F&L: Welche Bedeutung haben externe Gutachter in diesem Berufungsverfahren?

Axel Freimuth: Ohne externe Gutachten geht gar nichts, und es muss auch sichergestellt sein, dass diese externen Gutachterinnen und Gutachter nach den Befangenheitsregeln der DFG unabhängig sind. Mindestens drei externe Gutachten sind vorgesehen. Für jede Tenure-Track-Professur gibt es auch eine Tenure-Kommission, die das Verfahren begleitet. Während des Verfahrens entsteht fortlaufend ein sogenanntes Tenure-Dossier, das unter anderem die Fortschrittsberichte der Mentorinnen und Mentoren beinhaltet. Am Ende liegen also auch viele Informationen aus dem Verfahren selbst vor, die zu den üblichen fachlichen Bewertungskriterien hinzugezogen werden. Dazu kommen externe Gutachten und die Einschätzung der Kommission. Die erste Evaluation wird nach drei Jahren durchgeführt. Wenn die positiv ist, kommt man in die zweite Phase. Die Endevaluation erfolgt dann nach  weiteren drei Jahren. Am Schluss prüft die Rektorats-Tenure-Kommission, ob in dem Tenure-Verfahren die universitätstypischen Qualitätsprozesse eingehalten wurden. Dann geht der Vorschlag zur Berufung ins Rektorat und dort wird die Entscheidung getroffen.

F&L: Wie lässt sich prognostizieren, ob die Kandidatin beziehungsweise der Kandidat Entwicklungspotenzial hat? Es gibt Universitäten, die der Tenure-Track-Professur skeptisch gegenüberstehen, weil sie sich zum Beispiel so früh nicht auf eine Person festlegen wollen.

Axel Freimuth: Das hängt von der einzelnen Person und von den Karrierewegen ab. Es gibt Fachbereiche, in denen Sie das so früh nicht gut einschätzen können. Wenn Sie aber mal den typischen Karriereweg in den Naturwissenschaften nehmen, dann sieht das anders aus: Naturwissenschaftler benötigen drei bis vier Jahre für die Promotion. Dann zeigt sich bereits, ob aus dieser Promotion sehr gute Publikationen entstanden sind. Und wenn daran noch eine zweijährige Postdoc-Phase an einer ausländischen Institution mit weiteren erfolgreichen Publikationen anschließt, dann können Sie gegebenenfalls relativ sicher sein, dass diese Person eine sehr gute Grundqualifikation hat. So ist man ja auch früher vorgegangen, wenn es um eine Habilitationsstelle ging. Wenn Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler das Emmy-Noether-Verfahren positiv durchlaufen oder einen ERC Starting Grant einwerben, dann sind das alles Hinweise darauf, dass sie sehr gut qualifiziert sind. Die Übergangsquote wird hier relativ hoch, realistischerweise vielleicht bei zwei Dritteln oder 80 Prozent, sein. Sonst macht das Verfahren keinen Sinn. Es geht ja darum, jungen Leuten einen früheren, sicheren Karriereweg zu verschaffen. Wenn sie wie bisher erst mit 40 Jahren oder noch später erfahren, dass sie keine Chance auf eine W2- oder W3-Professur haben, stehen sie wirklich vor einem Scherbenhaufen. Bisher zumindest hatten wir in den Verfahren, die wir angestoßen haben, keine Ausfälle. Die kommen alle unter.

F&L: Was gefällt Ihnen am Tenure Track und wo setzt Ihre Kritik an?

Axel Freimuth: Ich persönlich halte sehr viel von dem Verfahren, weil man Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler nicht zu lange hinhält, bis sie verlässsliche Entscheidungen über ihre Karriere machen können und planbare Karrierewege vor sich sehen. Es gibt durchaus Hinweise darauf, dass Familienphasen dazu führen, dass Menschen nicht mehr so mobil sind. Und in solchen Fällen könnte ein Tenure-Track-Verfahren sehr hilfreich sein, um die herausragenden Wissenschaftler auf dem Weg in die Forschung zu halten und zu vermeiden, dass sie woanders hingehen. Das Risiko des Verfahrens besteht darin, dass es eine gute Qualitätssicherung braucht, ansonsten könnte die Qualität ausgehebelt werden. Es gibt natürlich immer Möglichkeiten zu versuchen, jemanden, mit dem man schon länger  zusammenarbeitet, auf eine Stelle im Verfahren zu hieven. Das Verfahren muss also so angelegt sein, dass so etwas nicht funktioniert. Die Entscheidung, jemanden auf eine befristete W1-Stelle zu setzen, fällt sehr früh, und deswegen muss es eine vernünftige Endevaluation geben. Sie muss verifizieren, dass dieser Kandidat die Qualifikation für eine W2- oder W3-Professur ohne jede Abstriche erfüllt. Ich will kein Verfahren, in dem die Übernahme einem Automatismus folgt. Das darf nicht sein. Aber ich mache mir keine Sorgen, dass wir das nicht hinkriegen. Wir haben fest vor, das Verfahren nach einigen Jahren, wenn die ersten Tenure-Entscheidungen vorliegen, auch extern evaluieren zu lassen und zu bewerten.