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Finanzierung
Warum die IT-Infrastruktur an den Uniklinika zu kurz kommt

Die IT ist aus den Uniklinika nicht wegzudenken. Doch bei deren Infrastruktur mangelt es vielerorts, kritisiert die Leiterin der IT am UKM.

Von Katrin Schmermund 01.09.2020

Forschung & Lehre: Frau Kümmel, im Voraus auf unser Gespräch haben Sie gesagt, dass es in der IT an der zugrundeliegenden Infrastruktur an vielen Stellen hapert. Woran liegt das?

Katja Kümmel: In der Tat fehlen an den Uniklinika in vielen Räumen noch immer Leitungen oder Netzdosen und damit WLAN und Mobilfunk. Das liegt daran, dass unter den Klinika viele Altbauten sind und das  Geld für Modernisierungen nachträglich beantragt werden muss. Doch dieses Geld aus anderen Töpfen freizumachen, ist ein langwieriger Prozess, bei dem erschwerend hinzukommt, dass in vielen Gebäuden bei den Arbeiten erkannt wird, dass Asbest in den Wänden ist, wodurch das Ganze deutlich teurer wird als geplant. Teils kommt es in der Folge gar nicht erst zu den Modernisierungen, weil die Ausgaben nicht im Verhältnis zum Nutzen stehen. Es wird dann bis zum Neubau eines Gebäudes gewartet.

Katja Kümmel
Katja Kümmel leitet den Geschäftsbereich IT des Universitätsklinikums Münster und ist Mitglied des IT-Ausschusses beim Verband der Universitätsklinika. UKM

F&L: Was tun Sie dafür, dass es mit der Modernisierung der IT-Infrastruktur schneller vorangeht?

Katja Kümmel: Ich setze mich dafür ein, dass Modernisierungen einem stringenten Planungsprozess folgen und wir uns etwa vor der Anschaffung neuer Geräte mit Fachleuten der verschiedenen Fachbereiche an einen Tisch setzen, um alle Bedarfe im Voraus festzuhalten und sie entsprechend einplanen zu können. In den Haushaltsplänen halte ich es für wichtig, dass die IT ihren eigenen Topf hat, damit das Geld nicht letztlich doch für andere Zwecke eingesetzt wird. Initiativen wie der IT-Masterplan der NRW-Uniklinika gehen betonen die Bedeutung von Invesitionen in die IT, aber es kommt noch viel zu wenig Geld von Land und Bund. Wir haben bei der IT-Infrastruktur schätzungsweise einen Rückstand von acht Millionen Euro pro Klinikum pro Jahr.

 

IT-Kosten am Uniklinikum Münster

KostenpunktIT-Kosten (in Euro)davon IT-Infrastruktur (in Euro)Anteil (in Prozent)
Personal7.7942.22329
Sachkosten 17.419 3.796 22
Abschreibungen4.296 1.894 44
Investitionen6.5253.91860

 

Quelle: UKM

F&L: Fehlt das Bewusstsein dafür, dass das Geld notwendig ist?

Katja Kümmel: Das Bewusstsein für die Bedeutung der IT wächst. Das Problem liegt darin, dass grundsätzlich vor allem in Bereiche investiert wird, bei denen das Ergebnis unmittelbar sichtbar ist. Grundsätzlich muss daher die IT bei Investitionen in den Bau neuer Gebäude schnell zurückstecken, wenn sie keinen eignenen Kostenpunkt darstellt. Denn bei Patientinnen und Patienten kommen vor allem die nach außen modern wirkenden Gebäude gut an, wovon die Uniklinika profitieren. Die IT rückt erst in den Blick, wenn etwas nicht funktioniert. Schaut man auf die IT selbst, liegt das Interesse von Ärztinnen und Ärzten vor allem an leicht zu handhabenden Gesundheitsapps und andere digitale Lösungen. Das Bewusstsein, dass dafür zunächst die entsprechende Infrastruktur stehen muss und dies der maßgebliche Kostenpunkt ist, rückt in den Hintergrund, wodurch der Druck für grundsätzliche Modernisierungen und im Ergebnis zu einem Flickenteppich an Maßnahmen führt.

Schwachstellen in der Klinik-IT – Beispiele aus der Praxis

Visitewagen
Die IT kann die Patientenversorgung enorm erleichtern und verbessern. Das zeigt sich an fundamentalen Beispielen wie IT-Visitewagen. Dies sind fahrbare, desinfizierbare und über WLAN an das Netz angeschlossene Rechner über die Ärztinnen und Ärzte während der Visite unmittelbar auf alle bereits erhobenen Daten von einem Patient oder einer Patientin zugreifen und diese am Patientenbett besprechen können.

In der Praxis kommen die Wagen häufig nicht wie beabsichtigt zum Einsatz, weil es in vielen Räumen an einer störungsfreien WLAN-Verbindung mangelt. Solange dies der Fall ist, stehen die Wagen an einer Stelle mit WLAN-Zugriff auf den Fluren des Klinikums und Ärztinnen und Ärzte müssen die Ergebnisse ihrer Visite auf Grundlage ihrer Notizen nach dem Gespräch mit Patient oder Patientin eintragen.
Unterhaltungsangebote und Service am Patientenbett
Der Fernseher am Patientenbett sollen ein multimediales Angebot an Unterhaltung und Service liefern: Patientinnen und Patienten können online surfen, Filme streamen, sich ihren individuellen Speiseplan oder den Kalender mit ihrem Rehaprogramm sowie den Weg dorthin anzeigen lassen. Ist eine WLAN- oder Mobilfunk-Verbindung nicht gegeben, beschränkt sich das Angebot darauf, fernsehen oder Radio hören zu können und zu telefonieren.
Patientenspezifische Diäten
Während eines stationären Aufenthalts wird für jeden Patienten und jede Patientin ein individueller Essensplan erstellt. Dabei geht es nicht nur um die Wünsche der Patientinnen und Patienten, sondern auch darum, ihre Diät auf ihren individuellen Gesundheitszustand abzustimmen. Beabsichtigt ist, dass Pflegekräfte mit einem Tablet zum Patientenbett kommen, über das ihnen angezeigt wird, welche Nahrungsmittel ein Patient oder Patientin zu sich nehmen darf. So kann das Klinikpersonal passende Essensangebote machen. Da Tablets in den Räumen oft nicht genutzt werden können, stehen viele letztlich mit Zettel und Stift am Patientenbett. Nachträglich müssen sie dadurch nicht nur die genannten Wünsche eines Patienten oder einer Patientin korrigieren, es schleichen sich auch leichter Fehler in die Essenspläne der Patientinnen und Patienten ein.

F&L: Aus Sicht der Patientin klingt das beängstigend: Mangelt es an einer guten Infrastruktur, setzt ein Gerät im Zweifel in der OP aus, weil es keine Verbindung aufbauen kann...

Katja Kümmel:  Darüber müssen sich Patientinnen und Patienten keine Sorgen machen. Setzen wir ein Gerät ein, sind die Voraussetzungen gegeben, dass es funktioniert. Dabei wird sichergestellt, dass alle zwingend notwendigen und lebenserhaltenen Maßnahmen sichergestellt werden. Aber es kann sein, dass ein Gerät, das für die Patientenversorgung einen  zusätzlichen Nutzen bringen würde, wegen der fehlenden Voraussetzungen nicht zum Einsatz kommen kann.