Das Bild zeigt einen schlappen Luftballon mit AfD-Schriftzug vor dem Reichstagsgebäude.
picture alliance / ZB | Sascha Steinach

Studienergebnis
AfD-Wählen macht unglücklich

Eine Studie zeigt den Zusammenhang zwischen Parteipräferenz und Wohlbefinden. Menschen, die sich der AfD zuwenden, erleben eine Verschlechterung.

01.08.2024

Die Ökonomin Dr. Maja Adena und ihr Kollege Professor Steffen Huck vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass die negative Rhetorik rechtspopulistischer Parteien wie der AfD die persönliche Lebenszufriedenheit verringern kann. Vor allem neue Anhängerinnen und Anhänger der AfD seien unzufriedener.

In einer großen Umfrage-Studie mit über 5.000 Teilnehmenden in vier Wellen über die Jahre 2019 bis 2021 wollten die Forschenden herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und den Präferenzen für politische Parteien gibt. Dabei zeigt sich ein klares Muster: Menschen, die die AfD unterstützen, sind zunehmend unzufriedener mit ihrem persönlichen Leben und ihrer finanziellen Situation als Unterstützende anderer Parteien. Dieser Zusammenhang sei besonders stark ausgeprägt für neue Anhängerinnen und Anhänger der AfD. Wer sich von der Partei wieder abwende, würde dagegen eine Verbesserung im Wohlbefinden empfinden.

Wachsende Unzufriedenheit durch viel Geld zu beseitigen

Der Zusammenhang zwischen sinkendem Wohlbefinden und Unterstützung der AfD sei eindeutig und ließe sich nicht durch sozioökonomische Variablen wie Einkommen oder Bildung erklären. "AfD-Wähler sind genauso gebildet, haben dasselbe Einkommen und sind genauso vermögend wie Wählende anderer Parteien", konstatierte Adena bereits im Rahmen eines Podcasts zur Studie, dass keine soziale Ungleichheit vorliege.

Der Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und AfD-Unterstützung ist laut Studie darüber hinaus ökonomisch bedeutsam und lässt sich beziffern: Schätzungen des Forschungsteams legen nahe, dass eine Person, welche die AfD neu unterstützt, ein zusätzliches Monatseinkommen von rund 2.500–3.000 Euro bräuchte, um wieder das gleiche Wohlbefinden zu erreichen, dass sie vor ihrer Entscheidung, die AfD zu unterstützen, empfand. Allerdings betonen die Forschenden im Podcast explizit, dass es hier keine Kausalität gebe, sondern diese Summe nur dazu diene, um den Grad der Unzufriedenheit bildhaft zu beziffern.

Huck erläutert im Podcast: "Wir sehen manche Leute, die wechseln in ihrer Unterstützung. Diese Unzufriedenheit verschwindet in dem Moment, wenn ich mich von der AfD wieder abkehre."

Zusammenhang wissenschaftlich belegbar

Ob die Entscheidung, die AfD zu unterstützen, ursächlich dazu führt, dass sich Menschen unzufriedener fühlen, untersuchten Adena und Huck mit Hilfe von zwei Experimenten. Im ersten Experiment befragten sie Wählerinnen und Wähler vor, während und nach dem AfD-Bundesparteitag im November 2020. Insbesondere Neu-Unterstützende der AfD, die während des Bundesparteitags an der Umfrage teilnahmen, berichten von schlechterem Wohlbefinden als neue AfD-Unterstützende, die vor oder nach dem Parteitag an der Umfrage teilnahmen, oder auch als Anhängerinnen oder Anhänger anderer Parteien.

Auch im zweiten Experiment, das 2021 stattfand, wurden die Teilnehmenden gebeten, Fragen zu ihrem Wohlbefinden zu beantworten. Zusätzlich erhielten sie Fragen zur Partei, die sie unterstützen. Die Forschenden teilten die Teilnehmenden in zwei Gruppen. Eine Gruppe musste vor den Fragen zum Wohlbefinden Fragen zur Partei beantworten. Für die andere Gruppe wurde die Reihenfolge der Fragenblöcke umgekehrt. 

Es ergibt sich das gleiche Muster wie im ersten Experiment: Neu-Unterstützende der AfD, die sich gerade intensiv mit AfD-Themen befasst haben, sind weniger zufrieden als die Kontrollgruppe, die Fragen zum persönlichen Wohlbefinden vor den Fragen zu AfD-Themen beantworten musste. Für Unterstützende anderer Parteien ergibt sich kein vergleichbares Muster. Wer sich seine neue Unterstützung der AfD stärker bewusst mache, nehme sowohl seine persönlichen als auch seine finanziellen Umstände als schlechter wahr. 

Dabei hätten sich Adena und Huck zu Beginn ihrer Studie durchaus auch das Gegenteil vorstellen können. Sie beschreiben, dass – beispielsweise durch die Zuwendung zu einer Partei – Stellung zu beziehen, mit der Entwicklung eines Gefühls von Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit einhergehe, was als wichtig für das Wohlbefinden angesehen werden könne. Eine solche Stellungnahme könne auch kognitive Dissonanz verringern und ein Erfolgserlebnis durch das Erreichen eines Ziels hervorrufen oder als erfolgreiche Strategie zur Stressbewältigung dienen und somit das Wohlbefinden durch Stressabbau steigern. Diese Annahmen galt es wissenschaftlich zu bearbeiten.

Andere Parteien sollten auf positive Themen setzen

Bezüglich Gemeinsamkeiten, die Unterstützende teilen, gehen die beiden auf zwei sogenannte Prädiktoren ein: "Wir fragen Einstellungen zur Migration ab. Hinsichtlich Prädiktoren ist das die stärkste Variable, die wir haben: Eine kritische Haltung zur Einwanderung auch von qualifizierten Arbeitskräften – das war die Frage, die wir gestellt haben – ist sehr, sehr stark korreliert mit AfD-Unterstützung. Wir finden außerdem, dass Fleischkonsum stark korreliert mit der Unterstützung der AfD", heißt es dazu im Podcast.

Die Gründe für den Kausalzusammenhang zwischen AfD-Unterstützung und Verschlechterung des Wohlbefindens vermuten die Forschenden in der negativen Rhetorik der AfD. Wer sich der Partei zuwendet, setzt sich dieser Negativität stärker aus und das schadet dem Wohlbefinden. Die Forschenden sprechen hier von "rhetorischer Negativität", die auf diese Person einprassle.

Adena und Huck empfehlen daher anderen Parteien, positive Themen zu betonen, anstatt sich auf die negativen Themen der AfD zu konzentrieren. "Die erfolgreiche Rückgewinnung von Wählerinnen und Wählern braucht andere, idealerweise positive Themen", sagt Maja Adena. In der Studie heißt es dazu bilanzierend: "Unsere Ergebnisse stellen die vorherrschende Annahme in Frage, dass sich die Kausalität unidirektional bewegt, von Lebensunzufriedenheit hin zur Unterstützung populistischer Parteien. Sie  lassen außerdem darauf schließen, dass frühe Interventionen, die sich auf positive Botschaften konzentrieren, besonders vielversprechend sind, um Wählende wieder in den Mainstream zurückzugewinnen."

Die August-Ausgabe von "Forschung & Lehre" widmet sich mit einem Themen-Schwerpunkt der "Demokratie".

Die Beiträge:

  • Jens Hacke: Krise ohne Alternative? Überlegungen zur Lage der Demokratie 
  • Hanno Kube: Fragile Herrschaftsform: Demokratie und ihre Vertrauensgrundlagen
  • Timm Beichelt: Politik mit der Angst: Ein Problem in der Demokratie?
  • Thomas Weber: Zuversicht Mangelware: Ein Plädoyer für bessere Erzählungen
  • Im Gespräch mit Tonio Oeftering: Kritisch begleiten und mitgestalten: Über die Bedeutung politischer Bildung für die Demokratie
  • Im Gespräch mit Daniel Ziblatt: Wissenschaft als Bollwerk gegen autoritäre Kräfte: Wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Demokratie schützen können

Auch haben wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefragt, wie sich ihre Arbeit verändert hat. Hier geht es zur aktuellen Ausgabe – Reinlesen lohnt sich!

cva