In einem Demonstrationsumfeld ist ein Papp-Plakat zu sehen, auf dem "Sylt oben links nicht rechts" steht.
picture alliance/dpa | Lea Sarah Albert

Rechtsextremismus
Keine Exmatrikulation nach Sylter Rassismus-Eklat

Nach rassistischem Gegröle auf Sylt drohten einer Studentin Konsequenzen. Ihre Hochschule hat sich gegen ein Exmatrikulationsverfahren entschieden.

21.06.2024

Eine an dem rassistischen Gegröle junger Party-Gäste in einer Sylter Bar beteiligte Studentin darf weiter an ihrer Hamburger Hochschule studieren. Zu diesem Ergebnis sei der Exmatrikulationsausschuss der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg gekommen, teilte die HAW am Donnerstag mit. "Es wird kein Exmatrikulationsverfahren gegen die Studierende der HAW Hamburg geben, die sich an den rassistischen Gesängen im Rahmen einer Feier auf Sylt beteiligt hat." Ein bis Ende Juli gegen die Studentin ausgesprochenes Hausverbot bleibe aber bestehen. 

Die sechs Mitglieder des Ausschusses hätten die Verhältnismäßigkeit abgewogen, da es sich bei einer Exmatrikulation um einen schweren Grundrechtseingriff handele, hieß es. Dabei habe man das Hausverbot und die individuelle Studiensituation einbezogen. Nach sorgfältiger Prüfung sei die Entscheidung gegen das Exmatrikulationsverfahren einstimmig gefallen. Die HAW habe sich eindeutig von dem vor einem Monat viral gegangenen Video und den darin geäußerten Inhalten distanziert, heißt es in der Mitteilung. "Sie steht als weltoffene Hochschule gegen Rassismus in jeglicher Form und trifft ihre Entscheidungen aus der Verantwortung heraus, ein offenes respektvolles Miteinander zu pflegen und auch einzufordern." 

Rassistischer Vorfall mit Beteiligung einer HAW-Studentin 

Auf einem wenige Sekunden langen Video, das zu Pfingsten in der Pony-Bar in Kampen entstanden sein soll, ist zu sehen und zu hören, wie junge Menschen zur Melodie des Party-Hits "L'amour toujours" von Gigi D'Agostino rassistische Parolen grölen. Sie singen "Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!". Der Vorfall löste bundesweit Empörung aus. 

"Rechtsradikale, rassistische Vorfälle passieren deutschlandweit, in der Mitte der Gesellschaft und auch an unserer Hochschule", sagt Professorin Dr. Ute Lohrentz dazu in einer öffentlichen Stellungnahme der Hochschule. Aus diesem Grund habe die Präsidentin die Beschäftigten und Studierenden der Hochschule in einer E-Mail dazu aufgerufen, gemeinsam dafür einzustehen, dass die HAW eine weltoffene, tolerante Hochschule bleibe. "Das gelingt uns, in einem offenen, zugewandten Miteinander an unserem Campus, in den Lehrveranstaltungen, in unseren Projektarbeiten und Verwaltungsprozessen", so die Präsidentin.

Frustration und Rassismus: 
Warum junge Menschen rechts gewählt haben

Sie sind jung, politisch interessiert und begeistert von der AfD: Bei der Europawahl haben deutlich mehr junge Wähler als 2019 ihr Kreuzchen bei der Partei gemacht, deren Spitzenkandidaten zuletzt vor allem durch Skandale aufgefallen waren. 

Experte: Junge Menschen sind "grundfrustriert" 

"Das hat mich gar nicht überrascht", sagt der Hamburger Politikberater und Social-Media-Experte Martin Fuchs. Er nehme bei jungen Leuten schon länger eine "Grundfrustration" wahr. Das habe schon zu Zeiten der Finanzkrise begonnen und sich bis nach der Corona-Pandemie durchgezogen: Es seien immer die Jüngeren gewesen, für die "am wenigsten Politik gemacht" worden sei. Ein weiterer Grund sei der Umgang der Bundesregierung mit Kriegen und Krisen. Der habe zu einer "maximalen Ernüchterung" auch von Anhängerinnen und Anhängern progressiver Ideen geführt, analysiert Fuchs. Die AfD habe hier einfache Antworten zu bieten. "Populismus ist anschlussfähig – nicht nur bei jungen Leuten." 

"Struktureller Rassismus" helfe der AfD 

Und dennoch bleibt die Frage: Warum wählt ein Teil der jungen Menschen dann nicht eher die Union und letztendlich doch die AfD – eine Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall und in drei Ländern sogar als gesichert rechtsextrem eingestuft wird? "Junge Menschen sind nicht unbedingt links-progressiv eingestellt, sondern haben auch teilweise ein vielleicht antisemitisches, rassistisches Weltbild", sagt Fuchs. Die AfD habe es geschafft, das Potenzial von strukturellem Rassismus in Deutschland zu heben – dieser sei schon seit 20, 25 Jahren durch Studien belegt. Das Sylt-Video mit "Ausländer-Raus"-Parolen sei nur die Spitze des Eisbergs.

dpa/cva