

Exzellenzinitiative
Je größer, desto exzellenter?
Der Fokus unserer auf Fachdisziplinen ausgerichteten Studie lag auf der Frage, welche institutionellen Faktoren die Wahrscheinlichkeit erhöhten, dass ein bestimmtes Fach innerhalb einer Universität im Rahmen der Exzellenzinitiative gefördert wurde. Zusätzlich wurde geprüft, ob sich diese Faktoren zwischen der ersten (2006–2011) und zweiten Förderphase (2012–2017) veränderten und wie stark die Förderentscheidungen der ersten Phase die der zweiten beeinflussten.
Die Studie basiert auf einem umfangreichen Datensatz zu 2.350 Fächern an staatlichen Universitäten in Deutschland, der Angaben zu Professorinnen und Professoren, Studierenden, zur Grundfinanzierung, zum Drittmittelvolumen, sowie zu ihren Publikationen und Zitationen enthält. Im Beobachtungszeitraum gab es in Deutschland 102 Hochschulen mit Promotionsrecht, davon 82 staatliche und 20 private. Wir konzentrieren uns auf staatliche Universitäten, die ein breites Fächerspektrum anbieten. Auf einzelne Fächer spezialisierte Hochschulen werden somit nicht betrachtet. Unser Fokus liegt auf den Förderlinien Graduiertenschulen (GS) und Exzellenzcluster (EC), die den Großteil der Fördermittel ausmachten. Mithilfe logistischer Regressionen (abhängige Variable ist binär kodiert: 1=Förderung, 0=keine Förderung) haben wir untersucht, welche Faktoren die Wahrscheinlichkeit einer Förderung beeinflussen.
Sichtbares Muster
Unsere deskriptive Analyse zeigt zunächst eine stabile, auf Organisationsgröße beruhende Ordnung im Hochschulsystem. Das bedeutet: Die Förderwahrscheinlichkeit steigt mit der Größe und Ausstattung einer Universität. Das zeigt ein Muster, das bereits vor der "Umverteilung" im Rahmen der Exzellenzinitiative sichtbar war. Nicht geförderte Universitäten lagen über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg (1995–2018) bei der Größe des professoralen Personals etwa 30 Prozent unter und bei der Grundfinanzierung etwa 50 Prozent unter dem Durchschnitt aller Universitäten. Universitäten mit mindestens einer Förderlinie verfügten hingegen über eine Professorenschaft, die 20 Prozent über und über eine Grundfinanzierung, die 30 Prozent über dem jeweiligen Durchschnitt lag. Die "Exzellenz"-Universitäten, also Universitäten mit Förderung in drei Linien, waren die am besten ausgestatteten Einrichtungen: Ihre Professorenschaft lag um 40 Prozent über und ihre Grundfinanzierung um 80 Prozent über dem jeweiligen Mittelwert.
Dabei ist festzuhalten, dass über den Beobachtungszeitraum hinweg an den voll geförderten Universitäten seit 1995 eine relativ abnehmende Zahl von Studierenden eingeschrieben war und ab 2010 in zunehmendem Umfang DFG-Projekte gefördert wurden, während es sich bei den nicht geförderten Universitäten genau umgekehrt verhielt. Das deutet auf eine gewisse Schwerpunktverlagerung hin: im Bereich Lehre zu den nicht geförderten kleineren Universitäten, im Bereich Forschung zu den voll geförderten größeren Universitäten. Allerdings gibt es für die weitreichende Behauptung einer verstärkten funktionalen Differenzierung zwischen Lehr- und Forschungsuniversitäten, wie sie etwa vom früheren Präsidenten der DFG, Ernst-Ludwig Winnacker, vertreten wurde, bisher keine empirischen Belege. Die internationale Evaluierungskommission kam 2016 zu dem Schluss, dass eine Differenzierung des deutschen Hochschulsystems als Folge der Exzellenzinitiative nicht nachweisbar sei.
"Große Fächer hatten somit bessere Chancen, eine Finanzierung durch die Exzellenzinitiative zu erhalten."
Eine Kreuztabellierung der beiden Förderphasen zeigt ein erstaunliches Ausmaß an Pfadabhängigkeit. In der ersten Phase wurden 2.248 Fächer nicht gefördert, von diesen wurden 2.215 (99 Prozent) auch in der zweiten Phase nicht gefördert. Umgekehrt wurden von den 102 Fächern, die in der ersten Phase eine Förderung erhielten (entweder GS, n=92, oder EC, n=10), 91 (89 Prozent) auch in der zweiten Phase erneut gefördert. Die "Reproduktionsrate" auf Ebene aller Fächer betrug insgesamt betrachtet 98 Prozent (2.300 von 2.350 Fächern).
Logistische Regressionsanalysen, die den Einfluss zentraler Variablen wie Fachgröße (Professorenschaft und Studierende) sowie Drittmittelvolumen auf Fach- und Universitätsebene berücksichtigen, bestätigen weitgehend die deskriptiven Befunde und führen zu weiteren Ergebnissen. Erstens ist die Größe eines Fachs, gemessen an der Professorenschaft, wichtig. In beiden Förderphasen war diese Zahl ein statistisch signifikanter Faktor für die Förderwahrscheinlichkeit. Große Fächer hatten somit bessere Chancen, eine Finanzierung durch die Exzellenzinitiative zu erhalten.
Zweitens machte das Volumen der eingeworbenen Drittmittel auf Fächerebene einen großen Unterschied: Je mehr externe Fördermittel ein Fach erhielt, desto größer war die Wahrscheinlichkeit einer Förderung durch die Exzellenzinitiative – besonders ausgeprägt war dieser Zusammenhang an nicht-technischen Universitäten. Interessant ist drittens, dass der wichtigste Einzelprädiktor in der zweiten Förderphase war, ob ein Fach bereits in der ersten Phase gefördert wurde. Dieser Befund deutet auf eine erhebliche institutionelle Reproduktion von Förderchancen hin. Im Gegensatz dazu hatten universitätsspezifische Faktoren wie das Gründungsjahr oder die geografische Lage keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Förderwahrscheinlichkeit.
Absolute Größe und wissenschaftliches Prestige
Unsere Ergebnisse bestätigen die Aussage aus der früheren und kritischen Literatur zur Exzellenzinitiative wie zum Beispiel Richard Münch: Die akademische Elite (2007), derzufolge absolute Größe und sozial konstruiertes wissenschaftliches Prestige als zentrale institutionelle Prädiktoren für den Fördererfolg auf der Ebene von Universitäten ("Eliteuniversitäten") identifiziert wurden. Wir zeigen, dass Größe und Drittmittelvolumen auch auf der Fächerebene höchst relevant für die Verteilung von Förderchancen waren. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu einer wachsenden Zahl empirischer Studien, die wissenschaftliche Exzellenz weniger als ein Merkmal großer Forschungsverbünde, sondern eher als Charakteristikum kleiner, spezialisierter Arbeitseinheiten ausweist.
Mehr als zehn Jahre nach Beginn der Exzellenzinitiative schneiden die deutschen Universitäten im internationalen Vergleich weiterhin schlecht ab. So können einer 2016 veröffentlichten Studie zufolge alle staatlichen deutschen Universitäten (n=82) weniger Fächer vorweisen, deren Publikationen zu den weltweit zehn Prozent meistzitierten gehören, als die staatlichen Universitäten in den Niederlanden (n=12). Deutschlands Universitäten verfügen demnach über weniger Fächer, die international beachtete Forschung publizieren, als die Hochschulen des wesentlich kleineren Nachbarlands. Zum Vergleich: Die Niederlande haben in etwa die Fläche und Bevölkerungszahl von Nordrhein-Westfalen. Schon allein an diesem Indikator wird deutlich, wie sehr das forschungspolitische Narrativ von "Exzellenz" von der empirischen Wirklichkeit abweicht.
Es ist anzunehmen, dass die Wirkung der Exzellenzinitiative viel größer gewesen wäre, wenn sie eine größere Anzahl von Fächern an mehr Universitäten gefördert hätte. Allerdings wäre eine solche Wirkung nur mit wesentlich höheren Investitionen in die Universitäten möglich gewesen. Diese sind bislang ausgeblieben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass nur etwa vier Prozent aller Fächer überhaupt gefördert wurden.
Was erhofft sich die DFG von einer solchen selektiven Förderung? Mit einer derart begrenzten Minimalförderung lassen sich sicherlich keine breitflächigen Verbesserungen im Hochschulsystem erreichen.
Welche möglichen Empfehlungen lassen sich für die seit 2019 laufende Exzellenzstrategie formulieren? Erstens ist die Frage zu stellen, warum im Rahmen der Exzellenzinitiative nicht stärker die relative Performanz einzelner Fächer ins Zentrum gerückt wurde. Wieso wurden vor allem große Fächer gefördert, ohne dass im Einzelnen nachgewiesen wurde, ob diese großen Fächer auch relevante wissenschaftliche Neuerungen hervorgebracht haben oder besonders effizient in der Produktion ihrer Forschungsergebnisse waren? Entsprechende Belege dafür ist die DFG bislang schuldig geblieben.
Zweitens ist die Frage zu stellen, warum für die Förderentscheidungen ein so hoher administrativer Aufwand notwendig war. Die Auswahllogik der DFG zwischen der ersten und zweiten Förderphase legt nahe, dass viele tausend Seiten Antragsunterlagen sowie ungezählte Kapazitäten internationaler Gutachterinnen und Gutachter und DFG-Beschäftigter für Begutachtung und Begehungen in Anspruch genommen wurden – obwohl die Förderentscheidungen doch praktisch einer deterministischen Logik folgten. Der US-amerikanische Organisationsforscher Barry Bozeman bezeichnet administrative Regeln und Prozesse, die keinen legitimierbaren Zweck verfolgen und kein sozial relevantes Problem lösen, als bürokratisches "red tape".
"Die extreme Konzentration auf wenige Fächer an wenigen Universitäten begrenzt die gesellschaftliche und systemische Wirkung erheblich."
Abschließend ist die Frage zu stellen, welche Handlungsempfehlungen dem deutschen Universitätssystem auf den Weg gegeben werden sollten. Eine erste Empfehlung betrifft die Frage nach formativer Evaluation versus Drittmittelfetischismus. Die Auswahl von Fächern sollte sich stärker an der Frage orientieren, wie konkrete Fächer an konkreten Universitäten gezielt unterstützt werden können. Hierzu könnten Publikations- und Zitationsdaten herangezogen werden, die wir im Rahmen des Fachprofile-Projekts an der BU Wuppertal bereits seit einigen Jahren kostenfrei im Netz bereitstellen. Drittmittel allein sind jedenfalls kein verlässlicher Indikator für wissenschaftliche Exzellenz.
Zweitens sollten mehr Fächer an mehr Universitäten gefördert werden. Die extreme Konzentration auf wenige Fächer an wenigen Universitäten begrenzt die gesellschaftliche und systemische Wirkung erheblich. Eine breitere Förderung, die auch die Diversität der wissenschaftlichen Fachkulturen stärker berücksichtigt – insbesondere durch die gezielte Unterstützung aufstrebender Forschungsgruppen in unterschiedlichen Disziplinen –, könnte die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Forschung in Deutschland deutlich steigern.
Förderentscheidung Exzellenzcluster
Am 22. Mai wird bekannt gegeben, welche Exzellenzcluster ab Januar 2026 gefördert werden. Es werden 70 aus 98 Clustern ausgewählt. Davon sind 41 neu und treten in Konkurrenz zu den 57 bestehenden Clustern, berichtet Table Media.
Die Verkündigung kann ab circa 17 Uhr live im Youtube-Kanal der Deutschen Forschungsgemeinschaft verfolgt werden.