

Extremwetterereignisse
Hochschulen wappnen sich gegen Naturgewalten
Starkregen und Stürme gefährden Personen und verursachen jedes Jahr immense Schäden an Fahrzeugen, Gebäuden und Inventar; Hitzephänomene belasten Natur und Mensch – auch an Hochschulen. Allein zwischen 2018 und 2024 gab es über 29.000 Hitzetote in Deutschland, meldet das Robert-Koch-Institut (RKI). Mit dem fortschreitenden Klimawandeln hat auch Deutschland zunehmend mit Extremwetterereignissen und deren Folgen zu tun.
"Wir führen die starken Niederschläge, die zu den Überschwemmungen in Mitteleuropa führten, größtenteils auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurück", äußerte sich anlässlich des Sturms "Boris" Mitte September das Forschungsprojekt "Climameter" der Europäischen Union und der französischen Forschungsorganisation CNRS. Nach den Erkenntnissen des Weltklimarates (IPCC) nähmen Extreme im Wasserkreislauf schneller zu als die durchschnittliche Veränderung.
Expertinnen und Experten raten den Gemeinden, Vorkehrungen für mehr Umweltschutz, aktive Risikominderung und zum Schutz im Krisenfall zu treffen, beispielsweise indem Mobilität und Energieverbrauch emissionsärmer gestaltet, Häuser begrünt, Dämme und Wasserpuffer aufgebaut oder Auengebiete beziehungsweise Rückhaltebecken zur Überflutung geschaffen werden. Doch der Schutz von Menschen, Infrastruktur und Gebäuden ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die nur durch die Beteiligung möglichst vieler Vertreterinnen und Vertreter relevanter Lebensbereiche gelingen kann.
Was heißt das für die Hochschulen in Deutschland? Einige Schlaglichter aus einer stichprobenhaften Umfrage von "Forschung & Lehre" zeigen, dass viele Hochschulen für den Ernstfall ganz gut aufgestellt sind. Mit weiteren personellen und finanziellen Ressourcen könnte man auch vorsorgende Maßnahmen zur Vermeidung von Notfallsituationen aufgrund von Extremwetter weiter ausbauen.
Erfahrungen aus der Corona-Krise durchaus hilfreich
"Die Corona-Pandemie hat das Bewusstsein für Krisensituationen deutlich geschärft und die Relevanz eines gut strukturierten Krisenmanagements sowie einer klaren und zielgerichteten Krisenkommunikation unterstrichen", betont die stellvertretende Leiterin der Hochschulkommunikation der Universität Stuttgart, Lydia Lehmann, gegenüber "Forschung & Lehre". Ähnlich sieht man es in Trier: "Durch die Corona-Pandemie sind Kommunikationswege innerhalb der Universität erprobt und eingespielt, was auch für den Umgang mit Extremwetter-Krisen hilfreich sein kann", bewertet der stellvertretende Kanzler Thomas Künzel den Nutzen dieser speziellen Krisenerfahrungen.
Optimierungsorientiert zeigt sich die Technische Universität Dresden (TUD), welche die Corona-Krise als Chance ansieht, entdeckte Lücken im Krisenmanagement zu schließen. An der Universität Hamburg schätzt man die Erfahrungen und Erkenntnisse in der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit während der Corona-Pandemie ebenfalls als nützlich ein. Auch habe sich die Notwendigkeit abgezeichnet, verschiedene Szenarien dezidierter vorzubereiten sowie Befugnisse und Zuständigkeiten festzuschreiben. Ebenso sei das nachgelagerte Thema "Debriefing" – also die systematische Nachbereitung und Analyse des Erlebten – in dieser Praxiserfahrung als wichtig für zukünftige Krisen erkannt worden.
An der Universität Greifswald sieht man für die Extremwetterkrise vor allem Bedarf an "guten Führungsstrukturen und individuellen Maßnahmeplänen zum Schutz von Universitätsangehörigen und Sachwerten", wie der Leiter des Referats "Zentrale Dienste" Mike Naujouk ausführt. Während der Corona-Pandemie habe man hingegen nur vorgegebenen Maßnahmen von Bundes- und Landesregierungen umgesetzt, so dass eine Vergleichbarkeit nicht gegeben sei.
Notstromaggregat und Nasssauger: Hochschulen in der Krise
"Die Universität Greifswald gehört einem Verbund der Universitäten und Hochschulen an, die gemeinsam einen Krisen- und Notfallplan für die Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern erarbeitet haben", berichtet Naujok. Zu den Maßnahmen gehörten unter anderem eine Gefährdungsbeurteilung, eine Einsatzdokumentation, Gebäudedokumentationen sowie der Krisenstab selbst, aber auch ganz praktische Dinge wie bereitgestellte Kommunikationsmittel – Funkgeräte und Satellitentelefone – sowie Notstromaggregate und Dieselheizungen. "An der Universität Greifswald können beispielsweise bei Ausfall der Strom- und/oder Wärmeversorgung ausgewählte und festgelegte Bereiche der naturwissenschaftlichen Forschung, des Weiterbetriebes von Teilen der tropischen Gewächshäuser, Archive, sensible Sammlungen und ein Krisenstabsraum für die Hochschulleitung autark weiterbetrieben werden", erläutert Naujok. Übungen zur Überprüfung von Abläufen, Strukturen und Verbesserungspotenzialen würden durchgeführt.
In Greifswald habe man zudem ein eigenes Maßnahmenpaket zum Schutz von Universitätsmitgliedern bei starkem Schneefall: "Hier werden Hörsäle wegen hoher Dachlasten gesperrt, zusätzlicher Winterräumdienst mit eigener vorgehaltener Technik eingesetzt und Verhaltensanweisungen für Studierende im Falle von Extremwetterlagen zum Versenden über einen Mailverteiler vorbereitet."
An mehreren Universitäten der Stichproben-Umfrage von "Forschung & Lehre" werden in Krisenplänen Szenarien dargestellt, die als außergewöhnliche Ereignisse in Frage kommen könnten – darunter auch Extremwetter. So könnte die TUD auf wetterbedingte Krisen mit einem Bündel an verschiedenen Präventions-, Interventions- und Sicherungsmaßnahmen für den Ernstfall reagieren. Das Besondere in Dresden: die eigene betriebliche Feuerwehr. Mit Hochwasser hat man bereits Erfahrungen gesammelt: "Beim Hochwasser in Dresden in den Jahren 2002 und 2013 konnten wir uns auf die große Unterstützung der Betrieblichen TUD-Feuerwehr sowie einer Vielzahl von Universitätsangehörigen verlassen", erklärt Pressereferent Benjamin Griebe.
Erst kürzlich hätten sich in Trier Bibliotheken, Archive und Museen unter Federführung der Universitätsbibliothek zu einem Notfallverbund zusammengeschlossen, um im Krisenfall "Überflutung" eine gegenseitige Unterstützung zu sichern. Insbesondere mit Wasserschäden habe man in Trier Erfahrungen gemacht und Konsequenzen gezogen: "Bei einem Starkregenereignis im Jahr 2022 kam es zu einem größerem Wassereintritt in der Sporthalle. Infolgedessen wurde ein neues Entwässerungskonzept für Starkregenereignisse erarbeitet. Aktuell werden neue Regenrückhaltebecken und Entwässerungswege gebaut", so der stellvertretende Kanzler Künzel. Auch an der Universität Stuttgart liegt der Fokus nach eigenen Angaben insbesondere auf der Begrenzung von Schäden durch Starkregenereignisse. "Hierzu verfügen wir über spezialisierte Ausrüstung wie Nasssauger und Pumpen, um kleinere Überschwemmungen effektiv bewältigen zu können", führt die stellvertretende Leiterin der Hochschulkommunikation, Lydia Lehmann, gegenüber "Forschung & Lehre" aus.
Themen-Schwerpunkt "Klimawandel"
Die Veränderung des Klimas ist eine der drängendsten gesellschaftlichen Herausforderungen dieser Zeit. Die Wissenschaft veröffentlicht regelmäßig neue Studien über die Effekte auf Mensch und Erde. Auch Hochschulen versuchen, klimabewusst zu arbeiten. Artikel zum Thema finden Sie in unserem Themen-Schwerpunkt "Klimawandel".
Die Extremwetter-Krise vermeiden: Risikominderung kostet extra
Um die Auswirkungen extremer Wetterlagen gar nicht erst zu groß werden zu lassen, setzt die Universität Trier auf bauliche und aufklärerische Maßnahmen: "Die Spanne der Maßnahmen reicht beispielsweise von Verhaltenstipps bei Sommerhitze im Büro über temporäre Anpassung der Kernarbeitszeiten bis zu Sonnenschutzsystemen an Fenstern und Fassaden. Zur Prävention durch Sensibilisierung der Beschäftigten wird auch eine neu geschaffene Stelle für Gesundheitsmanagement beitragen", führt der stellvertretende Kanzler einige Maßnahmen im Bereich "Hitzeschutz" aus.
Auf Prävention und Aufklärung setzt gleichfalls die Universität Hamburg. Die Angehörigen der Universität würden durch Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragte und Führungskräfte informiert und hätten zudem über das Intranet Zugang zu Materialien, beispielsweise zum Arbeiten bei extremer Hitze. "Für besonders exponierte Statusgruppen findet eine gesonderte Beratung statt, zum Beispiel im Gartenbau, bei Expeditionen, bei Exkursionen", erläutert die Hamburger Hochschule auf Anfrage. Darüber hinaus würden die Gefahren durch Extremwetterereignisse bei geplanten Um- und Neubauten berücksichtigt.
Im Bereich Vorsorge würde man nach eigenen Angaben an der Universität Trier gerne noch mehr machen, aber selbst für die Instandhaltung von undichten Dächern sei in der Vergangenheit zu wenig Geld dagewesen. Auch an der Universität Stuttgart bedeutet Prävention in der Praxis eher Schadensminimierung, da für die tatsächliche Vermeidung von Krisen und entsprechende vorbeugende technische als auch bauliche Maßnahmen sowohl die finanziellen als auch personellen Ressourcen fehlten. Insgesamt seien die Rahmenbedingungen für den öffentlichen Hochschulbau nicht förderlich in Bezug auf notwendige Vorsorgemaßnahmen.
Wissenschaftliche Expertise hochschulintern vorhanden
Neben den Krisenkonzepten gibt es an zahlreichen Hochschulen auch wissenschaftliche Projekte, die sich mit dem Klimawandel und Extremwetterereignissen auseinandersetzen. Teils haben diese sogar einen expliziten Praxisbezug und es bestehen Kooperationen mit kommunalen oder länderspezifischen Verbünden.
- Im Rahmen des von der Bundesregierung geförderten Modellprojekts "Smart City Dresden" arbeiten Forschende der TUD beispielsweise an einer App zur Simulation von Starkregenereignissen. Ziel sei ein vollautomatisches Simulationstool, womit auch die Vorbereitung auf Extremwettereignisse verbessert werden könne, erklärt Pressereferent Griebe.
- Ein weiteres Beispiel ist der Forschungsverbund "Klima-Anpassung, Hochwasser, Resilienz" (KAHR) unter der Leitung von Professor Jörn Birkmann vom Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung (IREUS) der Universität Stuttgart. Dort würden Strategien für einen nachhaltigen Wiederaufbau nach Hochwasserereignissen mit praxisnahen Lösungen zur Erhöhung der Zukunftsfähigkeit flutbetroffener Regionen erarbeitet.
- Bei HydroSKIN handelt es sich um eine neuartige Fassadentechnologie aus mehreren Textillagen und Membranen, die an der Universität Stuttgart entwickelt wurde. Sie könnte Gebäude und ganze Städte wetterfest gegen Starkregen und Hitze machen.
- Am "Institut für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht" (IDEW) der Universität Trier forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur krisensicheren Gestaltung der Wasserversorgung mittels sensorbasiert erhobener Daten. Diese Echtzeit-Daten würden mithilfe von Programmen auf Basis Künstlicher Intelligenz in belastbare Prognosen zur örtlichen Versorgung umgewandelt.
In der Summe hinterlassen die aufgezeigten Schlaglichter auf die Hochschullandschaft Deutschlands den Eindruck eines durchdachten Krisenmanagements für den Extremwetterfall und von viel vorhandenem Fachwissen. Eins wird deutlich: Hätten die Hochschulen die notwendigen finanziellen Mittel, könnten sie auf Basis wissenschaftliche Erkenntnisse und Expertise weitere Vorsorgemaßnahmen erarbeiten und umsetzen. Im Idealfall könnten sie sogar noch einen Schritt weitergehen und die Folgen des Klimawandels zumindest im Rahmen ihres Handlungsfelds entschärfen: Beispielsweise indem sie Emissionen im Hochschulbetrieb mittels Modernisierungsmaßnahmen nachhaltig mindern und so aktiv gegen die schnell steigende Erderwärmung als Hauptursache für immer extremer werdende Wetterereignisse vorgehen. Stattdessen müssen sich die Hochschulen mit den meist viel teureren Folgeschäden dieser Klimawandelsymptome beschäftigen.