grüne, rote und blaue Würfel mit je zwei aufgemalten weißen Augen umrahmen einen weißen Würfel
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Konfliktmanagement
Was Mobbing in der Wissenschaft verhindert

Mobbing ist kein Nischenproblem, sondern an Forschungseinrichtungen weit verbreitet. Was können Hochschulleitungen dagegen tun?

Von Christian Hochmuth 06.06.2020

Leuchttürme haben Orientierungsfunktion: Sie haben Strahlkraft, und das in jeder Perspektive. Es ist deshalb nicht überraschend, dass das, was in Sachen Mobbing und Konflikten in der Max-Planck-Gesellschaft in den vergangenen zwei, drei Jahren vor sich ging, in die gesamte (mindestens deutsche) Hochschul- und Wissenschaftslandschaft strahlte. Zum einen die erheblichen Vorwürfe selbst, zum anderen der Umgang der MPG mit diesen Vorwürfen, die Konsequenzen, die daraus gezogen und die Maßnahmen, die implementiert wurden. Für Wissenschaftspolitik und Leitungsebenen des Hochschul- und Wissenschaftssystems ist dabei eines besonders relevant: Inwieweit können diese Maßnahmen ob ihrer Entschlossenheit einen Vorbildcharakter für Hochschulen im Hinblick auf Prävention und professionelle Organisationsstrukturen haben?

Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sind genau wie andere Organisationen regelmäßig Orte eskalierter Konflikte, des Mobbings, der Gewalt. Hochschulen stellen zugleich einen besonderen Organisationstypus dar, der durch spezifische strukturelle und personelle Konstellationen geprägt ist, die Einfluss auf Konflikt- und Mobbingdynamiken haben. Häufig sind die in Struktur und Governance eingeschriebenen Spannungs- und Beziehungsfelder zugleich unmittelbare Konfliktachsen: etwa zwischen zentralen und dezentralen Akteuren, Fakultäten und Hochschulleitung oder zwischen Vertretern der Wissenschaft und der Verwaltung.

Für Mobbing besonders anfällig ist dabei das Beziehungsgeflecht zwischen Lehrenden und Studierenden und zwischen Betreuern und Nachwuchswissenschaftlern. Ganz überwiegend sind hier formelle und informelle Machtverhältnisse eingezogen, die zu einem – zumindest so wahrgenommenen – Machtungleichgewicht führen. Dort, wo etwa Promotionsbetreuer nicht nur fachlich Erfahrenere oder Vorgesetzte sind, sondern Doktormütter, Karrierewegbereiter und zudem manchmal noch Prüfer, ist augenfällig, dass eine erhebliche Vielfalt und Unübersichtlichkeit an Rollen besteht. Das führt naturgemäß zu Überforderungen auf allen Seiten des Beziehungsgeflechts, was wiederum ein Potenzial für gefährliche Abhängigkeits- und Missbrauchsverhältnisse in sich trägt. Kombiniert mit unsicheren Arbeitsverhältnissen, unklaren Berufsperspektiven und einer an intrinsischer Motivation ausgerichteten Belohnungsstruktur entsteht damit ein idealer Nährboden für das Umkippen von Konfliktkonstellationen ins Destruktive.

Mobbing belastet auch das Umfeld

Hier liegt eine entscheidende definitorische Abgrenzung zwischen Konflikten und Mobbing: Während Konflikte regelmäßig das Potential für einen konstruktiven, das heißt für alle Beteiligten akzeptablen bis bereichernden, Verlauf aufweisen, sind die Verhältnisse bei Mobbing bereits ins Destruktive gekippt – mit massiven Auswirkungen für die betroffenen Individuen, ihre körperliche und seelische Gesundheit, ihren sozialen Status und ihre Leistungsfähigkeit. Ein relevanter Forschungsbefund ist dabei, dass diese negativen Auswirkungen nicht auf die Mobbingopfer beschränkt sind, sondern in ebendiesem Maße auch die sogenannten "by-standers" umfasst, also scheinbar nur mittelbar Betroffene, deren Motivation, Haltung und Loyalität zu Organisation und Personen jedoch direkt mit dem Geschehen verknüpft sind. Geht man davon aus, dass rund zehn Prozent aller Beschäftigten Mobbingopfer sind oder waren und zudem noch eine erhebliche Zahl weiterer Beschäftigter als "by-standers" involviert sind, dann haben es Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen hier nicht mit einem Nischenproblem zu tun, sondern mit Konstellationen, die potenziell zerstörerische Auswirkungen für die Organisationen im Ganzen besitzen.

"Der Umgang mit Mobbing ist eine Führungsaufgabe, die auf Leitungsebene erfüllt werden muss."

Genau deshalb wird eine an Hochschulen beliebte Form der Organisationsentwicklung nicht genügen: schlicht einen zentralen Mobbingbeauftragten zu benennen, ihn mit einer Kostenstelle auszustatten und dann alle zwei Jahre einen anonymisierten Bericht im Senat zur Kenntnis verlesen zu lassen. Vielmehr ist der Umgang mit Mobbing und eskalierten Konflikten eine Führungsaufgabe, die entsprechend auf der Leitungsebene von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen erfüllt werden muss. Voraussetzung dafür ist deren professionelles Bekenntnis, dass ihre Einrichtung ein betroffener Ort ist.

Es ist umstritten, inwieweit etwa Dienstvereinbarungen oder andere Gebrauchstexte eine positive Auswirkung auf Mobbingverhältnisse haben. Auch die unterstützende Funktion von Leitbildern oder Missionen innerhalb der Organisationskultur – konkret also auf die Auswirkungen auf die institutionelle Resilienz von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen – lässt sich für das Thema Konflikt bzw. Mobbing aufgrund intransparenter Kausalitäten nur bedingt belegen. Vielversprechender ist eine Verknüpfung aus, erstens, niedrigschwelligen, hochklassigen und vor allem faktisch verfügbaren Unterstützungsangeboten, zweitens, klaren Prozessen und Abläufen für konkrete Fälle, und drittens, sinnvoll eingesetzten Präventionsmaßnahmen.

Beratungsstellen, klare Abläufe und Prävention

Bei den Unterstützungsangeboten geht es vor allem darum, Beratungsstellen weiterzubilden. Die dort tätigen Akteure sollten über die notwendigen Kenntnisse verfügen, wie Mobbing erkannt, wie es von anderen Handlungen unterschieden werden kann und bei welchen Stellen inner- und außerhalb der Organisation schnelle Hilfe angeboten wird. Eng damit verbunden ist, dass die Hochschulen einheitliche Prozesse und Abläufe entwickeln und implementieren. Jeder eskalierte Konflikt und jeder Mobbingfall verdient eine individuelle interessenorientierte Abwägung und Verfahrensberatung und zugleich das Vorhandensein und das Aufzeigen standardisierter Wege zur Sicherung der Verfahrensneutralität und -qualität. Entscheidend sind zudem Präventionsmaßnahmen. Hier geht es um Schulung und Sensibilisierung von Lehrenden und Verwaltungsmitarbeitern und um regelmäßige Unterstützungsformate wie Coachings, Supervisionen und kollegiale Beratung. Auch wenn, mit Christian Drosten gesprochen, der Grundsatz "There is no glory in prevention" weit verbreitet ist, sind gerade im Bereich des Mobbings und eskalierter Konflikte Präventionsmaßnahmen absolut zentral.

Zurück zur Orientierungsfunktion der Max-Planck-Gesellschaft: Alarmiert von den Mobbing- und Konfliktereignissen der vergangenen Jahre hat diese sehr weitreichende Maßnahmen ergriffen. Sie hat Vorwürfe umfassend von externen Dritten aufarbeiten und die Arbeitszufriedenheit in einer breit angelegten Studie untersuchen lassen. Die Leitung hat in zahlreichen Veranstaltungen öffentlich zu Mobbing Stellung bezogen und die Bedeutung des Themas unterstrichen. Umfangreiche Präventionsmaßnahmen, verpflichtende Weiterbildungen und Schulungen wurden entwickelt und Stück für Stück umgesetzt. Es liegt auf der Hand, dass einzelne, kleinere Hochschulen weder über die Mittel noch über die Personalressourcen verfügen, um ähnlich weitreichende Maßnahmen zu ergreifen. Auch bei übergeordneten strukturellen Fragen (etwa zu Arbeitsbedingungen und Berufsperspektiven von Nachwuchswissenschaftlern) sind die unmittelbaren Handlungsmöglichkeiten begrenzt, hier besteht wohl lediglich die Möglichkeit, in Kooperation mit anderen Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen stetigen Druck auf die Wissenschaftspolitik auszuüben.

"Die Leitungsebenen sollten das Thema gleichermaßen deutlich wie unaufgeregt aus dem Dunklen ins Tageslicht rücken."

Handlungsbedarf besteht für Hochschulen an anderen Stellen: Die Leitungsebenen sollten das Thema gleichermaßen deutlich wie unaufgeregt aus dem Dunklen ins Tageslicht rücken und gemeinsam mit ihren Wissenschaftsmanagern frühzeitig schlanke und gut integrierbare Prozesse und Unterstützungsangebote auf den Weg bringen. Ein Handeln, das erst nach der Lektüre einschlägiger Berichte in der Presse über Mobbingfälle im eigenen Haus startet, kann nicht das Ziel professioneller Führung sein. Führung, die eben auch und gerade auf dem Feld des Konfliktmanagements nötig ist.