Landtagswahlen
AfD punktet durch Pläne im Bereich Bildung
Die AfD profitiert bei ihrem Wahlerfolg in Thüringen nach Ansicht von Wahlforschenden von einem Ansehensverlust fast aller Parteien und einer großen Unzufriedenheit mit der Bundes- und Landesregierung. Die Unzufriedenheit mit der rot-rot-grünen Minderheitsregierung in Thüringen sei auf Rekordniveau, schreibt die Forschungsgruppe Wahlen in ihrer Analyse zur Landtagswahl. Die Umfrage identifiziert "Flüchtlinge/Asyl" sowie "Bildung und Schule" als die wichtigsten Themen der Wahl in Thüringen.
Von den AfD-Wählenden in Thüringen entschieden sich 62 Prozent wegen ihrer politischen Forderungen für die Partei – 32 Prozent wählten sie primär als Denkzettel. Die Unzufriedenheit der Thüringer Bevölkerung beschränke sich nicht auf die Landespolitik. Die Bundesregierung werde so negativ wie noch nie bei einer Landtagswahl bewertet, analysieren die Wahlforschenden. Bei der Frage nach dem gewünschten Ministerpräsidenten sprechen sich die Menschen in Thüringen für Amtsinhaber Ramelow aus – 60 Prozent bescheinigen ihm demnach eine gute Regierungsarbeit. Uneinig sind sich die Menschen in Thüringen, welche Partei die künftige Regierung führen soll: 33 Prozent nennen die CDU, 26 Prozent die AfD, 20 Prozent die Linke und 12 Prozent das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Top-Themen: Migration und Bildung
Insbesondere bei der Migrationspolitik genieße die AfD mit 34 Prozent deutlich mehr Vertrauen als alle anderen Parteien. Bei der Bildungspolitik liegt die AfD knapp hinter der CDU, die auch beim Thema Wirtschaft das meiste Vertrauen genießt, wie die Forschungsgruppe Wahlen schreibt.
Beispiele für bildungspolitische Forderungen der AfD sind laut Wahlprogramm unter anderem, dass das Abitur verlässlicher Ausweis der Studierfähigkeit werden müsse durch eine Absage an den "Akademisierungswahn", eine Abkehr von der "Verkopfung" der Regelschule hin zu einem höheren Anteil an praktischen Unterrichtsinhalten werde angestrebt sowie eine "weltanschauliche und politische Neutralität des Schulunterrichts".
Bezüglich Hochschulpolitik ist im AfD-Wahlprogramm zu lesen, dass mit Sorge der in Thüringer Hochschulen eingedrungene Trend einer Politisierung wissenschaftlicher Forschung und Lehre durch eine "linke Identitätspolitik" betrachtet würde. Entsprechend solle die "Gender-Forschung" als ideologisch gefördert abgeschafft werden. Den Bologna-Reformen und dem damit einhergehenden "Prozess der Verschulung" solle entgegengewirkt werden, indem es Hochschulen zukünftig wieder ermöglicht werden sollte, Diplom- und Magisterstudiengänge anzubieten. Deutsch soll der AfD zufolge als Wissenschaftssprache gefördert werden. Nicht-EU-Studierende sollten Studiengebühren bezahlen.
Laut des AfD-Wahlprogramms in Sachsen sind die Pläne in diesem Politikfeld recht ähnlich. Die AfD setzt sich demnach für die Verbesserung der Studierfähigkeit der Abiturientinnen und Abiturienten ein. "Voraussetzung für den Übergang zum Gymnasium nach Klasse 8 ist ein Notendurchschnitt von mindestens 1,5 in den Hauptfächern", heißt es im Rahmen dessen. Die Lehrkräfteausbildung wolle man in Sachsen zukünftig über eine "Pädagogische Hochschule" regeln und Referendariate in diesem Zuge abschaffen. "Bologna ist gescheitert – Diplom und Magister wiedereinführen" ist ein weiteres Kapitel im Programm. Zudem sollen gemäß des Wahlprogramms unter anderem Gleichstellungsbeauftragte und Zivilklauseln abgeschafft werden.
Mehrheit in Sachsen will keine AfD-Regierung
Nach Darstellung der Wahlforschenden bescheinigen 72 Prozent der Sachsen dem Ministerpräsidenten eine gute Arbeit. "Letztlich wollen 65 Prozent Kretschmer als Regierungschef, nur 23 Prozent sind hier für Urban." Jörg Urban ist der AfD-Konkurrent des Ministerpräsidenten.
"AfD und BSW zeigen wenig eigene Qualitäten", so die Forschungsgruppe Wahlen. Neben den Themen Flüchtlinge und Ukraine/Russland profitierten beide von einer "Rekord-Unzufriedenheit mit der Ampel und Defiziten der CDU/CSU-Opposition im Bund". Speziell im AfD-Lager gebe es auch eine hohe Distanz zur etablierten Politik im Freistaat. Unter allen Befragten gelte die AfD für 54 Prozent als Gefahr für die Demokratie.
Eine Beteiligung der AfD an der nächsten Landesregierung wird von der Mehrzahl der Wählerschaft in Sachsen den Wahlforschenden zufolge abgelehnt. 57 Prozent der Befragten fänden eine Regierungsbeteiligung der AfD schlecht, nur 37 Prozent gut, vier Prozent wäre das egal. Bei der BSW sind die Meinungen geteilt: Eine Regierungsbeteiligung fänden 38 Prozent gut und 34 Prozent schlecht, 20 Prozent wäre das egal.
Gemeinsam mit ZEIT ONLINE hat das Portal "FragDenStaat" in den vergangenen Wochen über 160 aussichtsreiche CDU-Kandidatinnen und CDU-Kandidaten in den drei ostdeutschen Bundesländern mit anstehender Landtagswahl einzeln befragt. Demnach stehen 95 Prozent aller teilnehmenden CDU-Mitglieder zur Brandmauer gegen die AfD. Sie würden weder einer Koalition zustimmen noch einer Minderheitsregierung der CDU unter Tolerierung der AfD.
Forschungsgruppe Wahlen
Die Zahlen basieren auf einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.217 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Thüringen in der Woche vor der Wahl (telefonisch/online) sowie auf der Befragung von 16.416 Wählenden am Wahltag.
Für die Analyse in Sachsen hat die Forschungsgruppe Wahlen 1.337 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte in der Woche vor der Wahl telefonisch und online befragt sowie 18.137 Wählende am Wahltag.
cva/dpa