Nikos Logothetis
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Max-Planck-Gesellschaft
Hirnforscher macht nach Tierversuchs-Streit in China weiter

Nikos Logothetis wechselt von der Max-Planck-Gesellschaft nach China. Der renommierte Hirnforscher will nicht mehr in Tübingen arbeiten.

17.01.2020

Der weltweit renommierte Hirnforscher Professor Nikos Logothetis wird Deutschland verlassen. Der jetzige Direktor des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik in Tübingen will dieses Jahr nach Shanghai wechseln. Wie ein Gastautor in der "FAZ" berichtete, wird dort gerade eigens für ihn ein neuer Forschungscampus eingerichtet. Begleitet werde Logothetis von vielen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, samt deren Familien. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) teilte mit, ihr liege keine Information zu Logothetis Austrittsdatum vor.

Logothetis, der als Wissenschaftler international einen sehr guten Ruf genießt, geriet zuletzt öffentlich unter Druck als Filmmaterial aus seinem Affenlabor veröffentlicht wurde. Ein Tierversuchsgegner hatte 2014 aus 100 Stunden Filmmaterial ein kurzes Video zusammengeschnitten, das die Forschungszustände im Labor des Hirnforschers dem "FAZ"-Artikel zufolge falsch darstellte.

Nach einer Anzeige durch "Ärzte gegen Tierversuche" und einem mangelhaften Gutachten erstellte die Staatsanwaltschaft Tübingen einen Strafbefehl gegen Logothetis. Die MPG entzog ihm laut eigenen Angaben darauf teilweise die Institutsleitung, wodurch zwar sein Personal, nicht aber er selbst Tierversuchsanträge stellen oder Tierversuche durchführen durfte. Ein Treffen des Fachbeirats zur wissenschaftlichen Bewertung von Logothetis Arbeit sagte die MPG laut "FAZ"-Beitrag ab. Der MPG zufolge, musste der Fachbeirat neu zusammengesetzt werden. Im abschließenden Gerichtsverfahren wurde Logothetis jedoch rehabilitiert. Die MPG schloss sich dem an und gab Logothetis die Institutsleitung und damit die Erlaubnis, Tierversuche durchzuführen, zurück.

Der durch das Video verursachten gesellschaftlichen Empörungswelle stellten sich die MPG und die meisten deutschen Universitäten dem Beitrag in der "FAZ" zufolge nicht entgegen. Demnach kritisierten sie die Fehldarstellung der wissenschaftlichen Arbeit von Logothetis nicht. Auch unternahm die MPG laut "FAZ"-Artikel keine juristischen Schritte gegen die Tierversuchsgegner, etwa wegen illegalen Filmens, Morddrohungen und Beleidigungen. Die MPG widersprach dem. International solidarisierten sich über 5.000 Forschende mit Logothetis und kritisierten das Vorgehen der MPG. Der MPG-Präsident verteidigte allerdings die Notwendigkeit von Tierversuchen für die Forschung im Allgemeinen. 

Nach Angaben des "FAZ"-Gastautors wäre Logothetis gerne geblieben, aber unter den gegebenen Umständen sei es ihm nicht mehr möglich, seine Arbeit in Tübingen weiterzuführen. Die MPG verwies auf die in 2022 anstehende Emeritierung von Logothetis, die bereits über das reguläre Emeritierungsalter von 68 Jahren verlängert worden sei. In den Jahren vor der Emeritierung dürften wissenschaftliche Mitglieder der MPG grundsätzlich kein Personal mehr fest anstellen. Vielmehr seien sie angehalten, ihren Mitarbeiterstamm zu reduzieren. Die Institute der MPG würden sich in solch einer Umbruchphase üblicherweise wissenschaftlich neu ausrichten, was auch in Logothetis Fall geplant sei. Seit 2019 sei nun der theoretische Neurowissenschaftler Professor Peter Dayan in Tübingen als Instituts-Direktor tätig, eine weitere Abteilungsleitung werde derzeit gesucht.

Korrigiert am 20.01.2020 um 17:45 Uhr; zuerst veröffentlicht am 17.01.2020 um 11:50 Uhr. Korrektur: Professor Nikos Logothetis wurde nicht, wie zunächst angegeben, die gesamte Institutsleitung entzogen. Es handelte sich laut MPG um einen Teilentzug mit der Folge, dass Logothetis keine Tierversuche mehr durchführen durfte. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde ihm die Leitungsfunktion zurückerteilt, sodass er auch wieder Tierversuche macht.

ckr